„Wie kann man so blöd sein“: Richter rüffelt Angeklagten
Ein Tölzer stand nun wegen Drogenbesitz erneut vor Gericht - und es gab ein überraschendes Urteil, das mit einer bundespolitischen Entscheidung zusammenhängt.
Bad Tölz/Wolfratshausen – Ende September 2022 wurde ein junger Tölzer wegen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Im Juli dieses Jahres wurde der gelernte Koch trotz laufender Bewährung erneut mit 1,2 Gramm Marihuana erwischt. Deshalb saß er nun wieder vor dem Amtsrichter in Wolfratshausen – und kam ungestraft davon. Eine gewichtige Rolle spielte dabei die geplante Legalisierung von Cannabis.
Aufgeflogen bei Festival in Wegscheid
Der Angeklagte leugnete die Sache nicht. „Es ist Scheiße gelaufen“, sagte er schulterzuckend. „Es war Sommer, ich wollte einfach mal wieder einen Joint rauchen, dann kamen schon die Beamten.“ Der Richter konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Dann muss man ein bisschen gewiefter sein und da rauchen, wo keine Polizei ist.“ Darauf habe er versucht zu achten, entgegnete der Kiffer. „Aber die kamen ja von hinten.“ Dies bestätigte der Polizist, der am 1. Juli dieses Jahres mit einem Kollegen beim Festival „Season of Sounds“ in Wegscheid im Einsatz war. „Wir haben ihn beobachtet, wie er den Hang hinaufläuft. Wir sind mit dem Auto hinterher und sehen, dass er was wegwirft. Das war ein einfacher Sachverhalt – es gab nichts zu leugnen.“
Staatsanwältin regt an, das Verfahren einzustellen
„Wie kann man so blöd sein“, hielt Richter Helmut Berger dem Angeklagten angesichts seiner laufenden Bewährung vor. Im Hinblick auf das seit Monaten diskutierte neue Cannabisgesetz ergänzte er: „Dann muss man halt warten, bis die Regierung etwas entscheidet.“ Weil dies voraussichtlich im Frühjahr 2024 der Fall sein wird, regte die Staatsanwältin an, das Verfahren einzustellen. Das Gericht folgte der Anregung.
Das, so war in einem Nebensatz zu hören, sei derzeit am Landgericht gängige Praxis, wenn es in Strafverfahren um Kleinstmengen weicher Drogen gehe. Wenn das Cannabisgesetz in wenigen Monaten in Kraft treten sollte, müssten sämtliche Urteile überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Stichwort: Amnestie. Das Gesetz der Ampelregierung sieht vor, dass rechtskräftig verhängte Strafen wegen solcher Taten, die nach neuem Recht nicht mehr strafbar sind, mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes erlassen werden sollen, sofern sie noch nicht vollstreckt sind.
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