Vorwürfe gegen Habeck-Ministerium: Mitarbeiter soll Bedenken an Atomausstieg ignoriert haben

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Nachdem Habecks Ministerium interne Dokumente offenlegen musste, kamen neue Details ans Licht. Beschuldigt wird besonders ein Ex-Mitarbeiter.

Berlin – Rund ein Jahr ist es her, dass die letzten Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz genommen wurden. Kritik wurde bis zur letzten Minute laut und die Entscheidung der Ampel infrage gestellt – auch aus der FDP. Der Vorwurf, die Entscheidung sei aus ideologischen Gründen getroffen worden, ging besonders an das von Grünen-Minister Robert Habeck geführte Wirtschafts- und Klimaministerium. Auch nachdem die letzten Kraftwerke, Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg vom Netz gegangen waren, ist die Debatte weitergegangen.

Nun gibt es neue Informationen über den Entscheidungsprozess innerhalb des Ministeriums. Einem Bericht des Magazins Cicero zufolge sollen wichtige Mitarbeiter von Habeck und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) interne Bedenken gegen den Sinn eines fristgerechten Atomausstiegs unterdrückt haben. Bislang hatte sich das Wirtschaftsministerium der Herausgabe betreffender Dokumente verweigert. Nach erfolgreicher Klage des Magazins musste Habecks Ministerium die Dokumente über den Entscheidungsprozess jedoch herausgeben.

Ehemaliger Staatssekretär soll Habeck Informationen zum Atomausstieg vorenthalten haben

Mitarbeiter des Wirtschaftsministers sollen in einem Vermerk im März 2022 dazu geraten haben, die Möglichkeit einer Laufzeitverlängerung der verbleibenden Kraftwerke unter bestimmten Umständen zu prüfen. Es soll in der Anmerkung um die mögliche Prüfung einer Laufzeitverlängerung bis zum folgenden Frühjahr gegangen sein, berichtete die dpa. Dieses Dokument soll laut Angaben des Ministeriums nur dem früheren Staatssekretär Patrick Graichen vorgelegen haben.

Berlin, Deutschland, 11.04.2024: Deutscher Bundestag: 163. Bundestagssitzung: Wirtschaftsminister Robert Habeck, Grüne,
Das Wirtschafts- und Umweltministerium unter der Leitung von Bundesminister Robert Habeck steht erneut aufgrund des Atomausstieges in der Kritik (Archivbild) © IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Habeck soll die Empfehlung, die Laufzeitverlängerung der noch aktiven Atomkraftwerke zu prüfen, laut Ministerium nicht erreicht haben. Die Empfehlung soll laut Ministerium jedoch in einen später veröffentlichten Prüfvermerk eingeflossen sein.

Vorwürfe gegen Habecks ehemaligen Staatssekretär Graichen

Graichen wurde im Mai 2023 in den einstweiligen Ruhestand versetzt, nachdem ihm Vetternwirtschaft vorgeworfen worden war. Der Wirtschaftsstaatssekretär hatte an der Neubesetzung des Spitzenpostens der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur mitgewirkt. Dass die Neubesetzung des Postens, der Grünen-Politiker Michael Schäfer, Graichens Trauzeuge gewesen war, hatte der Staatssekretär zunächst nicht mitgeteilt. Habeck begründete die Entscheidung, seinen ehemals Vertrauten in den Ruhestand zu schicken, mit einem Verstoß gegen interne Compliance-Regeln. Im Rahmen der Vorwürfe gegen Graichen hat auch Wirtschaftsminister Habeck in der Kritik gestanden.

Laut dem Bericht über den Atomausstieg sollen Graichen und Stefan Tidow, Staatssekretär im Umweltministerium, über E-Mails in ständigem Austausch gestanden haben und sich „mehr miteinander als mit ihrem Ministerium“ abgesprochen haben. „Fachliche Argumente“, die gegen den Atomausstieg gesprochen haben sollen, „sollten gar nicht erst bekannt werden“, schreibt Cicero. Die Argumente für die Laufzeitverlängerung sollen demzufolge offen gelegen haben, Habeck aber vorenthalten worden sein. Aus den Dokumenten sollen weitere Beispiele darüber hervorgehen, wie Informationen gegenüber dem Minister zurückgehalten worden seien.

Empfehlungen von Fachleuten sollen auch im Umweltministerium zurückgehalten worden sein

Laut Cicero-Bericht soll auch der Abteilungsleiter für Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz im Umweltministerium, Gerrit Niehaus, in die Verhüllung der Bedenken am Atomausstieg verwickelt gewesen sein. Niehaus soll demnach einen Vermerk von Fachleuten aus seinem Team umgeschrieben haben. Die Fachleute sollen in einem ersten Vermerk dafür argumentiert haben, dass der Weiterbetrieb der damals noch laufenden Atomkraftwerk über mehrere Jahre „mit der Aufrechterhaltung der nuklearen Sicherheit vereinbar“ gewesen sein soll.

Die Empfehlung des Leiters soll stattdessen gelautet haben, „dass die Verlängerung der Laufzeit der drei noch laufenden Atomkraftwerke über den gesetzlich festgelegten und planerisch zugrunde gelegten 31.12.2022 hinaus sicherheitstechnisch nicht vertretbar ist“.

Kritik an Atomausstieg im Jahr 2023 vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges

Hintergrund der hitzigen Debatte um die Abschaltung der letzten Kraftwerke war der Ukraine-Krieg und die befürchtete Energieknappheit in Deutschland. Damals wurde darüber diskutiert, wie Deutschland sich weitestgehend ohne russisches Gas mit Energie versorgen kann. Das Thema Atomkraft wurde in dieser Zeit von Teilen der politischen Landschaft neu bewertet. Kritiker der Entscheidung der Ampel, die letzten Atomkraftwerke im Frühjahr 2023 abzuschalten, forderten die weitere Verlängerung der Laufzeit.

Vorwürfe gegen Habecks Ministerium: „Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung manipuliert“

Das Magazin Cicero kommt mit Blick auf die Dokumente aus dem Ministerium zu dem Schluss, „einflussreiche Netzwerke der Grünen haben die Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke ganz offenbar manipuliert“. Fachleute sollen in der Entscheidung zu wenig Gehör gefunden haben. Somit liegt der Vorwurf erneut auf dem Tisch, Beteiligte an der Entscheidung des Atomausstiegs, sollen nicht auf Basis von Fakten, sondern aus ideologischen Motiven gehandelt haben. Das Wirtschaftsministerium weist Berichten der dpa zufolge die Darstellung zurück. (pav, mit Informationen der dpa)

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