„Schockierende Entwicklung“ im Ukraine-Krieg: USA wollen jetzte geächtete Waffe liefern
Weiterer Kurswechsel in Washington? Die USA wollen im Ukraine-Krieg nun offenbar Antipersonen-Minen an Kiew liefern. Die Waffe ist völkerrechtlich geächtet.
Washington – Die Präsidentschaft von Joe Biden neigt sich dem Ende zu. In seinem vorletzten Monat im Amt ordnete der US-Präsident nun offenbar die Lieferung von Schützenminen an die Ukraine an, wie die Washington Post am Dienstag (19. November) unter Berufung auf zwei ranghohe Vertreter der US-Regierung berichtete. Der Einsatz solcher Minen ist international geächtet. Zuvor hatte Biden im Ukraine-Krieg auch den Einsatz von weitreichenden US-Waffen auf russisches Staatsgebiet erlaubt.
Donbass im Fokus: Landminen sollen die russischen Angriffe verlangsamen
Die Entscheidung für die Lieferung von Antipersonenminen sei eine von mehreren dringenden Maßnahmen, um die ins Stocken geratenen Anstrengungen Kiews im Verteidigungskrieg gegen Russland zu unterstützen, so der Bericht weiter. Konkret sei das Vorrücken russischer Truppen im Donbass ein Grund für die Meinungsänderung im Weißen Haus, hieß es. Russland erzielte dort zuletzt so viele Fortschritte wie seit 2022 nicht mehr. Aus Sicht des Pentagons ist die Lieferung der Minen eine der wichtigsten Maßnahmen, um den russischen Angriff zu verlangsamen.
Washington machte dem Bericht zufolge allerdings zahlreiche Einschränkungen. So dürfen ukrainische Truppen die Waffe nur auf dem eigenen Staatsgebiet mit Schwerpunkt auf dem Osten einsetzen und sie nicht in dicht besiedelten Gebieten auslegen. Zudem handele es sich um spezielle Minen, die sich nach einer bestimmten Zeit selbst zerstören oder nur mit einer begrenzten Batterieladung versehen sind, hieß es. Sie sollen „innerhalb von Tagen oder Wochen unbrauchbar werden, was die Gefahr für die Zivilbevölkerung verringert“, berichtete die Washington Post unter Berufung auf Regierungskreise.
„Es ist eine schockierende und verheerende Entwicklung“, sagte Mary Wareham, stellvertretende Direktorin der Abteilung für Krisen, Konflikte und Waffen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, demnach über diese Entscheidung Washingtons. Moskau hat Minen längst im Einsatz, die Ukraine gilt als das am stärksten verminte Land der Welt. Russische Truppen bauten im Ukraine-Krieg über Monate hinweg ein massives Bollwerk an Panzersperren und dichten Minenfeldern auf, die ukrainische Gegenoffensiven erschwerten.
Landminen im Völkerrecht
Schützenabwehr- und Antipersonenminen sind nach der Ottawa-Konvention seit 1999 völkerrechtlich verboten. Deutschland und weitere 163 Länder weltweit haben den Vertrag ratifiziert, darunter auch die Ukraine im Jahr 2005. Staaten wie Russland, China und die USA der Konvention hingegen bis heute nicht beigetreten. „Landminen gelten als heimtückische Waffen“, heißt es auf der Homepage der deutschen Bundeswehr.
Kritische Entscheidung im Krieg: Warum die Ukraine auch auf US-Streumunition angewiesen war
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Landminen sind nicht die erste völkerrechtlich geächtete Waffe, die Washington an Kiew liefert. Die Ukraine litt im Sommer 2023 unter extremem Mangel an Artilleriemunition des Kalibers 155 mm. Es zeichnete sich ab, dass der ukrainische Vorrat nur noch wenige Wochen reichen würde und weder in Europa noch in den USA war aufgrund zu langsam anlaufender Produktion ausreichend Nachschub zu beschaffen. „Das Pentagon bestätigte, dass der einzige nennenswerte Vorrat an 155er-Munition weltweit, der von den [ukrainischen] Haubitzen abgefeuert werden konnte, US-amerikanische Streumunition war“, berichtet der Journalist Bob Woodward in seinem Buch „War“.
Diese Art von Munition ist von über 123 Ländern der Welt als „unmenschlich und willkürlich“ klassifiziert und international geächtet. Weder die USA, noch Russland oder die Ukraine hatten den Vertrag unterzeichnet. Bei Streumunition besteht die Gefahr, dass einzelne Bomblets nicht sofort explodieren, sie werden dann zu tickenden Zeitbomben. Die von den USA gelieferte Munition hatte eine Blindgängerrate von 1,3 Prozent bis 2,35 Prozent. Russland setzte zu diesem Zeitpunkt längst Streubomben im Ukraine-Krieg ein, wobei der Anteil der Blindgänger auf russischer Seite bei 30 bis 40 Prozent liegt, so Woodwards Bericht weiter (bme mit dpa).