Irreversible Schäden - 10 Millionen Deutsche sind nierenkrank, ohne es zu wissen – wer besonders gefährdet ist

In Deutschland leiden über zehn Millionen Menschen an einer chronischen Nierenerkrankung (CKD=Chronic Kidney Disease). Durch diese Erkrankung steigt nicht nur das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie etwa Herzinfarkt und Schlaganfälle. Bleibt sie unbehandelt, schreitet sie kontinuierlich fort, so dass die Betroffenen am Ende auf die Dialyse, also Blutreinigung, angewiesen sind. Im schlimmsten Fall kommt es zum kompletten Nierenversagen, so dass nur noch eine Transplantation das Leben der Betroffenen retten kann.

Schäden an den Nieren nicht reversibel

Das Tückische an dieser Erkrankung: Sie wird oft erst sehr spät erkannt. Denn sie kann noch symptomlos verlaufen, wenn schon 90 Prozent der Nierenfunktion verloren gegangen ist. Laut Deutscher Gesellschaft für Nephrologie (DGFN) wissen deshalb auch drei von vier Patienten nicht, dass sie daran leiden.

Das ist tragisch, denn die bereits verlorene Nierenfunktionen lassen sich nicht wieder herstellen. Deshalb ist es wichtig, die CKD frühzeitig zu erkennen. Mittlerweile gibt es gute Medikamente, die die Erkrankung verzögern bzw. sogar stoppen können.  

Die häufigsten Ursachen für die chronische Nierenerkrankung

Es gibt zwei Risikogruppen, die besonders gefährdet sind, eine CKD zu entwickeln. Das sind:

  1. Menschen mit Bluthochdruck und
  2. Menschen mit Diabetes mellitus

Diese Risikogruppen sind sehr groß. Immerhin haben allein in Deutschland etwa 20 bis 30 Millionen Menschen Bluthochdruck – und viele wissen nicht mal etwas davon. An Diabetes Mellitus leiden circa 8,5 Millionen Menschen – die meisten davon (95 Prozent) an Typ-2, dem sogenannten Altersdiabetes.

CKD kann aber auch etwa durch eine Nierenentzündung, Nierenstein oder durch die langjährige Einnahme bestimmter Medikamente wie etwa Schmerzmittel entstehen.

Trotz großer Risikogruppen wird nicht ausreichend auf CKD getestet

Die Zahl derer, die gefährdet sind, ist also erschreckend hoch. Umso erstaunlicher ist es, dass diese Risikopatienten nicht ausreichend getestet werden, um die CKD frühzeitig zu erkennen – obwohl dies ganz simpel mit einer Kombination aus Blut- und Urintest möglich ist. Beim Bluttest wird der eGFR-Wert (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate) aus dem Kreatininwert im Blut bestimmt, beim Urintest die Proteinwerte (Albumin) darin.

Doch in der Praxis finden diese Tests viel zu wenig statt. So fand die InspeCKD-Studie im April anhand von Daten von insgesamt 448.837 Hausarztpatienten heraus, dass nur bei

  • 45,5 Prozent

aller Risikopatienten ein Bluttest zur Ermittlung des eGFR-Werts in den Hausarztpraxen durchgeführt wurde. Eine Albuminbestimmung mit Teststreifen im Urin erfolgte lediglich bei

  • 7,9 Prozent

der Patientinnen und Patienten.

Eine UACR (quantitative Bestimmung der Albuminausscheidung im Urin) wurde nur bei

  • 0,4 Prozent

der Betroffenen bestimmt.

„Trotz bekannter Risikofaktoren für eine CKD wird eine leitliniengerechte Labordiagnostik in deutschen Hausarztpraxen nicht ausreichend durchgeführt“, kritisieren die Autoren der InspeCKD-Studie. Es bestünde daher ein umfassender Aufklärungsbedarf in Bezug auf die Früherkennung der CKD bei Risikopatientinnen und -patienten.

Einfache Blut- und Urintests als Screening ab 35 Jahren

Das sieht auch Julia Weinmann-Menke, Direktorin der Klinik für Nephrologie, Rheumatologie und Nierentransplantation (NTX) am Universitätsklinikum Mainz und Sprecherin der DGFN so: „Durch den Nachweis von Albumin im Urin ist es möglich, die Diagnose einer CKD viel früher zu stellen als durch die alleinige Betrachtung der eGFR, denn es ist häufig das erste Anzeichen für eine Schädigung der Nierengefäße“, erklärt sie in einer Mitteilung.

„Das ist tragisch, denn seit einigen Jahren stehen endlich wirksame Medikamente zur Verfügung, mit denen wir das Fortschreiten der CKD vor allem auch in frühen Stadien verzögern oder sogar stoppen können“, erläutert sie. Aber dazu müsse die CKD rechtzeitig diagnostiziert werden.

Da Nierenerkrankungen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen, fordert die DGFN daher die Aufnahme von Nierenerkrankungen in das Gesundes-Herz-Gesetz (GHG). „Das wäre ein entscheidender Schritt, um die Früherkennung zu verbessern, Herzinfarkte und Schlaganfälle zu reduzieren und langfristig die Gesundheitskosten zu senken“, betont Weinmann-Menke.

Doch das ist nicht alles. „Da wir nicht genug betonen können, wie wichtig die Früherkennung von CKD ist, plädieren wir für ein grundsätzliches Screening im Rahmen der von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlten Gesundheitsuntersuchungen ab dem 35. Lebensjahr.“

Mit diesen Maßnahmen könnte man dazu beitragen, dass es künftig weniger Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener CKD und damit weniger Dialysen, Bluthochdruck, Schlaganfälle sowie weniger Herzinfarkte geben wird.

Acht Tipps, wie Sie Ihre Nieren schützen können

Um unsere Nieren zu schützen und eine CKD erst gar nicht zu entwickeln, können wir einiges tun. Im Gespräch mit FOCUS online gibt Werner Riegel, Vorsitzender der Deutschen Nierenstiftung, acht wichtige Tipps:

  1. Blutdruck regelmäßig kontrollieren
  2. Blutzuckerwerte kontrollieren
  3. zur Vorsorgeuntersuchung gehen
  4. mit dem Rauchen aufhören
  5. Nierensteinen und Harnwegsinfekten vorbeugen
  6. wenig Kochsalz und Phosphat aufnehmen
  7. ausreichend bewegen
  8. wenig Fleisch essen