Renten-Rumms: Merz-Koalition kippt überraschend Zugeständnis – Rebellen empört

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Lange hatte die Fraktionsspitze um eine Zustimmung der Jungen Gruppe für das Rentenpaket geworben. Jetzt kippt die Fraktion das einzige Zugeständnis an die jungen Abgeordneten.

Berlin – Die Unionsfraktion vollzieht beim Streit um das Rentenpaket eine überraschende Wende. Ein Entschließungsantrag über das zeitnahe Einsetzen einer Rentenkommission soll nicht wie geplant am Freitag vom Bundestag verabschiedet werden. Damit kippt die Fraktionsführung auf den letzten Metern genau den Punkt, der von Kanzler Friedrich Merz (CDU) als Zugeständnis an die Rentenrebellen der Junge Gruppe verkauft wurde. Unter den jungen Abgeordneten macht sich Unverständnis breit.

Johannes Winkel (CDU), Vorsitzender der Jungen Union und Mitglied der Jungen Gruppe steht nach der Fraktionssitzung im Bundestag im Aufzug.
Johannes Winkel (CDU), Vorsitzender der Jungen Union und Mitglied der Jungen Gruppe steht nach der Fraktionssitzung im Bundestag im Aufzug. © Michael Kappeler/dpa

Ein solcher Antrag sei nicht vorgesehen, zitiert der Spiegel einen Fraktionssprecher. Dieser betonte jedoch weiter, dass die Rentenkommission unabhängig davon noch im Dezember eingesetzt werden soll und sich an dem Auftrag orientieren soll, den der Koalitionsausschuss in der vergangenen Woche festgelegt hatte. „Eine Beschlussfassung des Bundestages braucht es dazu nicht.“ Der Schritt sorgt jedoch vor allem unter den jungen Abgeordneten für Unverständnis. Ein namentlich nicht genanntes Mitglied der Jungen Gruppe zeigte sich gegenüber dem Spiegel „fassungslos“. „Ich bezweifle, dass es klug ist, die eigenen Leute auch noch zu demütigen“, zitiert auch der Stern einen Abgeordneten.

Renten-Streit in der Union – Fraktion kippt Zugeständnis an Junge Gruppe

Zur Erinnerung: Bundeskanzler Merz hatte vor knapp zwei Wochen erstmals öffentlich vorgeschlagen, man könne das zeitnahe Einsetzen einer Rentenkommission in einem Begleittext des Rentenpakets festhalten. Der Vorstoß des CDU-Chefs kam am Tag nach seinem verkorksten Auftritt auf dem „Deutschlandtag“ der Union, bei dem Merz vor allem Schweigen für seine Renten-Position erhielt. Mit dem Begleittext strecke der Kanzler den jungen Abgeordneten die Hand aus. Das Rentenpaket müsse zwar mit Blick auf die SPD in seiner jetzigen Form verabschiedet werden, doch die Rentenkommission solle für einen zeitnahe Reform sorgen.

Auch wenn die Junge Gruppe ihre Blockadehaltung infolge der Ankündigung des Kanzlers nicht aufgab, blieb ein möglicher Erschließungsantrag zur Rentenkommission der einzige zählbare Erfolg der jungen Abgeordneten im Streit mit der Fraktionsführung. Mit der Ankündigung vom Mittwoch wird dieser ebenfalls einkassiert. Die Junge Gruppe soll also der Reinform des Rentenpakets zustimmen, wegen der sie ihre Blockadehaltung überhaupt erst entwickelt hatten.

Die Union versucht derweil die Entscheidung herunterzuspielen und betont, der Auftrag an die Kommission wird genau so formuliert, wie im Koalitionsausschuss festgehalten. Das meldet der Stern. Auch die SPD sieht keinen Grund zur Aufregung: „Die Rentenkommission wird ja ohnehin vom Kabinett eingesetzt. Dafür ist der Beschluss des Koalitionsausschusses ausreichend und es braucht im Plenum nicht extra noch einen Entschließungsantrag“, zitiert die Zeit Dirk Wiese, den parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Demnach soll die Rentenkommission auch alle Prüfaufträge erhalten, auf die sich die Vertreter von Union und SPD geeinigt hatten – also auch den umstrittenen Punkt zur Prüfung „weiterer Einkunftsarten“ für die Finanzierung der Rente.

Union gegen Entschließungsantrag zur Rentenkommission – doch strittiger Prüfauftrag soll bleiben

Dieser hatte auch innerhalb der Union für Kritik gesorgt, da unter der Formulierung auch Kapitalerträge oder Mieteinnahmen verstanden werden können. Es soll also geprüft werden, ob künftig auch auf Aktienverkäufe oder Dividenden Rentenbeiträge anfallen könnten. Eine erhebliche Mehrbelastung für Investoren, die bislang nur knapp 26 Prozent Kapitalertragssteuer auf ihre Gewinne zahlen müssen. Für Aufsehen sorgte der Prüfauftrag auch deshalb, weil die Union noch im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2025 Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck für einen ähnlichen Vorschlag massiv kritisiert hatten. Habeck hatte sich im Januar dafür ausgesprochen, Sozialabgaben auf Kapitalerträge zu erheben, um die Finanzierung der Krankenkassen zu unterstützen.

Kritik an dem Modell zur Rentenfinanzierung kommt derweil von Experten. Die dadurch erzielbaren Mehreinnahmen wären verschwindend gering, warnt Joachim Ragnitz von der Niederlassung des ifo Instituts in Dresden laut dem Versicherungsboten. Bei dem Punkt handelt es sich jedoch erst einmal nur um einen Prüfauftrag. Die Rentenkommission soll also erst einmal nur prüfen, ob „weiterer Einkunftsarten“ zur Finanzierung der Rente herangezogen werden könnten.

Renten-Affront gegen Junge Gruppe? Linke könnte Merz und Spahn Mehrheit sichern

Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) und Kanzler Merz müssen sich trotz des erneuten Affronts gegen die Junge Gruppe aber offenbar keine Sorgen um eine Mehrheit für das Rentenpaket im Bundestag machen. Die Linksfraktion kündigte am Mittwoch an, sie werde sich bei der Abstimmung über das Vorhaben am Freitag enthalten. Damit würde die nötige Mehrheit für die Annahme rechnerisch von 316 Abgeordneten auf nur noch 252 sinken. Folglich könnte das Rentenpaket selbst bei dutzenden Abweichlern in der schwarz-roten Regierungsmehrheit durchgehen.

Ob das Vorgehen der Unions-Fraktionsführung gegen die Junge Gruppe weitere Auswirkungen hat, werden wohl erst die kommenden Wochen zeigen. Denn auch bei künftigen Gesetzesvorhaben ist die schwarz-rote Regierungskoalition wegen ihrer knappen Mehrheit im Bundestag auf die Stimmen der Jungen Gruppe angewiesen. (fdu)