Wer kümmert sich denn jetzt? Es gibt fast keine Abiturienten im Sommer - aber FSJler werden gebraucht

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Emilie Bergmüller ist FSJlerin beim Kinder- und Jugendförderverein in Wolfratshausen. Die Nachwuchskräfte sind wichtig für Vereine und Organisationen. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Wegen der Umstellung auf G9 fehlt Nachwuchs fürs Freiwillige Soziale Jahr: Betreuungseinrichtungen, Pflegeheime und Vereine machen sich Sorgen.

Die beiden Mädchen gehen schon recht behände mit der Schere um. Emilie Bergmüller muss den Schülerinnen fast nicht helfen. Wenn doch, ist sie da. Mindestens ein Jahr lang. Bergmüller ist eine von neun FSJlerinnen, die im Kinder- und Jugendförderverein (KJFV) Wolfratshausen arbeiten. Der Verein braucht diese jungen Kräfte dringend. Damit ist er nicht allein: Viele soziale Einrichtungen, Pflegeheime und Vereine beschäftigen junge Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ). Schon jetzt werden die Schülerinnen und Schüler umworben, der Markt ist umkämpft. Das könnte sich noch zuspitzen. Denn heuer gibt es keinen regulären Abiturjahrgang. Wegen der Umstellung von G8 auf G9 tüten wohl bayernweit nur 5000 Heranwachsende ihre Hochschulreife ein.

FSJ nach dem Abi beliebt - aber wegen G9 gibts heuer kaum Abiturienten

Walter Bernlochner weiß, wie wichtig Menschen wie Emilie Bergmüller für den Betrieb im Hort, Kindergarten, in der Schule, der Mittagsbetreuung und im Jugendhaus La Vida sind. An diesen Orten setzt der Kinder- und Jugendförderverein auf FSJler. „Sie sind eine riesige Entlastung und eine große Hilfe“, sagt der Vize-Chef des KJFV. In der täglichen pädagogischen Arbeit erfüllen die Nachwuchskräfte eine wichtige Rolle. „Die Personalsituation ist durch die rechtlichen Vorgaben immer eng – die FSJ-Kräfte können sich aber mal die Zeit nehmen, sich eingehender mit einzelnen Kindern zu beschäftigen.“ Zum Beispiel, wenn’s einem Kind im Kindergarten nicht so gut geht, die Pädagogen aber mit dem Gruppendienst eingespannt sind. „Für die Kinder sind die FSJler dann total wichtig“ – und für die Kollegen natürlich auch. Besonders schön: Im festen Mitarbeiterstamm sind inzwischen einige ehemalige FSJler.

Erste Bewerber für Betreuungsjobs: Jugendeinrichtungen stellen FSJler ein

Große Angst vor einem Jahrgang ohne Bewerber vom Gymnasium hat Bernlochner nicht. Noch nicht. „Wir haben sogar schon die erste Bewerbung für September, so früh hat sich noch nie jemand beworben“, sagt er. Im vergangenen Jahr war er ein bisschen nervös, weil bis wenige Wochen vor dem Startschuss noch einige Plätze frei waren. „Am Ende hat es aber perfekt gepasst.“ Dementsprechend entspannt schaut der KJFV-Vize in die Zukunft. „Unsere FSJler kommen aus ganz unterschiedlichen Schularten.“ Aber klar: Der Kampf um die Nachwuchskräfte wird noch verschärft, wenn der Abi-Jahrgang ausbleibt.

Königsdorfer Umweltbildung: Jugendsiedlung braucht FSJler

Eine ähnliche Situation herrscht in der Jugendsiedlung Hochland. Jahr für Jahr werden in der Königsdorfer Einrichtung nicht nur FSJ-Stellen, sondern auch Bundesfreiwilligendienste angeboten. Letzterer richtet sich als generationenübergreifender Dienst an Menschen jeden Alters. „Dennoch war ein großer Teil unserer Bewerber Gymnasiasten“, berichtet Ann-Katrin Speidel, Leiterin der Umweltstation Königsdorf. „Die fallen heuer alle weg.“

Erste Bewerbungen sind in Königsdorf trotzdem schon eingetrudelt. „Die kamen von Realschülern – oder Leuten, deren Schulabschluss schon längere Zeit zurückliegt.“ Speidel und ihre Kollegen finden, dass es schwieriger geworden ist, „Menschen für diese Stellen zu begeistern“. Ihre Erklärung dafür: Viele Schulabgänger bevorzugen ein Jahr Pause, etwa um zu verreisen, bevor sie mit Studium oder Ausbildung starten. „Um genau sagen zu können, welche Auswirkung die fehlenden Abiturienten auf uns haben, müssen wir noch ein paar Monate abwarten.“

Pfleger-Nachwuchs gesucht: Sogar aus dem Ausland kommen FSJler

Recht entspannt gibt sich ebenfalls Jörg Kahl, Einrichtungsleiter des evangelischen Pflegezentrums Rupert-Mayer in Kochel am See und Lindenhof in Schlehdorf. Üblicherweise sei in beiden Einrichtungen jeweils eine Stelle zu besetzen. Vom fehlenden Abiturjahrgang habe er bislang noch nichts bemerkt, sagt Kahl. Zum einen würden Bewerber über den Gesamtträger, die Diakonie, zugewiesen. Zum anderen gebe es immer wieder interessierte Bewerber, sogar auch aus dem Ausland: „Manche wollen mal reinschnuppern, eine Sprache lernen oder eine Ausbildung absolvieren.“

Deutlich angespannter ist die Situation im Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes: „Der fehlende Abiturjahrgang reißt ein Loch, da brauchen wir gar nicht drumherum zu reden“, sagt Kreisgeschäftsführer Andreas Schäfer. In den vergangenen Jahren seien zehn FSJ-Stellen zu besetzen gewesen, dieses Mal gebe es nur zwei Bewerber. Diese würden im Rettungsdienst eingesetzt, beispielsweise als Fahrer bei Krankentransporten.

BRK erwartet „heiße Zeiten“

Das Rote Kreuz müsse nun „aus der Vergangenheit schöpfen“. Konkret bedeutet dies: In „heißen Zeiten“ müssten wohl Studenten als Aushilfen einspringen oder Menschen, die ihren Dienst eigentlich schon beendet haben. Kreisgeschäftsführer Schäfer: „Wir kommen schon durch, aber die Abiturienten fehlen trotzdem.“

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