Otto Wesendonck: Dynamisch wie eh und je
Seinen Skulpturen begegnet man nicht nur im Landkreis, sondern in ganz Deutschland: Bildhauer Otto Wesendonck, seit mehr als 50 Jahren in Waakirchen daheim, wird 85 Jahre alt.
Waakirchen – Im wilden Garten um den uralten Meserhof unterhalb der Pfarrkirche St. Martin wachsen mehr Skulpturen als Sträucher. Die Waakirchner rundum haben sich in mehr als 50 Jahren daran gewöhnt, dass sie mit Otto Wesendonck einen international erfolgreichen Bildhauer als Mitbürger haben. Heute wird der Künstler 85 Jahre alt – und wirkt dabei so jugendlich-dynamisch wie eh und je, mit wachem Blick, lebhaft im Gespräch, mit charmantem Küsschen für jeden weiblichen Gast und schwer aktiv in seiner schöpferischen Arbeit. „Wenn ich nichts tu, falle ich zusammen und blase Trübsal,“ erklärt er seinen Elan. „Das geht gar nicht!“
Bereits beim ersten Blick auf den kleinen Bauernhof 1968 wussten der Mann vom Niederrhein und seine Muse und Liebe Ragnvi: Hier ist unser Platz. Kurz zuvor war die Freundin des bekannten Bildhauers Bernd Heiliger mit dessen Meisterschüler aus dem „nervigen Berlin“ durchgebrannt – ins bayerische Oberland, wo Wesendonck sich schon früher so wohl und inspiriert gefühlt hatte. In Berlin konnten sie wegen des Skandals nicht bleiben und wollten es auch nicht, war die heutige Hauptstadt doch damals in ihrer Insellage durch den Mauerbau sehr verengt und jede Reise in den Westen von DDR-Schikanen begleitet.
Otto Wesendonck: Seine „Spirale“ ziert das Mainzer ZDF-Sendezentrum
Das Einwurzeln klappte bestens, im Dorf dank Ragnvis Kommunikationstalent und beruflich durch Können und Glück bei Wettbewerben mit überzeugenden Entwürfen. Unter 100 Bewerbern „und ohne Beziehungen“ machte sich Wesendonck 1971 seinen Namen in der Ausschreibung der Münchner Universität für eine Plastik, die als einziger Entwurf ein Kellergeschoss mit dem ersten Stock verband. Ein Architekt schlug ihn für den Mainzer Lerchenberg mit dem neuen ZDF-Sendezentrum vor. Gegen etablierte Konkurrenz, wie etwa Heiliger, entschied der Nachwuchskünstler das Rennen mit seiner riesigen „Spirale“ für sich.
Dabei entwickelte er seine ersten eigenen technischen Hilfen für das Abformen und das Herauslösen des Gusses. Nur ein Schritt für seine metallurgischen Verbesserungen gegen Schlacke in der Schmelze, Blasen im Metall oder unschöne Schweißnähte mit Gussmaterial, was auch Fachleute verblüffte. Wesendoncks Unzufriedenheit mit den Guss-Dienstleistern führte 1980 zur eigenen Gusswerkstatt im alten Kuhstall. Seine – beweglichen! – Riesenskulpturen in den 90er-Jahren wie die Weidener Welle, der Phönix in Oberhausen, die Justitia in Münster oder das große Alpha in München und bereits die Installation für die Bundesrentenanstalt in Berlin 1975 musste er freilich auswärts produzieren lassen, wurde aber begehrter Ratgeber.
Otto Wesendonck: Auf Augenhöhe mit anderen Kunstgrößen
Auszeichnungen und Preise begleiteten die Karriere, in der der Bildhauer auf Augenhöhe den Kunstgrößen der Zeit begegnete. Dabei blieb er immer bodenständig und seiner Wahlheimat eng verbunden, die ebenfalls einige Werke Wesendoncks zieren: Die Venus im Verkehrskreisel in Hauserdörfl, das Ludwig-Erhard-Denkmal in Gmund, der Weltenspiegel vor dem künftigen Waakirchner Rathaus – und sein Skulpturen-Garten.
Gudula Beyse