TV-Kolumne „Markus Lanz“ - Im ZDF schießt Spahn heftig gegen Scholz – dabei bräuchte es jetzt mehr Kompromisse

„Olaf Scholz ist der größte Sprücheklopfer des Landes“, tönt Unionsfraktionsvize Jens Spahn in der Runde von Markus Lanz. „Er sagte, Abschiebung im großen Stil oder Doppel-Wumms!“ Aber alles seien nur hohle Sprüche gewesen. „Tatsächlich schrumpft die Wirtschaft. Der Kuchen wird kleiner. Der Frust ist so groß, dass die AfD mittlerweile jede fünfte Stimme hat.“ Olaf Scholz sei drei Jahre nicht in der Lage gewesen, Deutschland zu führen. 

Jens Spahn gibt mächtig Gas. Immer wieder wirft er Scholz Lügen und Unfähigkeit vor. Allerdings redet der angriffslustige CDU-Politiker nicht über Inhalte, sondern führt seine Diskussion vorwiegend auf persönlicher Ebene. Spahns Fazit: „Die Leute haben fertig mit dem Kanzler Olaf Scholz.“ 

Es gäbe genug andere Diskussionsthemen

Spahn vergisst dabei vor allem eines: Deutschland hat genug Themen, über die sich diskutieren ließe. Inflation, Arbeitslosigkeit, Ukrainekrieg, ein drohender Wirtschaftskrieg. Tatsächlich ist in der Politik in der vergangenen Woche viel kaputtgegangen. Deutschland braucht strukturelle Veränderungen und große Reformen, aber die Parteien schaffen es nicht mehr, miteinander zu debattieren, zu diskutieren und sich zu einigen. 

Der politische Kompromiss hat keine Konjunktur - und Jens Spahn ist einer der Prototypen dafür, warum das so ist. Der Unionsfraktionsvize spaltet, anstatt inhaltlich zusammenzuführen. So gesehen ist auch er ein Sprücheklopfer.

Spahn wirf Scholz Lügen vor

Unionsfraktionsvize Spahn polarisiert und ätzt, wo er kann. „Olaf Scholz lügt, wenn er etwa sagt, es würde die Rente gekürzt, um die Ukrainehilfe zu bezahlen“, wettert Spahn. Dann wieder führt Spahn aus, dass allein die SPD für den wirtschaftlichen Niedergang verantwortlich sei oder auch, dass die SPD in der Energiepolitik nur auf Sonne und Wind setzen würde und damit die Energiepreise in die Höhe treibt. 

Ganz genau nimmt es Spahn nicht mit der Wahrheit. Zur Erinnerung: Die CDU ist damals unter Angela Merkel aus der Kernenergie ausgestiegen und Deutschlands wirtschaftliche Schwäche resultiert auch aus einer verfehlten Infrastrukturpolitik der Unionsregierung. 

Scholz-Vertrauter dementiert Klingbeil-Plan

Spahn erzählt auch noch, dass nach dem Aus der Ampel selbst der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil den Kanzler infrage gestellt habe. Die SPD hat diese Darstellung längst dementiert. Andererseits ist dieser Punkt für Deutschlands Genesung kaum relevant. 

In der Runde bei Markus Lanz sitzt auch Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt. Der SPD-Politiker erklärt, dass am Klingbeil-Aufbegehren nichts dran ist. Schmidt kontert Spahn: „Das ist das Problem, wenn man alles glaubt, was geschrieben ist. Da musste niemand irgendwen bedrohen oder zurechtweisen. Es war ein sehr einvernehmliches Gespräch.“ 

„Olaf Scholz prägt nichts, er ist praktisch nicht präsent“

Spahn hat sich an diesem Abend offenbar das zentrale Ziel gesetzt, Noch-Kanzler Scholz persönlich anzugreifen. Er berichtet davon, dass der Kanzler bei der Debatte um das Migrationsgesetz am vergangenen Freitag viele Stunden nicht gesehen wurde. „Olaf Scholz prägt nichts, er ist praktisch nicht präsent. Das war allerdings schon in den vergangenen drei Jahren so“, sagt Spahn. 

Vielleicht hätte Spahn lieber ein paar Antworten darauf geben sollen, warum Friedrich Merz einen Erschließungsantrag mit den Stimmen der AfD auf den Weg bringt und dabei bewusst die anderen Parteien der Mitte vorführt. Zu Kompromissen war die Union in Gesprächen mit SPD und Grünen offenbar nicht bereit. Man wollte Stärke und Handlungsfähigkeit demonstrieren. Das nennt man Symbolpolitik. Dabei wären es lediglich um Details gegangen, wie etwa die Frage, ob der Familienzuzug grundsätzlich oder befristet unterbunden wird. 

Bedrohung der politischen Kultur

Die politische Mitte ist in diesem Wahlkampf dabei, sich selbst zu zerlegen. Die AfD möchte die Parteien mit ihrer Handlungsunfähigkeit und Hilflosigkeit vorführen, um daraus politischen Profit zu ziehen. Und die Parteien tun der AfD den Gefallen, indem sie selbst kleinste gemeinsame Verständigungen aus parteitaktischen Erwägungen ausschlagen. Letztlich geht es darum, den politischen Gegner abzuwatschen und vorzuführen. 

Wie plump so etwas manchmal ist, zeigt sich, als sich Jens Spahn von Kanzleramtschef Schmidt unterbrochen fühlt. Spahn polemisch: „Wenn Ihr Euch auch in der Ampel nicht ausreden lassen konntet bei Euren Gesprächen, wundere ich mich nicht, dass der Laden auseinander geflogen ist.“ Wenn die Parteien der Mitte nicht gut aufpassen, fliegt noch viel mehr auseinander. Die politische Kultur wird zunehmend rauer.