„Patrioten der neuen Generation“ - „Sammle die Munition ein“: Putin treibt Kinder zu bizarren Kriegs-Spielen

„Dascha, wo zielst du denn mit deiner Waffe hin? Bald passiert noch ein Unfall. Ich werde jetzt richtig böse!“ So klingt es, wenn kleine Kinder in Russland für den Krieg ausgebildet werden. Dascha ist ein ungefähr 8-jähriges Mädchen in Uniform und mit rotem Barret. In der Hand trägt sie eine Waffe, die fast so groß ist, wie sie selbst. Das kleine Mädchen ist Teil von Russlands Jugendarmee Junarmija– und bekommt von ihrer Ausbilderin Olga Sachran gerade das Töten gelehrt. So zeigt es eine geheim gedrehte TV-Doku des „ZDF“.

Laut eigenen Angaben gehören 1,3 Millionen Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 18 Jahren der 2016 gegründeten Junarmija an. Diese Organisation steht unter der Leitung des russischen Verteidigungsministeriums und verfolgt das Hauptziel, Kinder und Jugendliche zu paramilitärischen Kräften auszubilden. Kritiker befürchten laut des ZDF-Beitrags, dass viele von ihnen in zukünftigen Kriegen Russlands eingesetzt werden könnten – möglicherweise als Kanonenfutter. Vorher lernen sie in der Junarmija Messer und Granaten zielsicher zu werfen und Schusswaffen im Eiltempo zusammenzubauen.

Wir spielen: „Sammle die Munition ein“

Zwar können sich die Erziehungsberechtigten immer noch dagegen verweigern, ihre Kinder in die russischen Jugendarmee zu schicken – die Militarisierung der russischen Kinder und Jugendlichen geht aber weit über die Junarmija hinaus: Denn schon im Kindergarten wird laut eines Berichts des Redaktionsnetzwerks Deutschland damit angefangen.

So habe im Kindergarten Planeta detstwa, zu deutsch „Planet der Kindheit" in Ujar bei Krasnojarsk die jüngste Gruppe Ende Februar den Tag der Vaterlandsverteidiger gefeiert: „Die Kinder sagten mit Liebe, Hingabe und Stolz Gedichte über Vaterlandsverteidiger auf, sangen das Lied ‚My soldaty, brawyje rebjata‘, zu deutsch „Wir Soldaten, tapfere Burschen“ und spielten mit den Vätern die Spiele ‚Maskirowka‘ (Tarnung), undSoberi bojepripassy‘, (‚Sammle die Munition ein‘)“, schwärmte die Kindergartenleitung im sozialen Netzwerk VKontakte.

In den Schulen beginnt außerdem seit dem 1. September 2022 jeder Montag mit den sogenannten „Gesprächen über Wichtiges“. In halbstündigen Diskussionen sollen die patriotischen Gefühle der Mädchen und Jungen angeregt werden, wie die Mathematiklehrerin Mathematik-Lehrerin aus Tatjana Tscherwenko aus Moskau dem ZDF berichtete: „Ich habe gesehen, worum es bei diesen Gesprächen über 'Wichtiges' geht. Zum Beispiel um die 'Spezialoperation'. Neunjährige Kinder wurden darauf einstimmt, dass es gar nicht schlimm sei, für die Heimat zu sterben", kritisierte Tscherwenko hier. Oft gehe diesen Gesprächen eine kleine Mini-Parade voraus, wo Schülerinnen und Schüler aus der Junarmija aufmarschierten und die russische Flagge hissten.

Kampftaktiken und Schießübungen

Auch der Unterricht ist in Russland seit Beginn des Krieges mit zahlreichen militärischen Übungen gespickt. So berichten Russische Medien, dass Kriegsteilnehmer, darunter verurteilte Mörder und Sexualstraftäter, in Schulklassen auftreten und „Lektionen in Mut“ erteilen. In sozialen Netzwerken kursieren Bilder die zeigen, wie Schülerinnen und Schüler im Unterricht schusssichere Westen anprobieren. Eine Mutter aus Moskau berichtet, ihre Tochter habe kürzlich – wenig begeistert – eine Gasmaske zum Training tragen müssen.

Außerdem gibt es laut Informationen der „FAZ“ im ganzen Land immer mehr Trainingslager für Kinder und Jugendliche, wo diese nicht nur trainieren, sondern auch Grundlagen einer militärischen Ausbildung absolvieren müssen. Auf den Webseiten von Kinderlagern sollen die Ferienangebote häufig mit Fotos von Kindern in Tarnkleidung bebildert sein.

Die Programme für Kinder im Alter von sieben bis siebzehn Jahren umfassen Kampftaktiken, Schießübungen, Ingenieur- und Überlebenstraining sowie Grundlagen der Kampfkunst und medizinischer Versorgung bei Verletzungen. Außerdem finden patriotische Gesangswettbewerbe statt, historische Schlachten werden nachgestellt und Manöverspiele durchgeführt. Im Gesundheitszentrum „Ogonjok“ in Ulan-Ude, Burjatien, werden die Kinder von Lehrkräften einer Polizeischule aus Tschetschenien „patriotisch“ unterrichtet.

„Unverzeihliche Verletzung“ von Kinderrechten

„Putin hat die Aufgabe erteilt, eine neue Generation an Patrioten heranzuziehen - wir erfüllen das“, sagte Igor Worobjow, Direktor des Zentrums für militärisch-sportliche Ertüchtigung und patriotische Erziehung der Jugend „Woin“ in Wolgograd (früher Stalingrad) berichtet die „dpa“. Die Zielgruppe: Schüler und Studenten, 14- bis 35-Jährige. Vor allem gehe es darum, die jungen Patrioten gut auf den Kriegsdienst vorzubereiten, so Worobjow.

Für Dascha und ihre Altersgenossen scheint das Spielen mit Puppen oder Autos nun also immer öfter dem Training an der Waffen zu weichen– mit schwerwiegenden Folgen, wie die Menschenrechtlerin Walentina Melnikowa in der „Süddeutschen Zeitung“ konstatiert: „Der Versuch, Kinder zu militarisieren, stellt eine unverzeihliche Verletzung ihrer Rechte dar.“