36000 FCB-Fans stornieren Ticketanfrage für Donezk-Spiel: Der eigentliche Skandal

  1. Startseite
  2. Sport
  3. FC Bayern

Kommentare

Schachtar Donezk ruft für sein Champions-League-Heimspiel gegen den FC Bayern München Wucherpreise auf. Der Boykott-Aufruf der FCB-Fanszene zeigt nun Wirkung.

München - Im Newsletter „Südkurve München„ der führenden FCB-Ultra-Gruppierung Schickeria erging am Wochenende folgender Boykott-Aufruf für das am 10. Dezember stattfindende Spiel, der ganz offensichtlich vom FC Bayern selbst unterstützt wurde:

Schachtar Donezk: CL-Heimspiel auf Schalke gegen Atalanta Bergamo.
Schachtar Donezk: CL-Heimspiel auf Schalke gegen Atalanta Bergamo. © IMAGO/Brauer-Fotoagentur / Adrian Schl

Storniert eure Tickets!

„Weite Teile der aktiven Südkurve werden das Auswärtsspiel gegen Schachtar Donezk aufgrund der preislichen Umstände nicht besuchen.

Das dynamische Preissystem in Verbindung mit einem hohen Grundpreis der Tickets bei unserem Spiel erzeugen eine unverhältnismäßige Verteuerung im Vergleich zu den anderen Heimspielen von Schachtar Donezk im Europapokal.

Sitzplatz - 105€ (Die Fans von Atalanta Bergamo zahlten ab 28€; die Fans von Young Boys werden ab 31€ zahlen)
Stehplatz - 52€ (Die Fans von Atalanta Bergamo zahlten ab 23€; die Fans von Young Boys werden ab 26€ zahlen)

Nutzt das vom FC Bayern unterbreitete Angebot und storniert eure Tickets für das Spiel - die Frist dafür endet Montag 4.11., 12 Uhr.“

Es folgt eine Anleitung zur Stornierung auf der offiziellen FCB-Homepage und der Boykott-Aufruf endet mit:

„Bayernfans, lasst euch nicht verarschen und boykottiert das Auswärtsspiel bei Schachtar Donezk.
Für eine faire Preisgestaltung - gegen Topspielzuschläge!“

Der Ultra-Aufruf war „erfolgreich“

36000 Fans, Mitglieder, Fanclubmitglieder des Rekordmeisters sind dem Aufruf gefolgt und stornierten noch bis zur Frist Montagmittag ihre vorläufige Kartenbestellung. Ursprünglich lag die Anzahl der Bestellungen bei 55000, nach dem Aufruf schrumpfte sie erheblich – auf nur noch 19000.

Was aber bedeuten diese Stornierungen tatsächlich für die Fanbelegung bei der CL-Partie?

Schamloses Schachtar und die fragwürdige Rolle der UEFA

Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine trägt Donezk seine Königsklassen-Heimspiele aktuell in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen aus. Vergleichsweise zentral gelegen in Deutschland und damit von überall für Bayern-Fans ohne ganz großen Aufwand erreichbar. Werden aufgrund des Boykottaufrufs und der 36000 Anfrage-Stornierungen wesentlich weniger FCB-Fans im Stadion sein, die Arena gar halbleer?

Davon ist nicht auszugehen, denn diese Zahlen betreffen einzig und allein das von der UEFA vorgegebene Auswärtsfan-Kontingent von gerade einmal fünf Prozent. Bei der aktuellen Kapazität des Schalker Stadions von 62000 Plätzen betrifft das also lediglich die offiziellen 3100 Tickets, die der FC Bayern an seine eigenen Fans vergeben kann. Diese sind mit den verbliebenen 19000 Bewerbern immer noch mehr als sechsfach überbucht!

Hinterfragenswert ist in diesem Kontext das vollkommene Ignorieren der von der UEFA vorgegebenen Regularien: Fünf Prozent der Karten müssen Gästefans zur Verfügung gestellt werden (in der Bundesliga sind es zehn Prozent). Die Preisobergrenze für Gästefans beträgt 70 Euro in der Champions League, 45 Euro in der Europa League und 35 Euro in der Conference League.

Warum darf der ukrainische Gast und zugleich Gastgeber Schachtar Donezk diese Regeln brechen?

Schachtar muss zur Ausbeutung der ukrainischen und FCB-Fans Stellung nehmen!

In den fünf Wochen bis zur Partie wird es sicherlich noch eine Stellungnahme von Schachtar Donezk zur Preisgestaltung geben. Und die UEFA muss zur Einhaltung der eigenen vorgegebenen Regeln noch eingreifen.

Die aktive Bayernfanszene attackiert zwar die Preise für das Auswärtsfankontingent, was aber ist mit den restlichen 59000 Tickets, die gewiss nicht billiger sein dürften? In Deutschland befinden sich derzeit rund 1,2 Millionen ukrainische Kriegsflüchtlinge. Sehr viele von ihnen sind Schachtar-Fans und möchten das Spiel gerne live in der Arena sehen.

Ob die 3100 FCB-Fans im Gästeblock aufgrund der abwesenden Ultras weniger Support für das eigene Team liefern, ist vor diesem Hintergrund eigentlich ein Nebenaspekt. Die Ultras kämpfen seit vielen Jahren mehr oder weniger erfolgreich - „Twenty´s plenty„ - für eine Limitierung der Auswärtsticketpreise in den europäischen Fußballwettbewerben, sie fühlen sich hintergangen. Es gibt aber in diesem Fall noch viele andere, die nun wütend sind.

Die Preise, die der ukrainische Fußballmeister in dieser ebenso bitteren wie komplizierten Situation aufruft, sind ein riesiger Skandal. Trotzdem kann man ziemlich sicher davon ausgehen, dass die Schalker Arena am 10. Dezember ausverkauft sein wird. Mit vielen ukrainischen Fans, die sich womöglich so einen Ticketpreis kaum leisten können - und mit eventuell ebenso vielen FCB-Fans, die endlich Chancen auf den Besuch eines Spiels ihres Lieblingsklubs haben. Denn normalerweise ist es schier unmöglich an ein Auswärtsticket des Rekordmeisters in der Champions League zu kommen. Genau diese Konstellation wird hier von den Preisgestaltern auf schamlose Weise ausgenutzt.

Auch interessant

Kommentare