Gastbeitrag von Martina Lackner - Deutschland ist gespalten wie nie: Drei Reform-Ideen für mehr Vertrauen in Demokratie


Psychologische Unsicherheit: Die Angst vor der Zukunft

In Deutschland streiten die Parteien über Themen wie das Bürgergeld, Migration, Energiepreise und den Wirtschaftsstandort. Dabei werden scheinbare Nebenschauplätze zu medialen und politischen Hauptthemen stilisiert, um den Wählerwillen zu bedienen.  Friedrich Merz hat beispielhaft demonstriert, wie ein Thema – die Migrationspolitik – zum zentralen Wahlkampfinstrument gemacht wird, während essenzielle Fragen zur wirtschaftlichen Zukunft Deutschlands kaum Beachtung finden.

Auf einer tieferen, psychologischen Ebene haben viele Menschen Angst, abgehängt zu werden: Die rasanten technologischen Entwicklungen, die Unsicherheiten des Arbeitsmarktes und die multiplen Krisen – von der Corona-Pandemie über Putins Angriffskrieg bis hin zu Trumps jüngsten Zollankündigungen – schüren Zukunftsängste. Diese Angst lähmt und aktiviert alte Verhaltensmuster: das Festhalten an Gewohntem, an alten Strukturen und Regularien. Gleichzeitig führt Angst dazu, dass Menschen konservative, traditionelle und rechtsextreme Parteien wählen. Der Erfolg der AfD lässt sich genau dadurch erklären: Sie bietet scheinbar starke, wenn auch stark vereinfachte und oft aggressive Antworten auf komplexe Probleme.

Im Gegensatz dazu fordern liberale und progressive Konzepte mehr Eigenverantwortung – doch genau das überfordert viele. Woke und linksliberale Ideen geben keine einfache Orientierung, sondern verlangen individuelle Anpassung. In Zeiten existenzieller Unsicherheit sehnen sich Menschen jedoch nach klaren Strukturen und einfachen Erklärungen.

Reformbedarf: Mehr psychologische Sicherheit und Bürgerbeteiligung

Gesellschaftlicher Wandel und technologische Umbrüche erfordern vor allem eines: psychologische Sicherheit. Menschen brauchen das Gefühl der Zugehörigkeit, das Erleben von Mitbestimmung und die Gewissheit, ernst genommen zu werden. Doch genau dieses Mitspracherecht ist in der gegenwärtigen Demokratie kaum noch spürbar.

Ein Beispiel dafür ist Angela Merkels berühmter Satz: „Wir schaffen das.“ Dieses Mantra vermittelte zwar Zuversicht, doch gleichzeitig nahm es den Bürgern jede Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung. Politik wurde zum Verwaltungsapparat, der Entscheidungen „für“ statt „mit“ den Menschen traf.

Heute, da billiges Gas nicht mehr unbegrenzt verfügbar ist und China mithilfe westlicher Technologie selbst zum Wirtschaftsriesen aufsteigt, fehlt es Deutschland an Resilienz, Krisenmanagement und Innovationskraft. Diese Fähigkeiten wurden nicht gefördert – stattdessen ist ein Gefühl der Ohnmacht entstanden.

Der politische und gesellschaftliche Diskurs ist zunehmend von Abwertung, Respektlosigkeit und Hass geprägt. Destruktive Kommunikationsmuster dominieren – sowohl innerhalb der Regierung als auch in der Bevölkerung.

Drei Reform-Ideen für mehr Vertrauen in unsere Demokratie

Um das Vertrauen in die Demokratie zurückzugewinnen, braucht es strukturelle Reformen:

  • Mehr direkte Demokratie, etwa durch Volksabstimmungen und Bürgerbeteiligung.
  • Politische Diskussionsrunden, in denen Bürger und Politiker auf Augenhöhe debattieren.
  • Eine stärkere Integration von Experten und Unternehmern in Regierungsfunktionen, um praxisnahe Entscheidungen zu fördern.

Vielleicht ist das bestehende Parteiensystem tatsächlich überholt. Berufspolitiker repräsentieren oft nur Teilaspekte gesellschaftlicher Haltungen – doch für eine tragfähige Zukunft braucht es eine verbindende Klammer, die alle Perspektiven integriert.

Rückkehr zur Eigenverantwortung und die Gefahr des Wahlbetrugs

Gelingt dieser Wandel nicht, wird der Zulauf zu rechtsextremen Strömungen weiter zunehmen. Diese Bewegungen bieten – sei es aus Verzweiflung oder Überzeugung – scheinbare psychologische Sicherheit, indem sie klare Feindbilder und einfache Lösungen präsentieren.

Für manche Menschen bedeutet diese Ideologie eine Form von Macht: eine Macht, die sie in einer offenen, liberalen Gesellschaft möglicherweise nie so schnell erlangt hätten.

Jede Politik lebt vom Geschäft mit der Hoffnung. Die Hoffnung, dass es dem Wähler besser gehen wird, wenn er nur die „richtige“ Wahl trifft. Auch Olaf Scholz hat dies sinngemäß formuliert. Doch psychologisch betrachtet ist diese Hoffnung oft eine Illusion – eine Manipulation, die emotionale Abhängigkeiten schafft, um Macht zu sichern.

Denn keine einzelne Partei kann die gesellschaftliche Spaltung überwinden. Die Vorstellung, dass die bevorstehende Wahl den gefühlten Stillstand plötzlich beenden wird, ist eine trügerische Erwartung.

Letztlich müssen die Menschen erkennen, dass Politik nur einen Rahmen setzen kann. Die Verantwortung für Sinn, Glück und Wohlstand liegt bei jedem Einzelnen. Demokratie bedeutet nicht, passiv auf eine bessere Zukunft zu warten – sondern aktiv daran mitzuwirken.

Können wir wieder zu alter Stärke zurückfinden?

Deutschland hat in der Vergangenheit bewiesen, dass es Krisen bewältigen kann. Doch die Voraussetzung dafür ist, dass Bürger und Politiker gleichermaßen Verantwortung übernehmen.

Ich bin überzeugt: Deutschland kann es. Aber nur, wenn wir alle bereit sind, unseren Beitrag zu leisten.