In der russischen Stadt Nischnekamsk ereignen sich schwere Explosionen. Kurz darauf steht eine der größten Raffinerien des Landes in Flammen. Verantwortlich sollen unbemannte Flugsysteme (UAS) aus der Ukraine sein. Dass das am 24. Februar 2022 von Russland angegriffene Land mit Drohnen gegen den Aggressor kämpft, ist weithin bekannt. Nicht aber deren neue große Reichweite.
Rund 1300 Kilometer von der Frontlinie entfernt konnte die Ukraine den nächsten Schlag gegen russische Militärproduktions- und Ölraffinerie-Infrastrukturen führen. Trotz der schnellen Löschung eines anschließenden Brandes innerhalb von 20 Minuten verursachte der Angriff erhebliche Schäden.
Hinter ukrainischen Drohnenangriffen steckt Kalkül
Die Treffer in der mehr als 1000 Kilometer entfernten russischen Republik Tatarstan markiere einen wichtigen Wendepunkt in der Fähigkeit der Ukraine, Angriffe mit großer Reichweite weit ins russische Hinterland hinein durchzuführen, analysiert der renommierte US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW).
In diesem Jahr haben ukrainische Drohnenpiloten bereits mehrere groß angelegte Angriffe auf strategische Ziele in Russland geflogen. Jedoch noch nie so weiter hinter der Grenze.
Das Kalkül dahinter: die Versorgung Russlands mit militärischem Treibstoff zu unterbrechen und die Öleinnahmen zu stoppen, mit denen der Krieg gegen die Ukraine finanziert wird. Die Ukraine hofft, durch diese gezielten Angriffe die russische Treibstoffproduktion und damit die Kriegsfähigkeit Russlands nachhaltig und signifikant zu beeinträchtigen.
Neue Reichweite zeigt Ausweitung des Krieges
Mit der neuen Reichweite können nun weitere Ziele ins Visier genommen werden. „Die Ukrainer nutzen die unbemannten Flugsysteme für sogenannte One-Way-Missionen und beladen sie ordentlich mit Sprengstoff“, erklärt Militärexperte Ralph Thiele. „Damit erreichen sie die nötige Reichweite.“
Mit dieser Methode lasse sich natürlich keine nachhaltig wirksame Bedrohung für Russland aufbauen, so Thiele weiter. Dennoch würde damit die Verunsicherung des Gegners gefördert. „Steter Tropfen höhlt schließlich den Stein. Die russischen Raffinerien merken die ukrainischen Angriffe in der Summe.“
Dass die ukrainischen Treffer in Russland in jüngster Zeit und in den vergangenen Monaten die Schwächen der russischen Luftverteidigung aufzeigten, sei jedoch trügerisch, sagt Thiele. „Die russische Luftverteidigung ist nach wie vor eine der besten der Welt.“ Allerdings sei es in einem so großen Land nicht möglich, den gesamten Luftraum lückenlos zu überwachen. „Das schaffen wir im viel kleineren Deutschland auch nicht.“
Dennoch sei die neue Reichweite der Ukraine von besonderer Bedeutung. „Generell stellen wir eine räumliche Ausweitung des Krieges fest“, sagt Thiele. Das bedeute aber: „Diese wird natürlich auch die Ukraine zu spüren bekommen.“