Mindestlohn-Showdown für Merz am Freitag: 15 Euro – oder die SPD spaltet die Regierung
Sollte sich die Mindestlohnkommission nicht für einen deutlich höheren Mindestlohn aussprechen, droht die SPD mit dem Bruch des Koalitionsvertrags.
Berlin – Der Mindestlohn könnte schon bald auf 15 Euro steigen – das würde für Millionen Menschen in Deutschland mehr Geld bedeuten. Am Freitag (27. Juni) gibt die für die Festlegung der Höhe zuständige Mindestlohnkommission bekannt, wie sich die unterste Lohngrenze entwickeln soll. Sozialverbände fordern schon lange 15 Euro.
Auch die SPD geht mit der Position offensiv hausieren – obwohl die unabhängige Kommission und nicht die Politik über den Mindestlohn entscheiden soll. Eigentlich. Denn: Sollte es nicht so laufen, wie die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, droht großer Zoff mit der Union.
Mehr Geld für Millionen Arbeiter – wenn der Mindestlohn auf 15 Euro steigt
Über 1,4 Millionen Menschen arbeiteten 2024 für Mindestlohn. Aktuell liegt der bei 12,82 Euro. Jede und jeder Sechste ist darüber hinaus im Niedriglohnsektor beschäftigt, bekommt also nicht mehr als 13,79 Euro pro Stunde. Diese und noch mehr Menschen würden von einem Mindestlohn von 15 Euro profitieren. Doch die Entscheidung über den Mindestlohn ist nicht ohne Weiteres politisch kontrollierbar.

Denn nicht (mehr) die Koalitionsparteien beschließen mit Mehrheit einen neuen Mindestlohn. Da das Thema oft zu heftigem Streit in der Regierung führte, entschloss man sich 2015, den Prozess auszulagern; in eine unabhängige Kommission mit je drei Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern und einem Vorsitzenden aus der Wissenschaft. Sie sollen sich einigen und nach einer Gesamtabwägung Empfehlungen zur Höhe des neuen Mindestlohns geben. Die Politik will das Resultat akzeptieren und es dann als Gesetz beschließen. So zumindest die Theorie.
Denn: Dass die SPD-Forderung von 15 Euro durchkommt, ist keineswegs sicher. Zwar muss sich die Kommission an gesetzliche Vorgaben halten, wie die Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Arbeit und Soziales, Annika Klose, vor Kurzem unserer Redaktion sagte: Die Kommission orientiere sich „bei ihren Empfehlungen an der EU-Mindestlohn-Richtlinie“. Die nennt für die Mindestbezahlung 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten. Damit läge der Mindestlohn in etwa bei den angedachten 15 Euro. Klose zeigt sich deshalb optimistisch.
SPD will die 15 Euro Mindestlohn – um jeden Preis?
Doch schon in der Vergangenheit hat die Kommission in der Gesamtabwägung einen niedrigeren Mindestlohn empfohlen – zum großen Ärger der SPD. Selbiges könnte nun wieder passieren.
Zwar steht im Koalitionsvertrag: „An einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission halten wir fest.“ Doch der rote Juniorpartner hält sich dieser Tage bewusst die Option offen, bei einem aus ihrer Sicht unbefriedigendem Ergebnis politisch einzugreifen. „Wir machen uns natürlich darüber Gedanken, was passiert, wenn es zum Beispiel keine Einigung gibt. Oder was passiert, wenn es eine Einigung gibt, die deutlich unter 15 Euro ist“, sagte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf Anfang der Woche. Weiteres müsse dann diskutiert werden. Die SPD will an der Höhe festhalten.
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Ganz anders sieht das die Union. Zwar hat sie im Koalitionsvertrag grundsätzlich einer Annäherung an 15 Euro bis 2026 zugestimmt, an einer politischen Entscheidung dafür ist sie jedoch nicht interessiert. Sie fordert, dass die Entscheidung der Kommission respektiert wird. Sollte das nicht so kommen und die SPD tatsächlich selbst in die Lohnhöhe eingreifen wollen, droht großer Koalitionskrach. Einige aus den Fraktionen blicken nervös auf die Verkündung am Freitag.
Mindestlohn-Streit droht: Sozialverband nimmt SPD in die Pflicht
Rückendeckung bekommt die SPD derweil vom Sozialverband Deutschland (SoVD), der einer möglichen Einigung unter 15 Euro kritisch gegenübersteht. „Für uns wäre eine schwache Entscheidung deutlich unter 15 Euro oder eine Erreichung scheibchenweise in ferner Zukunft absolut nicht nachvollziehbar“, sagt SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier dem Münchner Merkur.
Engelmeier unterstützt ein mögliches politisches Eingreifen für einen „armutsfesten Mindestlohn“ im Fall der Fälle ausdrücklich. „Wir würden dann ganz klar von der Bundesregierung erwarten, dass sie eine politische Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns ins Auge fasst. Aus SoVD-Sicht muss die 15 vor dem Komma stehen – und zwar jetzt und nicht erst in mehreren Jahren.“