Proteste „wie noch nie“ - Deswegen blockieren Bauern 2024 wohl auch Ihre Stadt
Im kommenden Jahr wollen die Bauern ihre Proteste deutlich ausweiten. Die Ampel müsse ihre „unzumutbaren Vorschläge“ komplett zurücknehmen, forderte Bauernpräsident Rukwied und drohte andernfalls mit einem „sehr heißen Januar“. „Dann werden wir ab 8. Januar überall präsent sein in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat.“ Das bedeutet auch, dass die Bauernvertreter die Blockaden der Klimakleber deutlich überbieten wollen.
2. Wie wahrscheinlich ändert die Bundesregierung ihre Pläne?
Koalitionsvertreter haben grundsätzliche Änderungsbereitschaft signalisiert. Die Regierung muss für ihren Haushalt 2024 aber sparen. Streicht sie die Einsparungen bei Landwirten, muss sie an anderer Stelle kürzen. Wer Anpassungen fordert, solle daher Gegenfinanzierungen vorschlagen, sagte etwa Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Ähnlich äußerte sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Bislang nicht geäußert hat sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) versicherte dagegen in seiner Rede auf der Berliner Kundgebung, er kämpfe im Kabinett dafür, dass das nicht in dieser Härte kommt". Die Belastungen für die Branche seien ohnehin sehr hoch. Auch Landespolitiker kritisieren den Entwurf. Änderungen sind also möglich.
Signale, dass die Regierung die Kürzungen komplett zurücknimmt, wie es die Bauernvertreter fordern, gibt es bislang allerdings nicht. Mit den angekündigten Protesten ist also zu rechnen.
3. Welche Kosten kommen auf die Landwirte zu?
Wegen der unterschiedlichen Ausrichtung und Größe der Höfe sind genaue Angaben schwierig. Jörg Schäfer aus Osthessen sagte auf der Berliner Demo, ein Ende der Erleichterung koste seinen Betrieb mit 130 Kühen und 200 Hektar Ackerland monatlich 1100 bis 1300 Euro. „Das ist so nicht hinnehmbar.“
Hubert Heigl, Präsident des Ökoanbauverbands Naturland, rechnet für seinen Hof laut „Spiegel“ jährlich mit 3000 Euro Mehrkosten durch den Wegfall der Dieselunterstützung und 4500 Euro durch den Wegfall der KfZ-Steuerbefreiung.
Die Kosten seien durchaus zu verkraften, meinen die Befürworter der Ampelpläne. Nach vielen schwachen Jahren hat sich die Ertragslage der Landwirtschaft in den vergangenen zwei Jahren deutlich verbessert, so der Bauernverband. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Betriebe auf das Rekordniveau von 115.400 Euro - ein Plus von 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Angesichts sinkender Preise für Getreide, Ölsaaten und Milch hatte sich der Bauernverband allerdings schon vor Bekanntwerden der Ampelpläne pessimistisch zu den weiteren Geschäftsaussichten geäußert. Zudem hätten die Landwirte in den schwachen Jahren zu wenig in den Strukturwandel investiert, so dass sich viele Ausgaben aufgestaut hätten, welche nun die Betriebe in den kommenden Jahren zusätzlich belasten würden.
4. Warum trifft die Landwirte so ein großer Anteil der Einsparungen?
Rund zehn Prozent der von der Bundesregierung geplanten Einsparungen betreffen Landwirte, rechnet Martin Häusling vor, der für die Grünen im Europaparlament sitzt. Sie bekämen aber weniger als anderthalb Prozent des Haushalts. „Ungerecht und unproduktiv“, nennt Hubert Heigl, Präsident des Ökoanbauverbands Naturland, deswegen die Pläne.
Greenpeace verweist hingegen darauf, dass Bauern bislang verglichen mit anderen Berufsständen viele Subventionen bekommen. Deshalb seien sie jetzt entsprechend mehr betroffen, sagt der Landwirtschafts-Experte des Umweltverbands Martin Hofstetter. Die Kürzungen würden nur rund fünf Prozent des gesamten Subventionsvolumens ausmachen: „Bei allem Verständnis für die Bäuerinnen und Bauern - staatlich verbilligter Agrardiesel ist teuer, klimaschädlich und gehört abgeschafft.“
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnt, dass das gleichzeitige Aus für die Kfz-Steuerbefreiung ein falsches Signal an einen Berufsstand sende, der unter enormen Veränderungsdruck stehe. Wichtig wäre nun etwa auch eine Förderung für den Umstieg auf alternative Antriebe.
5. Spart die Änderung CO2?
„Landwirtinnen und Landwirte können nicht einfach ihren Trecker stehen lassen und auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen“, sagt Bioland-Präsident Jan Plagge. Weil Felder bestellt und Tiere versorgt werden müssen, verteuere die Entscheidung zwar die Kosten der Landwirte und dadurch auch die Lebensmittelpreise, bringe dem Klima aber wenig. Kürzungen beim Dienstwagenprivileg sparten Bundesregierung mehr Geld und CO2.
Greenpeace-Experte Hofstetter widerspricht: Elektrische Traktoren gebe es bereits. Es sei richtig, dass die Bundesregierung Anreize schafft, diese stärker zu nutzen.
Theresa Schmidt, Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend (BDL), erinnert gegenüber „Phoenix“ allerdings daran, dass die Landwirte ihre Klimaziele bereits erreichen oder übererfüllen, im Gegensatz zu vielen anderen Branchen. Einige Bauern befürchten durch die Maßnahmen mehr CO2-Ausstoß: Verteuern sich deutsche Lebensmittel, importierten Handel und Industrie mehr aus dem Ausland. Längere Wege bedeuten mehr Klimagase.