„Klimanotstand spielte bei keiner Entscheidung der Stadt eine Rolle“: Stadtrat verlässt Arbeitsgruppe

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Das Grün muss bleiben: Die Stadträte der Wolfratshauser Liste (v. li.) Dr. Manfred Fleischer, Richard Kugler und Helmut Forster protestierten im Juni 2024 gegen die angedachte Bebauung der Staffler-Wiese im Ortsteil Farchet. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Die Stadt Wolfratshausen hat 2019 den „Klimanotstand“ ausgerufen und eine Arbeitsgruppe gegründet. Der hat Stadtrat Richard Kugler (Wolfratshauser Liste) jetzt den Rücken gekehrt. Wir haben nachgefragt.

Wolfratshausen – Mit der Ausrufung des „Klimanotstands“ durch den Stadtrat im Herbst 2019 gründete sich die Arbeitsgruppe Klimanotstand. Die war bis vor Kurzem besetzt mit Vertretern aus allen fünf Stadtratsfraktionen. Richard Kugler (Wolfratshauser Liste) hat sich nun aus der Arbeitsgruppe verabschiedet. Unsere Zeitung hat bei dem 62-Jährigen nachgefragt.

Herr Kugler, Sie haben die von Vertretern aller fünf Stadtratsfraktionen besetzte Arbeitsgruppe Klimanotstand verlassen. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Die Klimagruppe ist nicht mehr ganz neu. Wir haben in der Vergangenheit Balkonkraftwerke zur Förderung vorgeschlagen, das wurde auch gemacht. Wir hatten für diejenigen, die ihr Auto abschaffen, Förderungen für Lastenräder in Aussicht gestellt. Leider sind die Möglichkeiten unserer Stadt, mit wenig Geld wirklich sinnvoll etwas zu unterstützen, sehr geschrumpft. Denn wirklich „Öko“ ist fast nichts, soll heißen, sehr, sehr vieles hat, wenn man genau hinschaut, Nachteile. Auch kann man nicht so einfach in private Angelegenheiten eingreifen, wie zum Beispiel mit einem Verbot von Rasenmährobotern. Die Stadt hat keine Möglichkeit, das zu überprüfen. Balkonkraftwerke sind so günstig geworden, dass eine Förderung – im Verhältnis – einen zu hohen Verwaltungsaufwand nach sich zieht. Bei Lastenrädern ist es genauso. Die Innovationen in der Industrie für wirklichen Klimaschutz sind überschaubar – und in Deutschland glaubt man immer, mit noch mehr Technologie und Elektronik könnte man Energie sparen und das Klima verbessern. Aber das Gegenteil ist der Fall.

Der Stadtrat rief im Herbst 2019 den „Klimanotstand“ für die Flößerstadt aus. Alle Entscheidungen des Stadtrats und der Stadtverwaltung sollten seither mit dem Blick auf den Klimaschutz getroffen werden. Ist das nach Ihrer Meinung konsequent geschehen?

Der Klimanotstand hat bei keiner Entscheidung der Stadt eine Rolle gespielt. Bestes Beispiel ist die Generalsanierung und Erweiterung der Grund- und Mittelschule am Hammerschmiedweg: alles Beton, Klimakiller Zement, sogar der Dachstuhl ist aus Beton, obwohl eine Holzständer-Variante zur Debatte stand. Wenn man den Klimanotstand ernst nehmen würde, dürfte man keine künstliche Eislauffläche mit Strom erzeugen oder ein Fluss-Festival mit viel Strom beschallen und beleuchten.

Ihr Fraktionskollege Dr. Manfred Fleischer stellte in einer Stadtratssitzung fest: Er gehöre nicht der „Abteilung Größenwahn“ an. Es sei in Sachen Klimawandel ausgeschlossen, dass Deutschland, Europa „und vor allem Wolfratshausen“ in der Lage seien, „die Welt zu retten“. Teilen Sie Fleischers Meinung?

Mein Fraktionskollege Dr. Manfred Fleischer hat es in seiner unnachahmlichen Art auf den Punkt gebracht.

Welche – zumindest kleinen Schritte – sollte die Stadt Wolfratshausen aus Ihrer Sicht gehen, um den Klimaschutz zu forcieren?

Ein sorgsamer Umgang mit den letzten Baugründen wäre gut. Nicht Vorhaben wie den Wohnungsbau forcieren, sondern mit mehr Fingerspitzengefühl an Umbaupläne herangehen, wie zum Beispiel an den Marktstraßenumbau. Flächen einfach unbebaut lassen, damit auch die Insekten noch Platz haben, die Straßenbeleuchtung nachts runterdimmen, Homeoffice forcieren – auch in der Stadtverwaltung –, das spart Verkehr und Büroflächen. Ein Schritt wäre auch, die Heizungssteuerungen jährlich zu überprüfen. Das Rasenmähen reduzieren, erhält Lebensraum für Bodeninsekten. Das Aufklären der Bevölkerung über die Schädlichkeit der frei verkäuflichen Insekten-, Schnecken- und Ameisen-Vernichtungsmittel sowie der Unkraut- und Algen-Vernichter für Gärten und Terrassen.

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