Strom bis zu 50 Prozent billiger - Energie-Experte sagt, wie wir Blackouts vermeiden und dabei auch noch Geld sparen

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    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
GettyImages/fhm Lösungen in einer Zeit, in der die Sorge vor einem Blackout, fehlenden Speichern und Kraftwerken in Deutschland wächst
Montag, 22.07.2024, 13:39

Die Sorge vor einem Blackout, fehlenden Speichern und Kraftwerken wächst, aber unser Energie-Experte Michael Sterner zeigt naheliegende Lösungen auf, die auch noch den eigenen Geldbeutel schonen.

Wie wahrscheinlich ist ein Blackout in Deutschland und welche Faktoren könnten dazu führen?

Die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts in Deutschland ist grundsätzlich gering, da die Übertragungsnetzbetreiber gesetzlich dazu verpflichtet sind, die Zuverlässigkeit und Sicherheit der Stromversorgung zu gewährleisten und Großstörungen oder gar Netzzusammenbrüche durch geeignete Maßnahmen verhindert werden. Ein Index dafür ist der SAIDI Wert (System Average Interruption Duration Index), also die Dauer der Lieferunterbrechung. Sie beträgt in Deutschland aktuell im Schnitt nur 12 Minuten pro Jahr im Gegensatz zu anderen Ländern in Europa mit bis zu 60 Minuten pro Jahr. Unterbrechungen durch höherer Gewalt wie Klimakatastrophen sind allerdings nicht eingerechnet.

Faktoren, die zu einem Blackout führen könnten, sind vielfältig und können von technischen Defekten (zum Beispiel Ausfall eines Transformators) über Naturkatastrophen (Überschwemmungen) bis hin zu Cyberangriffen reichen. Im unwahrscheinlichen Fall eines Blackouts (großflächiger Ausfall) ist es oberste Priorität der verantwortlichen Stromnetzbetreiber, die Stromversorgung möglichst schnell wieder sicherzustellen. Dazu halten sie geeignete Netzwiederaufbaupläne vor. Diese Pläne werden regelmäßig geprüft und aktualisiert.

Häufig werden Blackouts (großflächiger, längerer Ausfall) mit Brownouts (regional begrenzter, kurzer Ausfall) verwechselt: so werden in Schwellen- und Entwicklungsländern wie Südafrika und auch in EU-Ländern wie Frankreich bei Stromknappheit kontrolliert ganze Stadtviertel oder große Stromverbraucher vom Netz genommen, um die Stromversorgung regional zu stabilisieren und einen Blackout zu vermeiden.

Gerade im Winter werden in Frankreich bei hoher Last und geringer Kraftwerkskapazität solche kontrollierten Stromabschaltungen frühzeitig kommuniziert, sodass sich alle darauf einstellen können. Es gibt auch unkontrollierte Brownouts, die zu kurzen Spannungseinbrüchen, aber keiner Stromversorgungsunterbrechung im Hochspannungsnetz führen. Gründe sind ein Mangel an Regelleistung und andere Ursachen, die für die Systemstabilität sorgen. Summa summarum ist das Risiko eines langanhaltenden, flächendeckenden Blackouts in Deutschland sehr gering.

Über den Top-Experten

Michael Sterner ist Professor an der OTH Regensburg für die Bereiche Energiespeicher, Wasserstoff und Energie­system­technik und Leiter der zugehörigen Forschungs­stelle. Als einer der Erfinder der Speicher­technologie Power-to-Gas erstellt er Energiekonzepte für Unternehmen und berät die Bundes­regierung und die EU-Kommission. Er ist Mitglied im nationalen Wasserstoffrat. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen ist der Ingenieur Herausgeber des Standardwerks »Energiespeicher« (SpringerNature) und Mitautor im Weltklimarat (IPCC). Mehr über Michael Sterner auf YouTube und LinkedIn.

Welche Rolle spielen erneuerbare Energien wie Wind-, Solar- und Wasserkraft bei der Vermeidung eines Blackouts?

Erneuerbare Energien spielen eine entscheidende Rolle bei der Vermeidung von Stromausfällen. Wind- und Solarenergie sind die Energiequellen mit dem größten Potenzial in Deutschland, den geringsten Stromkosten und dem geringsten Flächenbedarf. Allerdings sind sie wetterabhängig und damit nur im Rahmen von Prognosen einigermaßen zuverlässig einplanbar. Wind- und Solarenergie benötigen Speicher, um eine konstante Versorgung zu gewährleisten.

Im Gegensatz dazu stellen Wasserkraft, Geothermie sowie Biomasse- und Biogaskraftwerke eine gesicherte Leistung bereit und können die Stromversorgung weitgehend wetterunabhängig stabilisieren. Die gesicherte Leistung wird zum Zeitpunkt der Jahreshöchstlast berechnet, was meist ein kalter Wintertag mit hohem Stromverbrauch ist. Sollte in diesem Moment Wind- oder Solarstrom verfügbar sein, wird dieser zur gesicherten Leistung gezählt. Allerdings ist dies eher zufällig und kann daher nicht als zuverlässige Absicherung angesehen werden. Das ist nur möglich, wenn Wind- und Solarkraft mit Speichern kombiniert werden.

Auch Stromleitungen helfen hierbei nicht, da sie nur die Energie räumlich verteilen. Eine Stromtrasse bringt keine technische Versorgungssicherheit, wenn am Ende der Leitung keine Kraftwerke oder Speicher stehen. Ein Stromnetz kann sich im Falle eines Blackouts auch nicht selbst wieder in Betrieb nehmen. Selbst einem Kernkraftwerk gelingt dies nicht, da erst die peripheren Sicherheitssysteme wie Kühlpumpen laufen müssen, bevor hochgefahren werden kann. Dafür und für den Netzwiederbau kommen in den Notfallplänen meist erneuerbare Energien wie Wasserkraft zum Einsatz.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Speicherung von erneuerbaren Energien und wie können diese überwunden werden?

Wind- und Solarenergie werden zu den tragenden Säulen der Stromversorgung, sind aber stark schwankend und hinterlassen Versorgungslücken von bis zu zwei zusammenhängenden Wochen im Jahr - vor allem im Winter.

Speicher sind die Absicherung für alles, was an der Stromversorgung hängt: Digitalisierung und KI, Wärmepumpen, E-Mobilität, Wasserstoff, Industrie, kritische Infrastruktur etc. Um die Lücke durch Atom- und Kohleausstieg sicher zu schließen, ist parallel zum Wind- und Solarausbau im gleichen Maße der Ausbau an gesicherter Leistung in Form von Gaskraft (KWK, Wasserstoff, grüne Gase) und Speichern nötig. Alle notwendigen Speichertechnologien sind in ausreichender Marktreife im großtechnischen Maßstab vorhanden. Allein die Regulatorik hindert den Auf- und Ausbau der Speicher.

Es braucht Netze und Speicher, nicht nur Netzausbau. Die Bundespolitik sollte Kraftwerks- und Speicherstrategie aufeinander abstimmen und Strom- und Gasnetze samt Speichern gemeinsam vorantreiben. Speicher sind als vollwertige Flexibilität zur Verringerung von abgeregeltem Strom zuzulassen. Das langjährig praktizierte „Netze first, Speicher later“ war nicht hilfreich für den Standort Deutschland.

Technik und Investoren stehen bereit, werden aber in der Umsetzung durch die Regulatorik behindert, sodass bisher zu wenig Speicher errichtet wurden. Das exponentielle Wachstum von Batteriespeichern gibt Hoffnung. Allerdings sind diese noch immer mit Abgaben wie dem Baukostenzuschuss belastet, obwohl sie Strompreise und Netzbetrieb stabilisieren und damit der Energieversorgung dienen.

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Wie weit ist Deutschland mit Kurzzeitspeichern wie Pumpspeicher oder Batterien?

Pumpspeicher sind eine etablierte, Jahrhunderte alte robuste, wartungsarme Technologie, die durch die Langlebigkeit nach heutigem Stand kostengünstiger Strom speichert als Batterien. Der verschleiß- und ressourcenintensive Batteriewechsel alle 10-15 Jahre entfällt. Davon haben wir 7 GW mit 40 GWh Speicherkapazität. Früher dienten Pumpspeicher den Kohle- und Atomkraftwerken, um günstigen Strom in der Nacht für den Tag darauf einzuspeichern. Heute laufen sie überwiegend mit Solarstrom. Hier braucht es beschleunigte Genehmigungsverfahren. Der große Flächenverbrauch und Eingriff in die Natur sind mit entsprechenden Maßnahmen zu kompensieren.

Batterien sind geografisch unabhängiger als Pumpspeicher, was ihr Potenzial vergrößert, flexibler in der Standortwahl, kleinteiliger und haben eine höhere Energiedichte. Ebenso sinken die Kosten seit Jahren, was sie in Zukunft in allen Segmenten kostengünstiger als Pumpspeicher werden lassen kann. Sie brauchen aber mehr kritische Rohstoffe, weshalb Recyclingkonzepte und Ressourcenstrategien für Batterien essenziell für ihre Verfügbarkeit und Umweltverträglichkeit sind.

Wir haben mittlerweile 9,4 GW Batteriespeicher mit 14,5 GWh Speicherkapazität, davon allein 1,4 Millionen Heimspeicher. Heimspeicher stehen im Winter als weitgehend ungenutztes Betriebsmittel in den Häusern als lokale Flexibilität. Das Laden zu Zeiten mit geringen Strompreisen ermöglicht mehr Flexibilität, Preisstabilität und eine bessere Integration erneuerbarer Energien. Die Großspeicher mit 1,4 GW wachsen rasant, v. a. an Solarparks und alten Kernkraftwerksstandorten. Sie entlasten und stabilisieren die Netze und vermeiden Netzausbau. Ein Baukostenzuschuss für den „Ausbau des allgemeinen Netzes“, der durch den zusätzlichen Anschuss verursacht ist, kann weder sachlich noch technisch begründet werden. Hier gibt es noch viel zu tun für die Bundesnetzagentur und die Bundespolitik.

Ein weiteres, stets wachsendes Speicherpotenzial schlummert in E-Autos. Bereits jetzt sind das ca. 100 GWh und damit das 2,5-fache aller Pumpspeicher in Deutschland. Ihre Ladeleistung von 150 GW kann aber nur voll für die Netzstabilisierung genutzt werden, wenn die Wallbox und das Auto bidirektional (in beide Richtungen), also laden und entladen können. Hierzu gibt es zwar die Norm, aber erst wenige Autos und Wallboxen, die diese Technik beherrschen. Die Vermarktung ist bereits möglich und wird schon für ausrangierte E-Auto-Batterien von Unternehmen wie TMH umgesetzt.

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Wie kann Deutschland mit Langzeitspeichern die Dunkelflaute überbrücken?

Kurzzeitspeicher können die Versorgung nur wenige Stunden absichern. Zur Absicherung der Dunkelflaute braucht es Langzeitspeicher, die in Form der Gasspeicher mit einer Speicherkapazität von 286 TWh bereits heute vorhanden sind. Das entspricht ca. 7.000 mal soviel wie alle Pumpspeicher bzw. 20.000 mal aller Batteriespeicher.

Ich habe mit Kollegen 2009 das Verfahren Power-to-Gas erfunden und vorgestellt: die Kopplung von Strom- und Gassektor zur Erschließung dieser großen Speicherkapazitäten. Über die Spaltung von Wasser zu Wasserstoff (Elektrolyse) und dessen Verbindung mit CO2 (Methanisierung) kann grünes Gas (SNG) generiert werden, was die gleichen Eigenschaften wie Erdgas hat. Damit steht das „Ladegerät“ für diese Gasspeicher zur Verfügung und das Henne-Ei-Problem von Wasserstoff ist gelöst. An der vorhandenen Gasinfrastruktur sind bereits heute 36 GW Gaskraftwerke angeschlossen. Laut neuem Kraftwerkssicherungsgesetz sollen weitere 12,5 GW hinzukommen.

Die heute vorhandene Gasspeicherkapazität reicht in allen Studien für den Bedarf an Langzeitspeichern via Power-to-Gas bei Weitem aus und wird maximal zu 20–30 % genutzt. Für reinen Wasserstoff ist sie aufgrund der wesentlich geringeren Energiedichte (bei 200 bar Betriebsdruck kann im Vergleich nur ein Viertel der Energie gespeichert werden) kaum ausreichend, weshalb der Neubau von Wasserstoffspeichern nötig wäre. Diese technische Lösung ist heute noch nicht wirtschaftlich, da die Umwandlung von Strom in Gase wie Wasserstoff verlustbehaftet und damit teuer ist.

Alternativ können bestehenden Biogasanlagen doppelt für die Absicherung der Dunkelflaute genutzt werden: Einerseits durch die Erhöhung der Generatorleistung an Biogasanlagen. So können bei gleichem Biogasaufkommen deren Leistung auf 12 Gigawatt bis 2030 und 24 Gigawatt bis 2040 erhöht werden. Andererseits kann das Potenzial von Biogas über Power-to-Gas mengenmäßig nochmals verdoppelt werden. Damit kann ein wesentlicher Teil der Dunkelflaute im Kohleausstieg abgesichert werden, die durch den zusätzlichen Strombedarf von Wärmepumpen, E-Autos und grünen Wasserstoff trotz vorhandener Gaskraftwerke auf bis zu 50 GW anwachsen kann im Jahr 2030.

All diese Wasserstoff-Technologien benötigen jedoch günstigen Ökostrom. Die Potenziale dafür wären in Deutschland ausreichend vorhanden. Um sie vollumfänglich zu erschließen, hat die Politik Maßnahmen zu ergreifen, welche die gesellschaftliche Akzeptanz steigern.

Wie kann der Durchschnittsbürger zur Stabilität des deutschen Energiesystems beitragen und einen möglichen Blackout verhindern?

Die Installation einer Solarstromanlage schafft nicht nur Preisstabilität für die Stromrechnung, sondern in Kombination mit einem Speicher auch mehr Unabhängigkeit und einen Beitrag zur Versorgungsstabilität. Batteriespeicher können günstigen, überschüssigen Strom aus dem Netz und der eigenen PV-Anlage aufnehmen und zu Zeiten von teurem Strom und hoher Nachfrage den gespeicherten Strom selbst nutzen. Damit wird im Schwarm mit tausenden anderen Anlagen die Stromversorgung stabilisiert.

Auch wer keine Solaranlage hat oder zur Miete wohnt und kein Balkonkraftwerk installieren darf, kann über den Wechsel in einen flexiblen Stromtarif von günstigen Preisen profitieren, die Stromkosten senken und zeitgleich die Versorgung stabilisieren. Dafür ist nicht einmal ein Smart Meter nötig. Es reicht eine offene Infrarot-Schnittstelle an einem digitalen Stromzähler. Ich selbst nutze Tibber und lade damit gerade im Winter mein E-Auto und meinen Speicher bei Zeiten mit sehr günstigem Windstrom. Das passiert vor allem Nachts. Tagsüber vermeide ich teuren Strombezug aus dem Netz und nutze den gespeicherten Strom. Mein durchschnittlicher Strompreis vom Netz betrug 20 ct / kWh und damit nur die Hälfte vom deutschen Durchschnitt.

Was man noch alles tun kann, habe ich in meinem Bestseller "So retten wir das Klima - wie wir uns unabhängig von Kohle, Öl und Gas machen" beschrieben.

Dieser Text stammt von einem Expert aus dem FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Themenbereich und sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.