Klimaanpassungsgesetz - Das rettende Klima-Gesetz für Städte - das sich keine Stadt leisten kann

Wie kann Klimaanpassung aussehen?

Welche genauen Maßnahmen vonnöten sind, schreibt das Gesetz zwar nicht vor, es gelten jedoch gewisse "Berücksichtigungsgebote“. Wie konkret Städte und Kommunen vorgehen, sollen sie aber individuell selbst analysieren und festlegen.

  • Hitze-Gebot: Es soll zum einen weniger Hitzespeicherung geben und zum anderen auf Bodenerosionen, den Grundwasserspiegel sowie den sogenannten Wärmeinsel-Effekt geachtet werden. Dieser entsteht in städtischen Gebieten durch die hohe Wärmespeicherfähigkeit von Gebäuden und Asphalt sowie durch die geringere Verdunstung, was zu höheren Temperaturen im Vergleich zum Umland führt.

  • Anpassungs-Maßnahme: Eine dafür nützliche Klimaanpassungs-Maßnahme ist die Begrünung von Straßen und Fassaden oder jene Maßnahmen, die zu mehr Schatten- und Wasserstellen sorgen. 

  • Hochwasser-Gebot: Länder und Kommunen, welche besonders anfällig für Überflutung oder Überschwemmung bei Starkregen und Hochwasser sind, sollen sich laut dem KAnG „im Rahmen einer wassersensiblen Entwicklung“ besser gegen die Gefahren wappnen. 

  • Anpassungs-Maßnahme: Deshalb schreibt das Gesetz vor, dass „bereits versiegelte Böden, deren Versiegelung dauerhaft nicht mehr für die Nutzung der Böden notwendig ist […] wiederhergestellt und entsiegelt werden“. Genaue Vorgaben wie prozentuale Anteile unversiegelter Flächen fehlen der Vorschrift.

Zudem fordern Expertinnen und Experten weitere potenzielle Anpassungsmaßnahmen:

  • Flüsse renaturieren: Der Hydrologe Daniel Bachmann fordert, dass Flüsse renaturiert und so ausgebaut werden, dass sie mehr Wasser bei Starkregen aufnehmen können. Das heißt: mehr Überflutungsflächen, Polderflächen und weniger Hindernisse im Gewässer wie Brücken. Wo es die Topografie zulässt, können auch kontrollierte Rückhalteräume entlang des Flusses geschaffen werden, um die Hochwasserwelle zu kappen.
  • Klimaangepasstes Bauen: Bachmann mahnt außerdem, dass das Bauen in hochwassergefährdeten Gebieten anders gedacht werden müsse. Dabei gehe es nicht nur um den direkten Objektschutz mit Deichen oder die Erhöhung von Gebäuden. „Ideen gibt es viele“, so Bachmann, „sie alle umzusetzen ist natürlich nicht so einfach: Es braucht Zeit, Geld, Personal und manchmal scheitert es auch an gesellschaftlichen Einwänden“.

Jedoch wird das Gesetz auch von einigen Expertinnen und Experten kritisiert. Für Lukas Eiserbeck, Experte für Klimaanpassung des europäischen Zentrums für Wirtschaftsforschung Prognos, gehen die Vorgaben des KAnG nicht weit genug. Es sei lobenswert, dass sich der Bund durch das Gesetz in Sachen Klimaanpassung positioniert. Doch es fehle „die für die flächendeckende Anpassung notwendige Verbindlichkeit“. Diese entstehe erst dadurch, dass man die Klimaanpassung als Pflichtaufgabe einer jede Kommune festlege. Außerdem fordere Prognos zusätzliche Finanzierungsanreize sowohl für Länder und Kommunen als auch für private Akteure.

55 Milliarden Euro für Klimaanpassung: Das große Geld-Problem

Genau das ist das große Problem hinter der gigantischen Aufgabe für Landkreise, Städte und Kommunen: Ihnen fehlt oftmals das Geld, um die Maßnahmen umzusetzen, die Menschen und Gebäude vor Hitze oder Fluten schützen sollen. „Die Klimaanpassung wird zur kommunalen Daueraufgabe“, erklärte auch jüngst der Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Helmut Dedy, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Doch diese finanzielle Belastung müssen die Lokalen erst einmal stemmen.

Ihm zufolge schätzen Bund und Länder den Finanzbedarf für Klimaanpassungs-Maßnahmen bis 2030 auf insgesamt 55 Milliarden Euro und den Personalbedarf für die Umsetzung auf 16.200 Stellen. „Mit den bestehenden Förderprogrammen ist es unmöglich, diese nötigen Maßnahmen flächendeckend umzusetzen“, meint Dedy.

Das kritisiert auch Dr. Kay Ruge vom deutschen Landkreistag. Auf Anfrage von FOCUS online Earth mahnt er an, dass Kommunen schon jetzt finanziell und personell sehr ausgelastet seien. „Wo das Personal für die Umsetzung gewonnen werden kann, wer die angestrebten Maßnahmen bezahlt, ist mit dem KAnG und den jetzt folgenden Landesgesetzen nicht beantwortet“, so Ruge. Die genannten Förderprogramme reichen auch seiner Einschätzung nach nicht aus.

Länder und Kommunen sorgen sich um Finanzierung

Genau daran zweifelten auch die Länder und Kommunen gegenüber FOCUS online Earth. Aus Bremen heißt es, dass die Finanzierung durch den Bund in den letzten Jahren zwar deutlich erhöht worden sei, man sich jedoch neben der einzelnen Projektförderung auch eine dauerhafte Lösung wünsche. Ohne sie sei absehbar, dass eine alleinige Finanzierung durch Länder und Kommunen „nicht ausreichend sein wird“, meint die Sprecherin der Stadt.

In Sachsen-Anhalt sieht man zudem die „angespannte Haushalts- und Personallage in vielen Kommunen und Landkreisen“ als große Hürde. „In Kombination führt dies derzeit noch zu einer gewissen Zurückhaltung“, berichtet uns das Ministerium. Auch für die Beantragung und Inanspruchnahme von Fördermitteln bräuchte es Fachpersonal, welches vielerorts schlichtweg fehlt.

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Das Problem bei der Finanzierung liegt indes sogar im Grundgesetz. Gegenüber FOCUS online Earth erklärt eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums, dass die Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes besagt, dass "eine Finanzierung von Klimaanpassungs-Maßnahmen durch den Bund in der Breite der Länder und Kommunen finanzverfassungsrechtlich nicht zulässig" sei. 

Die Fördermaßnahmen des Bundes "erheben daher auch nicht den Anspruch, alle Kosten von Klimaanpassungs-Konzepten und deren Umsetzung in den Ländern und Gemeinden abzudecken". Der Bund leiste allerdings einen wichtigen Beitrag bei besonders modellhaften oder innovativen Klimaanpassungskonzepten mit dem "DAS-Förderprogramm" – kurz für die „Deutsche Anpassungsstrategie“. Die Mittel dafür stammen aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) der Bundesregierung.

Allerdings arbeiten das Bundesumweltministerium und die Länder im Rahmen der Umweltministerkonferenz daran, eine "Grundlage für eine dauerhafte gemeinsame Finanzierung der Klimaanpassung" zu schaffen, heißt es aus Berlin. 

Wie sich Länder und Kommunen bereits für die Klimakrise wappnen

Doch wie weit die Landkreise und Kommunen überhaupt in Sachen Klimaanpassungs-Maßnahmen sind, hat FOCUS online Earth erfragt und recherchiert. Dabei zeigte sich: Einige Regionen sind schon gut auf die Klimaanpassung vorbereitet.

  • Bremen: Die Hansestadt verfügt bereits seit 2018 über eine Klimaanpassungsstrategie, welche die Anforderungen des bald in Kraft tretenden KAnG erfüllen soll. Damit sollen etwa schattenspendende Bäumer besser geschützt, die Bodendiversität verstärkt und sich aufheizende Verkehrs- und Freiflächen reduziert werden. Auch möchte man die Dach- und Freiflächenbegrünung vorantreiben und Ableitungssysteme entlasten, etwa indem mehr Regenwasser durch vermehrte Entsiegelungen versickern kann. Eine Sprecherin der Stadt erklärt FOCUS online Earth, man habe sich aufgrund der „vielfältigen Klimafolgen“ für Bremen schon 2015 für eine solche Strategie entschieden. Das Gesetz der Bundesregierung hält die Stadt für „anspruchsvoll, aber sinnvoll und nachvollziehbar“.

  • Nordrhein-Westfalen verfügt seit 2021 nicht nur über eine Strategie, sondern auch über ein eigenes Klimaanpassungs-Gesetz. Dazu gehört, dass die öffentliche Verwaltung und Landesregierung dazu verpflichtet seien, „Klimafolgen bei allen Planungen und Entscheidungen zu berücksichtigen“, so das Land NRW. Der Plan umfasst unter anderem das auch vom KAnG vorgeschriebene Klimafolgen- und Anpassungsmonitoring, den Ausbau grüner Infrastruktur, neue Wasserkonzepte, die Entsiegelung von Schottergärten sowie mehr Dach- und Fassadenbegrünungen.

  • In Sachsen-Anhalt gibt es seit 2010 eine landesweite Klimaanpassungs-Strategie. So sieht sich das Bundesland auf unsere Nachfrage hin „gut aufgestellt“, macht aber auch deutlich, dass eine finanzielle Förderung von Seiten des Bundes „zwingend notwendig“ sei.
  • Seit März arbeitet auch der Landkreis München aktiv zusammen mit 27 seiner 29 Kommunen an einer „Klimafolgenanpassungs-Strategie“. Diese soll die Anforderungen des KAnG erfüllen, ist derzeit aber noch in Arbeit – planmäßig bis Ende 2025. Gemäß den Vorgaben soll das Konzept auch eine Betroffenheitsanalyse sowie einen „Maßnahmenkatalog“ umfassen. Auch die Gemeinde Unterföhring nimmt an der Strategieentwicklung des Landkreises München teil. Bereits im Jahr zuvor beschloss die lokale Regierung, einen Hitzeaktionsplan aufzustellen. Dieser solle unter anderem ein Verschattungskonzept, hitzebeständige Straßen und öffentliche Trinkwasserspender beinhalten.

Die finanzielle Ungewisse der Klimaanpassung

Obgleich einige Länder und Kommunen bereits gut vorbereitet sind oder zumindest aktiv an ihrer Klimaanpassung arbeiten, zweifeln bisweilen viele Landkreise und Fachleute an der dauerhaften Finanzierung der wichtigen Klimaanpassungs-Maßnahmen. Ob sich die nun zu entwerfenden Anpassungsstrategien tatsächlich verwirklichen lassen und sich die Lebensqualitäten in den Städten so verbessern lassen, bleibt in Zukunft also eine Frage des Haushalts - egal ob auf Bundes- oder Landesebene. Derweil verdeutlicht die steigende Zahl der Hitze- und Flutopfer, wie wichtig die Klimaanpassung für die Zukunft ist.