Inhaltliche Auseinandersetzung: Wie man Demagogen Paroli bieten kann
Unter dem Titel „Streitet Euch – Was gegen Parolen und Populismus wirklich hilft“ ist der Sozialwissenschaftler Max Barnewitz bei seinem interaktiven Vortrag beim Wieser Zukunftsforum der Frage nachgegangen, wie man Stammtischrednern und Demagogen Paroli bieten kann.
Wies – Auch heuer wieder spürte das Zukunftsforum der Katholischen Landvolkshochschule Wies unter der Leitung von Sylvia Hindelang brennenden Fragen unserer Zukunft nach. Schwerpunktmäßig beschäftigten sich die Vorträge mit den Themen Klimaschutz, Demokratie und Populismus. In diesem Zusammenhang erörterte Max Barnewitz vom Netzwerk Politische Bildung Bayern mit den Tagungsgästen die Frage, wie man in Zeiten rhetorischer Verknappung und Polarisierung Brücken bauen kann.
Dazu brauche es zunächst die Auseinandersetzung: „In einer Gesellschaft ohne Streit regiert das Recht des Stärkeren“, erklärt Barnewitz und fügt hinzu: „Dasselbe gilt für eine Gesellschaft, in der es nur noch feindselige Auseinandersetzungen gibt.“ Streit müsse als Lernchance begriffen werden: „Indem ich mir eine andere Sichtweise anhöre, erweitere ich meinen Horizont.“
„Es reicht oft, im Dialog zu bleiben“
Dabei gehe es nicht darum, den Standpunkt des Gegenübers zu übernehmen. „Es reicht oft, im Dialog zu bleiben. Uns mit unserem Gegenüber auseinandersetzen.“ Nur: Was tun, wenn der Diskussionspartner uns mit Entwertungen, Allgemeinplätzen, Untergriffen oder Rechthaberei begegnet?
Barnewitz bringt das Beispiel einer besonders kontroversen Diskussion, in der er allein aufgrund seines Aussehens als „linker Chaot“ identifiziert und mit einer wüsten Schimpftirade begrüßt wurde. Barnewitz wartete, bis die ärgste Wut verraucht war, stellte sich der Person vor und nahm Bezug auf ihre aggressiv und in lautem Ton gestellte Ausgangsfrage: „Welches Demokratieverständnis haben solche Leute wie Sie eigentlich?“ Darauf entspann sich eine lebhafte Diskussion zwischen den beiden, bei der man zwar keine inhaltliche Einigung erzielen, sich aber zumindest verständigen konnte.
Manchmal „aus Selbstschutz lieber den Rückzug antreten“
Natürlich sei es nicht in jeder Situation möglich oder ratsam, sich einer solchen Auseinandersetzung zu stellen, Barnewitz: „Wenn mich das Thema emotional betrifft, sollte ich allein aus Selbstschutz lieber den Rückzug antreten.“ Jedenfalls liege die Grundvoraussetzung für einen ergebnisoffenen, demokratischen Diskurs in der Bereitschaft zur Überwindung des Schwarz-Weiß-Denkens. In der Sozialwissenschaft spricht man in diesem Zusammenhang von Dilemmata. Vielen nervigen Eigenschaften und jedem von unserem Wertesystem abweichenden Standpunkt wohne bei genauerem Hinsehen auch etwas Positives inne: „Sobald wir uns das bewusst machen, treten wir mit unserem Gegenüber in einen Austausch.“
Für den Umgang mit sogenannten Stammtischhelden und Populisten bedeute das: Wenn wir gezielt nach dem verborgenen Wunsch und dem Dilemma hinter dem Allgemeinplatz suchen, unserem Gegenüber also zuhören und sein stärkstes Argument würdigen, kann sich ein Spannungsfeld öffnen, in dem ein konstruktiver Austausch möglich wird. Einen solchen brauche, so Barnewitz, unsere Demokratie heute dringender denn je.