Bei PSG trauert keiner den drei großen Superstars nach
Neymar, Lionel Messi und Kylian Mbappé sind weg und plötzlich gewinnt PSG die Champions League. Über eine beachtliche Entwicklung eines Teams.
München/Paris – Das lange Warten hat für Paris Saint-Germain am vergangenen Samstagabend in München ein Ende genommen: Mit einem imposanten 5:0-Sieg über Inter Mailand hat PSG sich erstmals in seiner Vereinsgeschichte den Champions-League-Titel gesichert!
14 Jahre ist es inzwischen her, da stieg die katarische Investorengruppe Qatar Sports Investments bei Paris Saint-Germain ein. Seither hat PSG rund 2,3 Milliarden Euro an Transferausgaben verbucht.
2017 aktivierte PSG die Ausstiegsklausel von Neymar beim FC Barcelona und zahlte 222 Millionen Euro. Bis heute ist Neymar der teuerste Transfer aller Zeiten. Im selben Sommer verpflichteten die Pariser Kylian Mbappé von der AS Monaco, für das Ausnahmetalent flossen 180 Millionen Euro. Vier Jahre später kam auch noch Lionel Messi nach seinem Abschied vom FC Barcelona ablösefrei hinzu.
PSG ging es lange Zeit primär um große Namen
Jahrelang kaufte PSG um Präsident Nasser Al-Khelaifi nach vermeintlichem Prestige ein, schmückte sich vielmehr mit klangvollen Namen denn mit Harmonie im Team. Der Schuss ging nach hinten los.

Das Verhältnis zwischen Neymar und Mbappé galt als angespannt. Mbappé sei für PSG zwar „enorm wichtig“ gewesen, schilderte Neymar nach seinem Abgang im Podcast mit Brasilien-Ikone Romário erst vor wenigen Monaten. Trotzdem habe er „Probleme“ mit Mbappé gehabt. „Wir hatten einen kleinen Streit.“
Große Egos, keine Harmonie bei PSG war einmal
Neymars Ansicht nach sei Mbappé nach Messis Ankunft in Paris „eifersüchtig“ gewesen. Gemeinsam scheiterten Neymar, Mbappé und Messi mit PSG zweimal im Achtelfinale der Champions League, einmal an Real Madrid, das andermal am FC Bayern. Der große Wurf, der ersehnte Henkelpott, blieb aus.
„Es ist gut, wenn man Egos hat“, stellte Neymar klar: „Aber du musst wissen, dass du nicht alleine spielst. Du musst immer jemanden an deiner Seite haben, der sich unterstützt. Wenn überall zu große Egos sind, dann funktioniert es nicht. Wenn niemand rennt und niemand hilft, dann ist es unmöglich, zu gewinnen.“
Neymar verließ PSG 2023 für 90 Millionen Euro gen Al-Hilal nach Saudi-Arabien, inzwischen ist er zurück bei seinem Jugendklub FC Santos in Brasilien. Messi verabschiedete sich im selben Sommer in Richtung Inter Miami in die USA. Mbappé erfüllte sich mit dem ablösefreien Wechsel 2024 zu Real Madrid einen Kindheitstraum. Und plötzlich scheint es besser zu laufen beim französischen Nobelklub.
PSG ist „jetzt ein Team“
„Die größte Veränderung zu vorher ist, dass wir jetzt ein Team sind. Wir laufen füreinander, wir sind wie eine Familie“, schwärmte Rechtsverteidiger Achraf Hakimi nach dem 1:0-Sieg im Halbfinal-Hinspiel der Champions League gegen Arsenal beim TV-Sender CBS Sports.

Torhüter Gianluigi Donnarumma meinte bei Prime Video: „Der Spirit hat sich bei uns verändert. Wir treten jetzt viel mehr als ein Team auf. Wir spielen füreinander.“ Die Mannschaft stünde „eng zusammen“, so Donnarumma, „das macht in jedem Team den Unterschied.“
Luis Enrique als Architekt des Erfolgs
Für den Unterschied hat bei PSG vor allem einer gesorgt: Luis Enrique ist es gelungen, eine homogene Truppe zu formen, die füreinander kämpft und rennt. Der 55-Jährige ist seit 2023 Trainer in Paris, zuvor betreute er bereits die spanische Nationalmannschaft und den FC Barcelona.
Emmanuel Petit, Frankreichs Weltmeister von 1998, befand gegenüber der spanischen Sportzeitung Marca: „Seit er da ist, besonders in den letzten Monaten, hat sich die Stimmung komplett gedreht.“ Zuvor sei es „jahrelang“ bei PSG „nur eine Show“ gewesen.
„Die Idee des Jahrhunderts“ mit Dembélé
Luis Enrique gilt als einer der besten Coaches seiner Generation, diesen Ruf hat er bei PSG bestätigt. Nicht zuletzt dadurch, den Abgang von Mbappé und damit den des letzten Superstars im Bunde adäquat kompensiert zu haben. Denn: Luis Enrique hat eine taktische Veränderung im Spiel von PSG vorgenommen, die von manchen Beobachtern als Meisterleistung tituliert wird.
Und zwar hat Luis Enrique den gelernten Flügelspieler Ousmane Dembélé zu einem Mittelstürmer umfunktioniert – und das mit beachtlichem Erfolg. Dembélé, der jahrelang als schwieriger Charakter galt und immer wieder für Eskapaden sorgte, ist mittlerweile Paris‘ größter Hoffnungsträger.
Der französische Nationalspieler trifft für PSG wie am Fließband, dass er nun im Zentrum agiert, kommt ihm dabei zugute. Jean-Louis Gasset, Trainer von Ligue-1-Konkurrent HSC Montpellier, lobte unlängst: „Unglaublich, Dembélé als Nummer 9 ist die Idee des Jahrhunderts, und das ist alles eine Frage des Trainers. Paris scheint heute unschlagbar zu sein, sie sind allen anderen überlegen.“
Bei PSG steht inzwischen das Kollektiv im Fokus
Doch nicht nur Dembélé, der als bester Spieler der Champions-League-Saison ausgezeichnet wurde, präsentiert sich in Top-Form. Auch Donnarumma glänzt, dasselbe gilt etwa für Angreifer und Neuzugang Désiré Doué, an dem im vorigen Sommer auch der FC Bayern dran war und der im Champions-League-Finale mit zwei Toren zum „Man of the Match“ avancierte.
Aber auch die anderen Stürmer Bradley Barcola und Gonçalo Ramos, die Mittelfeldspieler Vitinha, Fabián Ruiz und João Neves sowie die Defensive um Hakimi, Nuno Mendes, den Ex-Frankfurter Willian Pacho und Kapitän Marquinhos sind zu nennen.
Inzwischen stehen bei PSG nicht mehr einzelne Superstars im Fokus, sondern eine funktionierende Einheit steht im Rampenlicht. „Das Wichtigste ist, dass PSG nicht nur aus Dembélé besteht, sondern als Team auftritt“, meint auch Petit.
Der Architekt des Erfolgs ist und bleibt Luis Enrique. „Er leistet einen fantastischen Job“, so Hakimi. „Er hat ein richtig gutes Team geschaffen.“
PSG gewinnt das Triple – folgt die Klub-WM?
Ein Team, das sich nicht nur den Meistertitel in Frankreich gesichert hat, sondern obendrein auch noch den Coupe de France sowie die Champions League und damit das Triple besiegelt hat.
Mit der FIFA Klub-Weltmeisterschaft können die Pariser darüber hinaus einen weiteren renommierten Preis gewinnen. Beim Turnier in den USA geht es für den französischen Rekordmeister in der Gruppenphase zunächst gegen Atlético Madrid (15. Juni, 21 Uhr), Botafogo aus Brasilien (20. Juni, 3 Uhr) sowie die MLS-Franchise Seattle Sounders (23. Juni, 21 Uhr).
Wie weit PSG kommen wird und ob es am Ende für den Titel reicht? Die Chancen scheinen jedenfalls so gut zu sein wie nie zuvor!