Analyse von Thomas Jäger - Hinter Trumps Nato-Drohung steckt eine bittere Wahrheit für Deutschland
Russland droht aber auch mit militärischen Angriffen. Dies passt einerseits in die hybride Kriegsführung hinein, denn wenn in einer Phase amerikanischer Wirren die Meinung in den europäischen Öffentlichkeiten aufkommt, dass es besser sei, einen Ausgleich mit Russland zu suchen, wie es die AfD, BSW und die Linke propagieren, dann erlangt Russland die Dominanz über Europa ohne massive materielle Zerstörungen. Das wäre Putin am liebsten, denn er benötigt Europas Wirtschaftskraft, um zur Weltmacht aufzusteigen.
Russland ist ein faschistischer Staat geworden, Putin ein Angst-Herrscher
Gleichzeitig wird die russische Gesellschaft auf diese Weise auf einen langen Krieg gegen die europäischen Staaten vorbereitet. Denn das ist der zweite Grund , warum die Gefahr nicht gebannt ist, wenn die Ukraine Russland standhält.
Russland ist ein faschistischer Staat geworden, Putin ein Angst-Herrscher, die Gesellschaft von Gewalt durchzogen. Ein völkischer, religiös verbrämter militaristisch aufgeladener Nationalismus zwingt die russische Führung geradezu dazu, die Dominanz über Europa zu erlangen. Russland könne nur souverän, also als eigenbehauptete Weltmacht, existieren, so Putin.
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Die Gesellschaften in der EU dämmern teilweise noch dahin
Deshalb steigert sich hierzulande niemand in die Kriegsgefahr hinein, der sie benennt. Wer das anders sieht, verschließt die Augen vor der Realität. Und da sind wir bei einem Problem.
Dass so viele Regierungen in Europa aktuell auf die Gefahr hinweisen, hat gerade damit zu tun, dass die Gesellschaften in der EU teilweise noch dahindämmern, viele politische Kräfte von der Rückkehr in die liberale Globalisierung träumen und andere das Geschäft Russlands betreiben.
Es sind Weckrufe, nun endlich die Streitkräfte so auszustatten, dass sie auf Russland abschreckend wirken können. Denn das ist derzeit nicht der Fall, weshalb jede sicherheitspolitische Millimeterbewegung in den USA in Europa kleine Erdbeben auslöst.
Deutschland betreibt sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei
Wenn Donald Trump wieder einmal darauf hinweist, dass Staaten, die die verabredeten zwei Prozent für Verteidigung nicht aufbringen, den amerikanischen Schutz entzieht, ist die Aufregung in Deutschland für einen Tag groß. Dieses Ziel existiert seit über zwanzig Jahren. Ebenso lange werfen die USA – sei es unter Obama oder Trump, im Stil verschieden, jedoch völlig zu Recht – Deutschland sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei vor.
Die SPD und die Grünen hatten dies bis vor kurzem abgelehnt. CDU/CSU haben es nur mit dem Mund, lau und inkonsequent zumindest nicht völlig abgelehnt. Keine politische Kraft sah es als erforderlich an, dass die Bundeswehr zur Sicherung Deutschlands und zur Erfüllung der Bündnisaufgaben über Munition verfügen muss.
Das passte zum Verhältnis der Politik zur Bundeswehr, denn eine Armee ohne Munition kann keinen Schaden anrichten, zumindest in der Vorstellung jener, die sich über die internationale Sicherheit selbst täuschen, andere Interessen vertreten oder es nicht interessiert. Es ist nachteilig für eine Gesellschaft, wenn dies die Regierung ist.
Fundament der „antagonistischen Kooperation“ im Ost-West-Konflikt war nicht Diplomatie
Die Aufgabe, die Bundeswehr zu ertüchtigen, steht nun wieder an und wieder wird gestritten, ob das überhaupt nötig ist. Oder ob man mit einem faschistischen Aggressor nicht auch unbewaffnet „es wird kompliziert“-„einfach ist das nicht“-„gerade deshalb muss man es tun“-Gespräche führen kann. Die schlichte Antwort ist: Nein, kann man nicht. Das zeigt ein kurzer Blick zurück.
Das Fundament der „antagonistischen Kooperation“ im Ost-West-Konflikt war nicht Diplomatie, sondern gegenseitig gesicherte nukleare Abschreckung. Jede andere Bewertung betrachtet diese Zeit durch rosa Wölkchen. Es waren hochgerüstete Armeen, die sich gegenseitig in Schach hielten und deshalb minimale Verhandlungsräume eröffneten.
Ja, sie waren minimal, wie ein Blick in die MBFR-Verhandlungen über die Verminderung von Streitkräften und Rüstung in Europa zeigt, die nach 16 Jahren Verhandlungen nie zu einem Ergebnis kamen.
Kooperative Rüstungssteuerung bei strategischen Nuklearwaffen und eine lange Zeit wirkungslose KSZE-Grundakte ließen keine diplomatischen Wiesen blühen. Es waren Formelkompromisse, die nur deshalb hielten, weil sich beide Seiten aus den inneren Angelegenheiten der anderen Seite heraushielt. Wegen der gegenseitigen Abschreckung.
1953 rollten in der DDR sowjetische Panzer, 1956 in Ungarn, 1961 wurde die Mauer gebaut und 1968 die Tschechoslowakei mit Gewalt auf Linie gebracht. 1981 folgte das Kriegsrecht in Polen. Das war die Realität der „antagonistischen Kooperation“.
Illusionskünstler in Politik und Medien versuchen, die Gefahr aus Russland kleinzureden
Illusionskünstler in Politik und Medien versuchen derzeit, die Gefahr aus Russland kleinzureden. Das dokumentierte die Auseinandersetzung, ob die Bundeswehr nun verteidigungsfähig oder kriegstüchtig sein müsse.
Der offensichtliche Zweck, von Verteidigungsfähigkeit zu sprechen, ist, den nur leicht dem Pazifismus entfremdeten Deutschen angesichts der Zerstörungen in der Ukraine weiterhin ein einigermaßen gutes Gefühl zu geben. Dass die Bundeswehr zur Verteidigung nicht in der Lage ist, ist zwar bekannt, aber leicht verdrängbar.