Angriffe auf Ölraffinerien: Ukraine schwächt Russland besonders an einer Stelle – „gut kalkulierte Strategie“
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Russland attackiert im Ukraine-Krieg vor allem Wohnhäuser. Im Land des Aggressors selbst mehren sich die Drohnen-Attacken auf Ölanlagen.
Kiew – Wolodymyr Selenskyj nutzt seine Ansprachen zum Ukraine-Krieg immer mehr dazu, Russland ausdrücklich vor den Folgen seiner Angriffe auf Zivilisten zu warnen. Erst am Dienstag kündigte der Präsident der Ukraine nach dem Raketeneinschlag in einem Wohnhaus in seiner Geburtsstadt Krywyj Rih Antworten an, die der Aggressor spüren würde.
Ukraine greift Ölraffinerien mit Drohnen an: Verletzte zu beklagen - Anlagen müssen abgeschaltet werden
Offenbar hat Kiew es dabei auf Ölanlagen in Russland abgesehen. Wie Pawel Malkow, Gouverneur der Region Rjasan südöstlich von Moskau, am Mittwochmorgen auf Telegram verbreitete, wurde die Ölraffinerie in Rjasan von einer Drohne getroffen. Zwar teilte er drei Stunden später mit, der Brand sei gelöscht worden, zwei Personen hätten jedoch Handverletzungen erlitten.
Wassili Golubjew, Gouverneur der Region Rostow, schrieb wenig später auf seinem Telegram-Kanal, dass eine Drohne auf das Gelände der Ölraffinerie Nowoschachtinsk nahe der Grenze zur Ukraine gestürzt sei. Hier gab es demnach keine Verletzten, die technischen Anlagen mussten aber vorübergehend abgeschaltet werden. Zuvor hatte er noch darüber informiert, dass drei Drohnen abgefangen worden seien. Nach Firmenangaben handelt es sich um den größten Hersteller von Ölprodukten in Südrussland.
Video: Die Ukraine setzt auf intelligente Drohnen aus Eigenproduktion
Drohnen-Attacken treffen Russland: „Fluss von Ölgeldern und Treibstoff reduzieren“
Auch in der Nacht zuvor hatten mutmaßlich von der Ukraine entsandte Drohnen Feuer in Ölanlagen ausgelöst. Laut Andrej Klitschkow, Gouverneur der Region Orjol, wurde ein Treibstoff- und Energiekomplex getroffen. Der Politiker dokumentierte auf Telegram die Löscharbeiten der Feuerwehr und stellte klar, dass es keine Verletzten gab.
Ein anderes ukrainisches Fluggerät soll einen Brand in der Raffinerie von Kstowo bei Nischni Nowgorod an der Wolga verursacht haben. Angriffe auf die Anlage von Kirischi nahe St. Petersburg wurden laut den Behörden abgefangen.
In der Ukrajinska Prawda wird eine nicht näher benannte Quelle aus dem ukrainischen Geheimdienst so zitiert: „Wir setzen systematisch eine gut kalkulierte Strategie um, um das wirtschaftliche Potenzial Russlands zu reduzieren. Unsere Aufgabe ist es, dem Feind Ressourcen zu entziehen und den Fluss von Ölgeldern und Treibstoff zu reduzieren, den der Aggressor direkt für seine Kriegsanstrengungen und das Töten von ukrainischen Bürgern verwendet.“
Folgen der Angriff auf Ölraffinerien: Steigen in Russland die Lebensmittelpreise bald drastisch an?
Anton Geraschtschenko, ehemaliger stellvertretender Innenminister der Ukraine, schrieb auf Twitter, die Ölraffinerie in Rjasan werde wahrscheinlich wochenlang nicht nutzbar sein. Er erwarte, dass die Zerstörungen von russischen Ölanlagen fortgesetzt werden.
Außerdem betont der 45-Jährige: „Die Aussaat in Russland wird sehr schwierig sein, was bedeutet, dass die Lebensmittelpreise voraussichtlich ab Mitte des Sommers drastisch steigen werden.“ Und: „Die Gasnachfrage innerhalb Russlands und die Gaspreise werden wahrscheinlich schon in einigen Wochen zunehmen. Das wird dazu führen, dass die Preise für alles in Russland anziehen.“
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Drohnen der Ukraine treffen russische Ölanlagen: Als Nächstes Agrarproduzenten im Visier?
Geraschtschenko zufolge hatte der Ölkonzern Lukoil schon Anfang Januar Probleme in der Raffinerie Nischni Nowgorod gemeldet. Eine der beiden Benzin-Produktionseinheiten habe stillgelegt werden müssen. In den folgenden Wochen habe das Unternehmen andere Hersteller um Lieferungen von Benzin gebeten. Zwar habe das russische Energieministerium darauf beharrt, dass es keine Auswirkungen auf den Markt geben würde, doch sei letztlich der Export von Benzin eingeschränkt worden.
Nun könnten die Drohnen die zweite Einheit zerstört haben. Damit wäre es möglich, die Produktion von Benzin zu stoppen oder erheblich einzuschränken. Laut Geraschtschenko ist diese Raffinerie für mehr als zehn Prozent der gesamten russischen Benzin-Produktion verantwortlich. Das Defizit könnte noch größer ausfallen, Hauptabnehmer seien Moskau und die Region um die Hauptstadt.
Der Ausfall könnte die Preise für Kraftstoff weiter steigen lassen, da der logistische Aufwand und die damit verbundenen Kosten zunehmen werden. Als Nächstes könnten lokale Agrarproduzenten in den Fokus der Drohnen rücken, um auch diesem Sektor einen Schlag zu versetzen.
Russland und die Drohnen-Attacken: Peskow gibt steigende Zahl zu und beruhigt
Am Mittwoch berieten die russische Kartellbehörde und die Ölbranche über die Lage, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) unter Berufung auf die russische Nachrichtenagentur Tass schreibt. Demnach sagten die Treibstoffhändler zu, in diesem Frühjahr mehr zu liefern. Die Großhandels- und Verbraucherpreise seien stabil.
Zu den Drohnen-Attacken sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow laut Tass: „Tatsächlich nimmt die Zahl zu. Unsere Luftabwehr und unser Militär kümmern sich darum.“ Bereits seit Monaten gibt es Meldungen von entsprechenden Angriffen aus der Luft. Zuletzt wurde so auch eine Panzer-Kolonne gesprengt. Kreml-Chef Wladimir Putin mutmaßte in einem TV-Interview kurz vor seiner geplanten Wiederwahl, die Angriffe sollen genau diese stören. (mg, mit dpa)