Merz-Regierung ringt um Steuern, Rente und Bürgergeld: Wer profitieren könnte
Der „Herbst der Reformen“ steht bevor. Die Merz-Regierung will Entscheidungen bei der Sozialpolitik treffen. Es geht um Steuern, Rente und Bürgergeld.
Berlin – Bürgergeld, Rente, Pflege oder Schuldenbremse und Gesundheitspolitik: Vor dem „Herbst der Reformen“ steigt der Druck auf die Bundesregierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU), dem Sozialsystem droht der Kollaps. Der Blick in die Zukunft offenbart den Kern des Problems: Im Haushalt 2027 droht eine Milliardenlücke. Während Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) höhere Steuern nicht ausschließt und fordert, dass alle einen Beitrag leisten müssten, geht die Union auf die Barrikaden.
Die Ausgaben für Sozialleistungen in Deutschland steigen seit Jahren: Im vergangenen Jahr gab der Bund 476 Milliarden Euro aus, davon entfielen 137 Milliarden auf Zuschüsse für Rente, Sozialversicherung und Arbeitslosenversicherung. Bereits im vergangenen Wahlkampf, und darüber hinaus, sorgt besonders das Bürgergeld für kontroverse Debatten. Ein Politiker wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert immer wieder Reformen und kritisiert unfaire Verteilungen. Bei der Erbschaftsteuer oder Einkommenssteuer gehen die Meinungen von Union und SPD teilweise deutlich auseinander. Das Tauziehen der Regierungspartner scheint eröffnet. Die wichtigsten Punkte im Überblick.
Steuern, Rente und Bürgergeld: Merz-Regierung streitet über Reformen des Sozialstaats
Seit mehreren Wochen diskutiert die Regierung von Merz über Reformen des Sozialstaats. Die SPD stemmt sich gegen Kürzungen, obwohl der Kanzler zuletzt immer wieder deutlich machte, dass das aktuelle System nicht zukunftsfähig sei. „Das wird schmerzhafte Entscheidungen bedeuten, das wird Einschnitte bedeuten“, sagte Merz am vergangenen Wochenende während des nordrhein-westfälischen CDU-Parteitags. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas bezeichnete die Vorstöße aus den Reihen der Union hingegen als „Bullshit“.
Dennoch: Dass der Sozialstaat kränkelt, ist bereits länger bekannt. Bereits im Koalitionsvertrag verständigten sich Union und SPD auf eine Reorganisation der Sozialleistungen und sprachen sich für eine bürgerfreundliche Reform aus. Nach der politischen Sommerpause ist vor dem „Herbst der Reformen“. Für die Merz-Regierung arbeiten nun mehrere Kommissionen an der Zukunft der Sozialleistungen. Während die Frage der Finanzierung Taktgeberin der Debatten sein dürfte, steht die Regierung vor einer besonderen Herausforderung: Der Koalitionsvertrag sieht Steuerentlastungen vor – und zusätzliche Anreize für Menschen, die Rente beziehen.
Bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei hinzuverdienen: Merz-Regierung arbeitet an Aktivrente
Für die Bundesregierung nehmen neun Ministerien teil. Im September und Oktober sollen Verbände, Wissenschaft und Praxis gehört werden. Inhaltlich liegt der Fokus auf den steuerfinanzierten Leistungen wie Wohngeld, Kinderzuschlag oder Bürgergeld. Sozialstaatssekretär Michael Schäfer kündigte „konkrete Empfehlungen“ an, „sodass wir ab 2026 in die Umsetzung gehen können“. Zu beachten sei, „dass wir uns den Sozialstaat leisten können müsse“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Sebastian Hille. Die Regierung wolle mit mehreren Weichenstellungen bei Sozialem und Rente „entscheidende Schritte“ gehen.
Hille betonte, dass der Reformprozess bei Sozialem und Wirtschaft bereits vor dem Sommer begonnen habe. In diesem Herbst werde nun etwa die Aktivrente aufs Gleis geschoben. Mit der im Koalitionsvertrag vereinbarten sogenannten Aktivrente sollen Rentnerinnen und Rentner bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei hinzuverdienen können. Merz setzt auf eine baldige Einführung als Anreiz für längeres Arbeiten im Alter. „Wenn alles gut geht, kriegen wir das zum 1. Januar hin“, hatte der CDU-Vorsitzende im ZDF gesagt.
Steuerentlastungen unter Merz-Regierung: Entlastung bei Einkommenssteuer?
Von 2027 an hat die Merz-Regierung zudem Steuerentlastungen für kleine und mittlere Einkommen vorgesehen. Laut Bild werden voraussichtlich alle Beschäftigten mit bis zu 5200 Euro brutto pro Monat profitieren. Steuerzahler-Präsident Reiner Holznagel bezifferte die mögliche Entlastung im Schnitt auf 50 Euro pro Monat. Klingbeil erklärte zuletzt trotz der gestiegenen Sparzwänge gegenüber der ARD: Es sei im Koalitionsvertrag so verabredet, „dass wir diesen Weg gehen wollen“. Dies sei angesichts einer absehbar größeren Lücke von 30 Milliarden Euro im Haushalt 2027 natürlich eine riesige Herausforderung.
„Aber wenn man da bereit ist, sich zu bewegen und auch Kompromisse einzugehen, dann kriegen wir das hin. Und mein Ziel ist, dass das am Ende klappt“, sagte Klingbeil. Es würden unterschiedliche Modelle berechnet, und er werde einen Vorschlag präsentieren. Unionsfraktionschef Jens Spahn sprach sich ebenfalls für das Ziel aus. Aber: „Dafür braucht es Wachstum, um diesen Spielraum zu haben.“ Immerhin: Der Investitionsbooster ist beschlossen, die Körperschaftssteuer und die Mehrwertsteuer in der Gastronomie sollen modernisiert werden.
Söder gegen Steuererhöhungen – Kritik an Bürgergeld und Heizgesetz
In der vergangenen Woche positionierte sich auch Söder beim Thema Steuererhöhungen und lehnte die von der SPD ins Spiel gebrachten und auch von Teilen der Union für möglich gehaltenen Steuererhöhungen für Reiche kategorisch ab. „Wir haben einen klaren Koalitionsvertrag, der heißt ‚keine Steuererhöhung‘“, sagte er während seiner Helgoland-Reise. Angesichts der Finanzierungsprobleme favorisierte er andere Lösungen: „Da ist das Bürgergeld mit über 50 Milliarden Euro, immer wachsend“. Da könne man massiv sparen. Das zweite sei das „irre Heizgesetz“, so Söder und verwies auf 17 Milliarden Euro für Wärmepumpen. „Da kann man die Hälfte wegnehmen.“
Das Finanzierungsproblem beim Bürgergeld hatte zuletzt immer weiter zugenommen. Knapp fünf Millionen Menschen in Deutschland beziehen die Sozialleistung, die Hälfte davon sind Menschen aus dem Ausland. Der Anteil von Geflüchteten liegt laut Stern bei etwa 30 Prozent. Den Ausweg soll eine Alternative zum Bürgergeld bringen: die sogenannte Grundsicherung für Arbeitssuchende. Im Koalitionsvertrag hieß es dazu, dass der Fokus klar auf Arbeitsvermittlung und Qualifikation für den Arbeitsmarkt liegen soll. Zudem sollen Sanktionen schneller, einfacher und unbürokratischer durchgesetzt werden können. Mitten im „Herbst der Reformen“ soll ein Entwurf dazu vorgelegt werden.
Zukunft der Rente: Merz-Regierung will Kommission für Finanzierung
Neben Finanzierungsfragen beim deutschen Gesundheitssystem und der Pflegeversicherung sowie der Modernisierung der Schuldenbremse steht die Regierung von Merz vor der Aufgabe, die Zukunftsfähigkeit der Rente zu sichern. Von dem nächsten Jahr an soll daher eine Kommission erarbeiten, wie die Rente stabilisiert werden kann. Mögliche Reformen können laut Stern bis zur geplanten Bundestagswahl im Jahr 2029 auf den Weg gebracht werden. Im Zusammenhang mit der Rente in Deutschland kamen zuletzt unterschiedliche Vorschläge auf. Laut ZDF sprach sich der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, für eine Umverteilung aus.
Demnach sollen 20 Prozent der reichsten Rentnerinnen und Rentner einen Teil ihres Einkommens abgeben, damit die Menschen mit dem geringsten Einkommen profitieren. Ob dies eine Möglichkeit ist, wird vermutlich in den kommenden Wochen debattiert werden. Trotz der gegenwärtigen Differenzen in der Sozialpolitik sieht Bas laut Stern allerdings bei Merz den Willen, die schwarz-rote Koalition zum Erfolg zu führen. „Ich nehme dem Kanzler ab, dass er den Erfolg mit dieser Koalition will.“ Zugleich räumte sie allerdings auch mögliche Probleme ein: „Worauf andere in der Union spekulieren, weiß ich nicht.“ (fbu)