Dschungelmethode – Kann der Erziehungsstil aus dem Amazonas auch bei uns funktionieren?

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Im Amazonas werden Kinder früh ins Erwachsenenleben miteingebunden. Expertinnen sind sich uneinig, ob dieser Erziehungsstil auch bei uns möglich wäre.

Quito – Von der Kinderbetreuung bis zum Kinderprogramm im Fernsehen: Alles ist in unserer Kultur perfekt auf die Jüngsten abgestimmt. Die Welt der Kinder ist klar von der Erwachsenenwelt abgetrennt. Doch das ist nicht überall so. Wo die westliche Gesellschaft Kinder umsorgt und schützt, gibt es in anderen Kulturen keine Sonderbehandlung. Aber auch unsere Erziehung verändert sich. Mittlerweile gibt es auch Trends, die die Eigenständigkeit der Kinder fördern sollen, wie das „Free Range Parenting“.

Dschungelmethode – Kindererziehung im Amazonas

In der Neuen Züricher Zeitung berichtet eine Frau von den Unterschieden in der Kindererziehung zwischen Kulturen. Sie lebte in England und Deutschland, ihr Mann ist vom Volk der Runa im Amazonasgebiet von Ecuador. Im Amazonas leben teilweise auch noch unkontaktierte Völker. Als sie zum ersten Mal mit ihrem Kind seine Familie in der Region besucht, stößt sie an ihre Grenzen. Anders als bei uns ist das Kind nicht der Lebensmittelpunkt der Eltern. Während einerseits nicht alles auf das Kind abgestimmt wird, sind gleichzeitig auch nicht nur die Eltern, sondern das ganze Dorf für die Kinder verantwortlich.

Im Amazonas nimmt der Nachwuchs so weit es geht am täglichen Erwachsenenleben teil. Sobald sie dazu in der Lage sind, unterstützen sie ihre Gemeinschaft beim Haushalt, bei der Arbeit und bei der Pflege jüngerer Kinder. Ob die sogenannte „Dschungelmethode“ auch in unserer Kultur anwendbar ist, wird nun von einer Sozialpädagogin und einer Entwicklungspsychologin diskutiert.

Ein Mädchen aus dem Flussdorf Timicuro I. Iqutios kümmert sich um ihre Schwester, während ihre Eltern arbeiten.
Im Amazonasgebiet müssen auch die Kinder schon früh Erwachsenen-Aufgaben übernehmen und etwa bei der Erziehung der jüngeren Geschwister helfen. (Archivbild) © Sergi Reboredo/VWPics/IMAGO

Sozialpädagogin pro Dschungelmethode

Sefika Garibovic ist Autorin und Sozialpädagogin. Sie beschreibt, dass von der sogenannten „Dschungelmethode“ auch andere Kulturen profitieren können. „Die Dschungelmethode fördert die Entwicklung von Unabhängigkeit, Selbstvertrauen und sozialem Verantwortungsbewusstsein bei Kindern.“, so Garibovic.

„In der westlichen Erziehung werden Kinder verhätschelt“, findet die Pädagogin. Laut ihr werden die Kinder nicht genug in das Leben miteinbezogen, und das zu ihrem eigenen Schaden. „Bei uns werden die Kinder bedient und jegliche Resilienz unterbunden“, so die Sicht der Autorin. Wer Kinder zu sehr verhätschelt, kann sie laut einer Autorin sogar zu Narzissten erziehen.

Dschungelmethode laut Entwicklungspsychologin nicht auf andere Kulturen übertragbar

Trix Cacchione, Leiterin der Entwicklungspsychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz, stimmt der Ansicht nicht vollkommen zu. „Jede Methode ist auf die Werte und Regeln der kulturellen Gemeinschaft abgestimmt und darauf, welche Eigenschaften die Kinder später einmal haben sollen“, so Caccione. Demnach könnten Erziehungsstile auch nur bedingt in andere Kulturen übertragen werden.

Sie vermutet, dass Kinder durch die „Dschungelmethode“ zwar stärker an die Gesellschaft angepasst werden würden, aber gleichzeitig die eigene Persönlichkeit weniger ausgebildet werden würde. Nach Caccione gibt es keine bessere oder schlechtere Methode: „Erzogen wird mit Blick auf die lokale Kultur, auch wenn dies den Menschen wenig bewusst ist. Man ahmt die Erziehung nach, die man sieht oder kennt.“

Auf welche Eigenschaften in der Erziehung Wert gelegt wird, ist abhängig von kulturellen Werten. Eine Autorin erklärt zum Beispiel, wie man angeblich besonders erfolgreiche Kinder erzieht.

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