Schule ist keine „Lösungsfabrik gesellschaftlicher Defizite“: BLLV Freising fordert Neubeginn im Bildungswesen
Der BLLV Freising appelliert: Schule allein kann gravierende Corona-Spätfolgen nicht auffangen. Die Politik müsse dringend Maßnahmen ergreifen.
Freising – Erstmals nach dreijähriger Pause infolge der Pandemie fand die traditionelle Jahresfeier des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) Freising mit musikalischer Umrahmung durch die Familie Meindl statt. Zahlreiche aktive und pensionierte Lehrkräfte wurden für ihr langjähriges und treues Engagement im BLLV geehrt.
Rehm: Deutschland drohe zum Bildungsabsteiger zu werden
Die Vorsitzenden Kerstin Rehm, Rudolf Weichs und Cathrin Kaufung sprachen sich nachdrücklich für einen „fundamentalen Neubeginn im Bildungswesen“ aus. Bildung sei aus individueller sowie gesamtgesellschaftlicher Sicht von zentraler Bedeutung. Denn gute Bildung gehe häufiger mit gutem Einkommen, besserer Gesundheit und einem breiteren Demokratieverständnis einher, so Rehm. Deutschland drohe zum Bildungsabsteiger zu werden, wenn die Politik nicht gegensteuere. Es würde immer schwieriger werden, aus der Abwärtsspirale herauszukommen.
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Auch in Bayern sei man aufgrund der Politik des Kultusministeriums der vergangenen Jahre auf keinem guten Weg gewesen, so Rehm. Die Ergebnisse der fehlgeleiteten Politik seien „ein verheerender Lehrkräftemangel in allen Schularten, zu wenig Lehrernachwuchs in Sicht und eine zunehmende Zahl an Lehrkräften, die an ihrer persönlichen Belastungsgrenze und phasenweise darüber hinaus arbeiten müssen“. Die Schulklassen seien wegen des Lehrkräftemangels zum Teil zu groß bis überfüllt, was sich negativ auf das Konzentrationsvermögen, die Arbeitsruhe und letztendlich auf den Lernfortschritt auswirke. Außerdem gebe es zunehmend mehr Kinder mit mangelnden bis fast gar keinen Deutschkenntnissen. Diese bräuchten dringend einen vorgeschalteten Grundsprachkurs, bevor sie erfolgreich in eine Klasse integriert werden könnten. Lehrkräfte stünden vor dem kaum lösbaren Spagat, leistungsschwächeren, verhaltensauffälligeren und nicht deutsch sprechenden Schülerinnen und Schüler angemessen zu fördern und gleichzeitig leistungsstärkere Kinder gezielt zu fordern.
Richtige Förderung schon in der Kita
Die BLLV-Vorsitzende stellte bei all diesen schulischen Problemen gleichzeitig auch ein Ansteigen der Ansprüche seitens Politik und Gesellschaft an Lehrkräfte und Bildungsinstitutionen überhaupt fest. „Schule als Denkfabrik: Ja, unbedingt“, betonte Rehm. „Schule als Lösungsfabrik gesellschaftlicher Defizite: Nein. Das schaffen wir nicht.“ Dem hohen Anteil an Migration etwa müsse durch eine gezielte und nachhaltige Förderung bereits in der Kita begegnet werden. Jugendhilfe und Jugendämter müssten Familien, die ihre Aufgaben allein nicht bewältigen können, stärker unterstützen. Hier braucht es ein ganzes Paket an Maßnahmen. Umso mehr hoffe man im BLLV nun, dass die Politik nicht länger wegschaue und das neu besetzte Kultusministerium sich der gewaltigen Aufgaben einer fundamentalen Erneuerung annehme.
Vor allem die Grundschulen müssten „deutlich mehr Mittel an die Hand bekommen und sich auf das Wesentliche konzentrieren können“, so Rehm. Am Ende der vierten Jahrgangsstufe müssten alle Kinder lesen, schreiben und rechnen können sowie viele andere grundlegende Kompetenzen erworben haben. Die Vorsitzende ist überzeugt: „Wenn wir alles beim Alten belassen, geht uns – auch als Spätfolge von Corona – eine ganze Generation verloren, die die grundlegenden Fähigkeiten für die Arbeitswelt nicht erlernt hat.“ ft
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