Riss im Grundstück: Streit um Schadensersatz geht weiter – „Fast ein Schützengraben“
Nach dem Bau von vier Mehrfamilienhäusern in Rottach-Egern entstand ein Riss auf dem Grundstück des Volksmusikers Sepp Kandlinger. Der Streit um die Schadensersatzsumme zieht sich hin.
Rottach-Egern – Nach dem Bau von vier Mehrfamilienhäusern an der Rottacher Auenstraße beklagt Sepp Kandlinger, als Volksmusiker im Tegernseer Tal bekannt, einen Riss auf seinem Grundstück. Wie berichtet, sieht er sich geschädigt und geht gegen den Bauträger vor. Doch auch der dritte Verhandlungstag vor dem Landgericht München II brachte keine Annäherung. Die Ursache für die Abrisskante von etwa 40 Metern Länge ist weiterhin strittig.
Bei der mehrstündigen Verhandlung wurden Zeugen und Sachverständige gehört. Am Ende ließ Richter Andreas Zeug die drei Anwälte der beklagten Baufirmen wissen: „Dass Sie nicht mit null rausgehen werden, ist wohl klar.“ Seit Beginn des Prozesses vor zwei Jahren wird um die Schadensersatzsumme für Kandlinger gefeilscht. Im Raum stehen 30 000 Euro als Vergleich. Dies sei typisch für die Rottacher Baukultur, raunte ein einheimischer Prozessbeobachter zuletzt. „Da machen sie mit ihren Luxuswohnanlagen in Bestlagen viele Millionen Gewinn, und als Geschädigter muss man dann wegen ein paar tausend Euro sein Recht einklagen.“
Spalt sei in Nacht- und Nebelaktion verfüllt worden
Zur Vorgeschichte: Mitte 2020 begann ein Unternehmen aus Grünwald, laut Werbung „zuständig für exklusive Bauprojekte mit Herz“, mit dem Bau von vier Mehrfamilienhäusern mit 17 Wohnungen an der Auenstraße unweit des Ortszentrums. Beteiligt an Planung und Bauausführungen waren namhafte Rottacher Firmen. Sie reizten das 3200 Quadratmeter große Grundstück für eine Tiefgarage bis auf den letzten Zentimeter aus. Das Areal grenzt an das Grundstück Kandlingers, auf dem ein Mehrfamilien-Mietshaus steht. Der Streitfall begann im Oktober 2020, als die Spundwände in der Baugrube gezogen wurden und Kandlingers Grundstückskante abrutschte. Ein tiefer Riss entstand. „Es war fast ein Schützengraben. Wenn ich da reingestiegen wäre, hätte nur noch der Kopf rausgeschaut“, veranschaulichte Kandlinger dem Gericht die Tiefe des Spalts. Sofort habe es Bekundungen gegeben, man werde „selbstverständlich für jeglichen Schaden, der durch das Bauvorhaben ‚Auenstr. 2 + 4‘ bei Ihrem Anwesen entstanden ist, aufkommen“. Ohne Absprache mit Kandlinger als Eigentümer sei dann in einer Nacht- und Nebelaktion der Spalt in der Garageneinfahrt notdürftig verfüllt worden.
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Seit Prozessbeginn wird um die Schadensregulierung gerungen. Die Anwälte des Bauträgers weigern sich, das Vergleichsangebot des Gerichts zu akzeptieren. Ihrer Ansicht nach ist nicht erwiesen, dass Kandlingers Grundstück durch die Bauarbeiten „den Anschluss verloren hätte oder abgerutscht wäre“. Diese Einschätzung sollte bei der Verhandlung ein Statiker als Zeuge für die beklagten Firmen bestätigen. Doch dieser erschien trotz Ladung nicht. Wohl aber der vom Gericht beauftragte Sachverständige, nach eigenem Bekunden seit 50 Jahren im Spezialtiefbau tätig. Er sieht die Schuld klar beim Bauträger. Der tiefe Riss sei entstanden, als die Spundwände aus vier Metern Tiefe gezogen wurden und das Grundstück in Richtung Baugrube abgerutscht sei. Die erforderliche „Rückverankerung“ in Kandlingers Grundstück habe es nicht gegeben. „Diese aufgetretenen Verformungen lassen eindeutig den Schluss zu, dass der Trägerverbau nicht fachgerecht ausgeführt wurde“, so das Fazit des Sachverständigen. Kandlingers Anwalt verdeutlichte zum wiederholten Male, „dass durch die Baumaßnahmen das Grundstück meines Mandanten die Stütze verloren hat“.
Da die Anwälte des Bauträgers aber auf die Aussage ihres Statikers als Zeugen beharren, blieb Richter Zeug nichts anders übrig, als einen vierten Verhandlungstag Mitte Januar anzusetzen. Dann vielleicht mit dem Statiker der Baufirmen als Zeugen. kw