„Seltene Krankheiten“ betreffen in Deutschland Millionen: Warum Therapien oft am System scheitern
Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leiden unter sogenannten „seltenen Erkrankungen“. Angesichts des diesjährigen Aktionstags fordern Experten eine Reihe von Verbesserungen für Betroffene.
Berlin – Der Branchenverband Pharma Deutschland fordert angesichts des „Tags der Seltenen Erkrankungen“ am Freitag (28. Februar) mehr Sichtbarkeit für seltene Krankheitsbilder und mehr Versorgungssicherheit für Betroffene. „Unser solidarisches Gesundheitssystem muss auch denjenigen helfen, die unter sehr seltenen und schwerwiegenden Erkrankungen leiden“, sagte Hauptgeschäftsführerin Dorothee Brakmann. Besonders besorgt zeigte sie sich darüber, dass Arzneimittel für manche Krankheitsbilder oft aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland nicht eingeführt werden könnten - mit logischerweise schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen, wie sie erklärte.
Der Aktionstag ist den „seltenen Erkrankungen“ gewidmet. Doch diese Krankheiten kommen gar nicht so selten vor, zumindest nicht, wenn man die Gesamtzahl der Fälle betrachtet: Eine Krankheit gilt nämlich als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen betroffen sind. In Deutschland sind das aktuell schon rund vier Millionen Patientinnen und Patienten. Keine kleine Zahl, vor allem wenn man bedenkt, dass hinter jeder Ziffer ein Einzelschicksal steht. Ein Beispiel unter vielen ist da jenes vom kleinen Phil aus Dortmund: Der Dreijährige ist an einer schwere aplastischen Anämie (SAA) erkrankt und deshalb auf Hilfe angewiesen – denn ohne diese drohe laut Ärzten der Tod. Auch die zwölfjährige Angelina benötigt aufgrund einer Erkrankung ihres Knochenmarks Therapie. Klar ist: Auch die kleinsten und schwächsten unter uns können betroffen und auf Unterstützung angewiesen sein.
Fehlende Therapien, kaum Ärzte und zu wenig Wissen: Wobei es beim Kampf gegen seltene Krankheiten mangelt
Doch Patientinnen und Patienten haben es oftmals nicht leicht. Für einige seltene Erkrankungen wurden bereits innovative Therapieansätze entwickelt, für andere stehen jedoch bislang kaum wirksame Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Neben einer oft langwierigen und komplizierten Diagnostik mangelt es hier auch an spezialisierten Fachärztinnen und Fachärzten. Dazu kommt oft, dass für eine erfolgreiche Therapie zu wenig über die jeweilige Krankheit bekannt ist. Die Erforschung seltener Erkrankungen ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da aufgrund der kleinen Patientengruppen groß angelegte klinische Studien zu häufig nicht durchführbar sind. Dabei sind Fortschritte in der Arzneimittelentwicklung natürlich dringend notwendig, um wirksame Therapien für die Betroffenen bereitzustellen.

Ein zusätzliches Problem stellt die Verfügbarkeit der speziell für seltene Erkrankungen entwickelten Arzneimittel (Orphan Drugs) dar. In Europa und Deutschland wurden in den letzten Jahren wichtige Rahmenbedingungen für die Behandlung seltener Erkrankungen geschaffen, etwa durch spezielle Regelungen im Zulassungsverfahren oder das Nationale Aktionsbündnis für seltene Erkrankungen (NAMSE).
Zusammen stärker als alleine: Europa als Waffe gegen seltene Krankheiten
Wichtige Schritte, wie Pharma Deutschlands Hauptgeschäftsführerin Dorothee Brakmann findet: „Gerade, weil die Erkrankungen so selten sind, ist darüber hinaus die europäische Vernetzung von großem Wert. Diese Fortschritte dürfen auf keinen Fall durch nationale Maßnahmen gefährdet werden. Eine Gleichstellung von Orphan Drugs mit Arzneimitteln gegen weit verbreitete Erkrankungen wäre ein erheblicher Rückschritt.“
Der Verband fordert deshalb eine Beibehaltung der bestehenden Regelungen zur Nutzenbewertung von Orphan Drugs, um weiterhin Anreize für Forschung und Entwicklung in diesem Bereich zu schaffen. Zusätzlich sollten „Erstattungsbetragsverhandlungen“ für innovative, erfolgsabhängige Verträge mit den Krankenkassen geöffnet werden, um den Zugang zu wirksamen Behandlungen für die Patienten langfristig sicherzustellen.
Pharma Deutschland: „Wir dürfen die Patienten nicht vergessen“
„Die Versorgung der Patientinnen und Patienten muss auch in Zukunft gesichert bleiben. Der Kostendruck in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) darf nicht dazu führen, dass innovative Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen vom Markt verschwinden“, sagte Brakmann. Pharma Deutschland setze sich deshalb entschieden dafür ein, dass innovative Arzneimittel weiterhin gefördert und Betroffene nicht vergessen werden würden – am „Tag der Seltenen Erkrankungen“, und auch an allen anderen. (lf, mit Material von dpa)