Drei Großprojekte auf einmal: Holzkirchen muss gewaltige Schulden machen, um Haushalt zu retten
Zur Unzeit bricht die Gewerbesteuer ein und stürzt die Marktgemeinde in eine Finanzkrise – just, da für Mittelschule, Kinderland-Kita und Bauhof gleichzeitig 85 Millionen Euro zu stemmen sind. Das Rathaus muss insgesamt 65 Millionen Euro frische Schulden aufnehmen. Die Marktgemeinde steht damit knapp vor der Überschuldung und muss reagieren –auch beim Gewerbesteuer-Satz.
Holzkirchen – Von „harten Wochen“ sprach Bürgermeister Christoph Schmid (CSU) am Dienstag (23. April) in der Haushaltssitzung des Marktgemeinderats. Die Verwaltung, zuvorderst Kämmerer Dominik Wendlinger, musste alle Register ziehen, um den Haushalt 2024 über Wasser zu halten. „Gerade noch“ sei das gelungen. Die Gewitterfront, die vor einem Jahr am Horizont aufzog, brach heuer mit voller Wucht über die Gemeinde herein.
Just in der sensiblen Phase, da drei Großprojekte viel Geld brauchen, stürzten im Vorjahr die Gewerbesteuer-Einnahmen um elf Millionen Euro ein – auf knapp 20 Millionen Euro. Da gleichzeitig eine Kreisumlage in Rekordhöhe fällig ist (24,5 Millionen Euro), die sich an der starken Finanzkraft von 2022 bemisst, die einst stolzen Rücklagen schon 2023 um 19 Millionen auf 3,4 Millionen Euro schrumpften und der Kämmerer jeden Monat sieben Millionen Euro liquide Mittel braucht, um alle Verpflichtungen bedienen zu können, reichen 25 Millionen Netto-Steuereinnahmen nicht, um den Haushalt auszugleichen.
Das ehedem gut betuchte Holzkirchen muss Schulden in nie gekanntem Ausmaß machen: 45 Millionen Euro dieses Jahr und 2025 mutmaßlich noch einmal 20 Millionen. Die Kommunalaufsicht ließ das gerade so durchgehen, wie Simon Ammer (SPD) andeutete: „Die Genehmigungsfähigkeit stand auf Messers Schneide.“ Um die Finanzkraft zu stärken, muss Holzkirchen seinen niedrigen Gewerbesteuer-Hebesatz aufgeben und von 320 auf 380 Punkte erhöhen. „Sonst könnten wir unsere Kredite nicht mehr bedienen“, sagte Wendlinger. Zudem müssen Grundstücksverkäufe die Finanzen stabilisieren: Heuer sollen 3,36 Millionen erlöst werden, 2025 drei Millionen. Für 2027 ist geplant, in der Maitz weitere Wohnbauflächen für 12,6 Millionen zu versilbern.
Die Ursache des Gewerbesteuer-Einbruchs sieht der Kämmerer vor allem in „Bilanzoptimierungen“ großer Unternehmen, unter anderem aus der Pharma-Branche. „Uns fehlt ein Branchenmix, der uns unabhängiger macht von einigen wenigen Firmen“, erklärte Wendlinger. „Wir können Unternehmen derzeit keinen Gewerbegrund anbieten“, klagte Dirk Kreder (FDP). Er habe größte Bauchschmerzen, jetzt auch noch die Gewerbesteuer zu erhöhen und womöglich Firmen sogar zum Abwandern zu bewegen. Als einziger Gemeinderat stimmte er dem Haushalt nicht zu.
Torsten Hensel (FWG) und Sebastian Franz (CSU) sehen ebenfalls die Zeit gekommen, neue Gewerbeflächen auszuweisen. Robert Wiechmann (Grüne) jedoch hob warnend den Finger: „Wachstum verursacht Kosten – das zeigt dieser Haushalt.“ Er analysiert die plötzliche Schuldennot als einmaliges Ereignis, nicht als strukturelles Problem. Auch der Kämmerer sieht Licht am Horizont: „Aber Jongliergeld gibt es nicht mehr.“ Es werde ein paar Jahre dauern, ehe „sich die Gemeinde wieder ein Polster angefressen hat“. Dann sei auch eine Senkung der Gewerbesteuer-Umlage wieder ein Thema. Zunächst gelte es jedoch, sich ein hartes Konsolidierungsprogramm zu verordnen.
„Wir müssen jede Ausgabe kritisch beäugen und schnell wieder runter von den Schulden“, kündigte der Rathauschef an. Man habe gewusst, dass es schwierig werde, drei Großprojekte gleichzeitig anzupacken. „Dann hatten wir Pech: Die Baupreise gingen durch die Decke, die Gewerbesteuer hat uns im Stich gelassen und jetzt, da wir so viel Schulden machen müssen, steigen die Zinsen wieder.“ Er hoffe, dass die Unternehmen die Erhöhung des Gewerbesteuersatzes nachvollziehen können. „Wir sind der Infrastruktur-Qualitätsführer in der Region“, sagte Schmid, „viele Betriebe wissen das zu schätzen.“ Er sei zuversichtlich, dass die Gemeinde bald wieder erstarke.
Vorerst aber, so seufzte Simon Ammer, sei festzuhalten: „Der Wirtschafts- und Wohlstands-Lokomotive Holzkirchen geht die Kohle aus.“
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