Zahl der Rückrufe könnte durch neue EU-Richtlinie stark abnehmen

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Die EU verschärft die Regeln zur Haftung bei Rückrufen. Experten befürchten jedoch, dass sich die Maßnahme als zweischneidiges Schwert entpuppt.

München – Nahezu im Tagesrhythmus rufen Unternehmen Ware zurück. Egal ob es wegen gefährlicher Bakterien auf Käse, Salmonellenbelastung im Sushi oder Fremdkörper in Gewürzmischungen ist. Dass betroffene Produkte aus dem Verkehr gezogen werden, wird unter anderem durch die EU-Produkthaftungsrichtlinie ermöglicht. Eine neue Richtlinie, die ab Mai 2024 in Kraft treten soll, könnte nun aber dazu führen, dass die Anzahl der Rückrufe erheblich zurückgeht.

Neue Richtlinie sieht schärfere Haftung vor – Rückgang bei freiwilligen Rückrufen befürchtet

Die geplante Richtlinie sieht strengere Haftungskriterien vor, die es ermöglichen, Hersteller im Falle eines Rückrufs leichter zur Verantwortung zu ziehen. Dies mag auf den ersten Blick wie ein sinnvoller Ansatz erscheinen, birgt jedoch eine unschöne Kehrseite: Unternehmen rufen fehlerhafte Produkte in der Regel in Absprache mit der Lebensmitteluntersuchung freiwillig zurück. Mit der geplanten Verschärfung der EU-Richtlinie könnte sich dies jedoch ändern.

Dies wurde auch von Lebensmittelchemiker Ulrich Nöhle beim Deutschen Lebensmittelrechtstag bestätigt: „Es wird aber kein Unternehmen mehr aus freien Stücken zurückrufen, wenn das die Haftung verschärft“, so Nöhle, wie das Portal Lebensmittelzeitung berichtet. Die neue Regelung könnte dazu führen, dass selbst freiwillige Rückrufe dazu führen, dass einzelne Produkte, wie beispielsweise kontaminierte Lebensmittel, als fehlerhaft eingestuft werden können. In diesem Fall wäre der Hersteller für den entstandenen Schaden verantwortlich.

Einkauf im Supermarkt Einkaufswagen an der Kasse Frau legt Ware auf Fließband
Bald schon könnte eine neue EU-Richtlinie zu einer minderten Zahl von Rückrufen führen. (Symbolbild) © Martin Wagner/IMAGO

EU-Richtlinie zur Haftung bei Rückrufen bringt auch eine stärkere Überwachung der Produktion

Die neue Richtlinie könnte also dazu führen, dass es weniger Rückrufe gibt, was wiederum bedeutet, dass weniger Lebensmittelwarnungen ausgesprochen werden. Allerdings nicht, weil weniger schadhafte Produkte im Umlauf sind.

Immerhin will die Richtlinie auch darauf einwirken. Sie soll eine weitere Neuerung mit sich bringen, die eine stärkere Überwachung des Herstellungsprozesses eines Produkts vorsieht: Artikel 8, Offenlegung von Beweismitteln, verlangt etwa, dass angeklagte Unternehmer alle vorhandenen Beweismittel, einschließlich Dokumente und Rezepturen, offenlegen müssen.

Die Reform ist eine Reaktion auf die Digitalisierung. Insbesondere im Hinblick auf technische Geräte sind die EU-Richtlinien stark veraltet. Digitale Produkte, wie beispielsweise Software, wurden bisher nicht von dem entsprechenden Gesetz erfasst. Die neue Richtlinie soll es für Verbraucher einfacher machen, für mögliche Schäden entschädigt zu werden. Obwohl dieser Produktbereich der Hauptgrund für die Erneuerung war, ist nun auch die Lebensmittelbranche davon betroffen. (cln/jm)

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