Flüchtlingsheim: Stimmung in Markt Schwaben ist vergiftet
Die Fronten im Markt Schwabener Streit um eine geplante Flüchtlingsunterkunft bleiben verhärtet, die Stimmung vergiftet. Daran änderte auch der Info-Abend nichts, zu dem Landratsamt und Rathauseingeladen hatten.
Markt Schwaben – Es war wohl niemand im Theatersaal, der ernsthaft daran geglaubt hatte, dass nach zwei Stunden direkter Aussprache zwischen politischen Entscheidungsträgern und Anliegern des Atron-Firmengeländes im Ziegelstadel eine Abkehr vom bisherigen Plan erfolgen würde. Vom Plan des Landkreises, in dem nicht mehr genutzten Werksgebäude ab kommendem Frühjahr bis zu 120 Asylbewerber unterzubringen. Wohl aber legte der als Informationsabend angekündigte und auf zwei Stunden begrenzte Abendtermin schonungslos offen, wie gerade die Stimmung im direkten Umfeld des Firmenareals ist.
AfD-Kreisverband verteilt Flugblätter
Zumindest eine Vorahnung schien da auch der in Markt Schwaben bisher kaum in erscheinung getretene Kreisverband der AfD gehabt zu haben. Einige AfD’ler verteilten kurz vor Versammlungsbeginn ein Flugblatt mit einem Fragenkatalog. Fragen, die im Wesentlichen schon Tage zurück ähnlich im Marktgemeinderat formuliert worden waren (wir berichteten).

Im mit 200 Besuchern (das zulässige Maximum) voll besetzten Theatersaal hatte derweil pünktlich unter Moderation von Vize-Bürgermeisterin Walentina Dahms (CSU) die Aussprache begonnen. Gut drei Dutzend Interessierter gelang es nicht mehr, zum Geschehen vorzudringen, so stark war die Resonanz. Wegen einer schwereren Coronaerkrankungen nicht persönlich dabei sein konnte Bürgermeister Michael Stolze (parteifrei), er wurde per Video zugeschaltet. Stolze selbst hatte dem Vernehmen nach gedrängt, den direkten Austausch in Sachen Asylbewerberheim noch vor Weihnachten stattfinden zu lassen. Dass er sich, gesundheitlich sichtlich angeschlagen damit keinen Gefallen getan hat, hatte er im Vorfeld wohl nicht ahnen können.
Vermietung der Atron-Immobilie ist ein privatrechtlicher Vorgang
Die Veranstaltung startete mit einer gut halbstündigen Einführung durch Stolze und Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Die Hauptbotschaften hier: Man könne Ängste und Sorgen nachvollziehen. Die Vermietung der im Fokus stehenden Atron-Immobilie sei zunächst einmal ein privatrechtlicher Vorgang. Beim Zustandekommen des Vertrags sei die Kommune nicht eingebunden gewesen. Ein Rücktritt vom Vertrag bringe Regressansprüche mit sich. Unter Umständen trete dann an Stelle des Landratsamts die Regierung von Oberbayern auf den Plan. Der bereits unterschriebene Mietvertrag habe eine Laufzeit von sieben Jahren und beinhalte eine Unterbringung von 100 bis 120 Bewohnern, über deren Herkünfte man zurzeit noch nichts wisse. Und: Es gebe Zwänge, denen sich insbesondere der Landrat nicht entziehen könne.
Danach bestand für immerhin gut 20 Markt Schwabener die Gelegenheit, Fragen und Kritik an Niedergesäß und Stolze zu formulieren. Zunächst hart, aber fair. Doch mit zunehmender Dauer wurde dem Auditorium immer klarer, dass der Landrat den genauen Standort der Unterkunft offensichtlich nicht wirklich kannte. Besonders nicht, dass sich besagtes Areal inmitten eines Wohnviertels mit weit über 200 Wohneinheiten befindet, das einige Wortmeldungen als familiär, kinderfreundlich, offen und damit mit einem besonderen Charakter versehen beschrieben.
Anwohner: Quartier für Asylunterkunft ungeeignet
Mehrfach verwiesen sie darauf, dass dieses Quartier in ihren Augen für eine Ansiedlung einer Asylunterkunft denkbar ungeeignet sei. Zugleich betonten sie aber immer wieder, dass Markt Schwaben kein Ort sei, der eine Aufnahme von Flüchtlingen grundsätzlich ablehne.
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„Es kommen Menschen, keine Monster“
Ein Satz, der Karin Nahrhaft auf den Plan rief. Immerhin brachte sie, als Einzige des Abends, den Mut auf, sich gegen das Auditorium zu stellen und zu betonen, dass hier Menschen kämen und keine Monster. Dass ein Zwischenrufer ihre Auslassungen als „Frechheit“ titulierte, war im Angesicht der inzwischen aufgeheizten Stimmung fast schon erwartbar. Aus hart, aber fair wurde hart.

Nicht nur der Landrat geriet im Verlauf des Abends zunehmend in den Fokus der Teilnehmer, sondern auch der Bürgermeister. Sieben Jahre Mietvertrags-Laufzeit, so sagte ein Fragensteller, sei nun nichts, was man noch als temporär bezeichnen könne. sondern etwas, was „das Quartier nachhaltig verändert“. Direkt an den Rathauschef gewandt, wollte der Anlieger aus dem Ziegelstadel wissen, ob er, der Bürgermeister, eine Vision habe für das Viertel. Als Stolze via Bildschirm zu erklären versuchte, dass sich vieles erst noch mit der Zeit entwickeln müsse, ging ein kritisches Raunen durch den Saal. Und ein Stimmungsumschwung gegen den Rathauschef, dem fortan vorgeworfen wurde, keinen Eindruck davon zu haben, was er mit der Einscheidung angerichtet habe. Dass nicht Stolze den Vertrag unterzeichnet hatte, spielte da für manchen gar keine Rolle mehr.
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Was man dem Bürgermeister konkret vorwarf: Nicht die Interessen der Bürger zu vertreten, sondern viel zu sehr dem Landkreis geholfen zu haben, dessen Probleme zu lösen. In einer rhetorisch überzogen scharfen Stellungnahme fast am Ende war es Ex-Gemeinderätin Anja Zwittlinger-Fritz, die anmerkte, vom Bürgermeister enttäuscht zu sei. Er solle sich, sagte sie sinngemäß, endlich darauf besinnen, die Interessen der Markt Schwabener zu vertreten. Dass er keine Vision habe für das Viertel, sei armselig. Dass viele Markt Schwabener auch enttäuscht sind vom Landrat, bekam dieser auch noch mit auf den Weg. „Sehen Sie sich das (gemeint war das Atron-Areal, Anm. d. Red.) an, dann wissen Sie, warum wir uns hier so aufregen“, hieß es.
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