Neun Tipps von Anja Mikus - Diese Frau soll Deutschlands Rentensystem retten - und sie erklärt, wie man investiert
Auf Anja Mikus kommt eine wichtige Aufgabe zu: Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) planen, zur Unterstützung der Rente bis zum Jahr 2036 rund 200 Milliarden Euro in einen Kapitalfonds zu investieren. Mikus soll die Milliarden verwalten.
Erfahrung mit Staatsmilliarden besitzt die 68-Jährige. Derzeit leitet sie den Staatsfonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (Kenfo), mit dem der Bund die Entsorgung von Atommüll finanzieren will. 24 Milliarden Euro mussten die Kraftwerksbetreiber dem Fonds zahlen. Trotzdem kennt ihn kaum jemand in Deutschland.
Mikus neue Aufgabe bringt mehr Medien-Aufmerksamkeit und damit genauere Einblicke in die Anlagestrategie von einer der wichtigsten Investorinnen Deutschlands. Sieben Punkte erklären, wie sie die Renten-Milliarden verwaltet und welche Tipps sie jedem Bundesbürger für die Altersvorsorge gibt.
Tipp 1: Die beste Altersvorsorge? Hohe Rente und sparen
„Die beste Altersvorsorge ist es, viele Jahre und möglichst in Vollzeit zu arbeiten“, sagt Mikus im „Zeit“-Interview . Das steigert den Rentenanspruch und eröffnet mehr Sparmöglichkeiten. Wer gut abgesichert sein will, muss also zusätzlich zur gesetzlichen Rente selbst vorsorgen.
Tipp 2: Am besten langfristig in Aktien sparen
Die besten Renditen erzielt, wer langfristig regelmäßig Geld über einen Sparplan in Aktien anlegt, sagt Mikus. Selbst kleine Beträge helfen.
Börsenexperten empfehlen hierfür allgemein ETFs, die einen großen Aktienindex wie den deutschen Dax oder den amerikanischen S&P 500 abbilden. Sie vereinen niedrige Gebühren mit vergleichsweise sicheren Gewinnen. Die meisten Menschen erzielen deutlich schlechtere Renditen, wenn sie Einzelaktien kaufen.
Die Angst der Deutschen vor dem Aktienmarkt sieht Mikus als Problem. Sie sparen festverzinslich und verzichten daher langfristig auf Renditen. Ihr Fazit: „Es fehlt offensichtlich an finanzieller Bildung.“
Auch beim Rentenfonds will Mikus nicht zocken, wie sie betont: Sie werde langfristige, sichere Anlagen tätigen, statt kurzfristig schnelle Gewinne jagen, versichert sie.
Tipp 3: Antizyklisch anlegen
Langfristige Sparer brauchen das Auf und Ab der Börsen nicht fürchten, sagt Mikus. Sie sitzen Durchhänger aus, bis der nächste Aufschwung kommt.
Für langfristig orientierte Anleger seien Durchhänger ideal, um nachzukaufen, sagt Mikus. „Man sollte sich trauen, antizyklisch anzulegen.“
Wer so investiert, vermeidet einen der größten Anlegerfehler: Viele Anleger kaufen bei steigenden Kursen, aus Angst etwas zu verpassen. Sinken die Kurse, verkaufen sie panisch. Teuer kaufen, billig verkaufen: Der sichere Weg zu Kursverlusten. Antizyklische Investoren kehren dieses Verhältnis um.
Ihr Vertrauen in Aktien will Mikus auch im Rentenfonds anwenden: Rund 80 Prozent der Gelder sollen in Aktien fließen. Sechs Prozent Rendite im Jahr hält sie so für realistisch. Der Kenfo habe seit seiner Schöpfung vor sieben Jahren rund neun Prozent pro Jahr erwirtschaftet.
Tipp 4: Auch Frauen sollten rechtzeitig anlegen
Derzeit leidet rund jede fünfte Frau über 65 Jahren unter Altersarmut. Oft, weil sie für die Kinder weniger arbeitete und daher weniger Rente bekommt.
Mikus rät Frauen daher, früh selbst vorzusorgen und sich nicht allein auf den Partner zu verlassen. Das bedeute auch: Für die Kinder nur kurz Pause machen und zügig zurück in den Job. Der Staat müsse dafür die nötigen Betreuungsangebote schaffen.
Tipp 5: Nicht zu sehr auf die Kapitalmarkt-Rente hoffen
Wer hofft, Mikus größtenteils aktienbasierter Rentenfonds würde Beitragszahler deutlich entlasten, dürfte enttäuscht werden. Der Bund braucht die Gelder vor allem, um den eigenen Haushalt zu entlasten.
Derzeit fließt rund ein Viertel des gesamten Bundeshaushalts in Rentenzuschüsse. Im Jahr 2024 plant die Regierung rund 128 Milliarden ein. In den kommenden Jahren steigt der Wert voraussichtlich deutlich.
Mikus Rentenfonds soll ab 2036 rund zehn Milliarden Euro jährlich zur Rentenkasse beisteuern. Eine dringend nötige Entlastung, damit dem Bund genügend Geld für andere Aufgaben bleibt. Beitragszahler entlastet er aber nach derzeitigen bestenfalls um einige Euro im Monat.
Schätzungen erwarten, dass der Fonds Mitte der 2040er-Jahre um ein Prozent der gesamten Rentenausgaben decken kann.
Wer im Alter mehr Geld haben will, muss also weiter privat vorsorgen.
Tipp 6: Geduld mitbringen
Wer hofft, durch Aktien schnell finanziell unabhängig zu werden, werde meist enttäuscht, sagt Mikus. „Vermögen aufzubauen, benötigt Zeit und Disziplin.“ Hektik verleite eher zu schlechten Entscheidungen, etwa zu hohen Risiken bei Anlagen in fragwürdige Unternehmen oder Finanzinstrumente.
Tipp 7: Risiko streuen
Unbedingt vermeiden sollten Anleger das Klumpenrisiko, sagt Mikus: „Sein gesamtes Geld in nur wenige Werte zu stecken, ist extrem risikoreich und führt fast zwangsläufig zu deutlichen Rückschlägen.“
Besser viele Werte kaufen und das Geld über mehrere Anlageklassen streuen. Hierbei helfen die bereits erwähnten ETFs.
Tipp 8: Vor allem nach finanziellen Kriterien anlegen
Mit dem Kenfo investierte Mikus auch in Anbieter fossile Energie. Als ihr das die Kritik von Klimaschutzorganisationen einbrachte, sagte sie dem Handelsblatt: „Uns geht es nicht einfach darum, bestimmte Bereiche auszuschließen. Dadurch würde der CO2-Ausstoß nicht reduziert.“
Für Privatanleger heißt das: Finanzmärkte dienen der Rendite. Wer die Umwelt schützen will, tut dies effektiver, indem er einen Teil der Gewinne entsprechenden Organisationen spendet, als indem er auf Gewinne verzichtet.
Tipp 9: Aktien nicht auf Kredit kaufen
Der Bund finanziert den Rentenfonds über Kredite. Privatanleger sollten das keinesfalls tun, sagt Mikus: „Privatanleger müssen das geliehene Geld zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder an die Bank zurückzahlen. Fallen die Kurse kurz davor, kann das die Existenz kosten. Der Staat kann dagegen alte Schulden immer wieder durch neue ablösen.“
Zudem profitiere der Fonds von der hervorragenden Bonität Deutschlands und damit von viel niedrigeren Zinsen, als sie Privatanleger bekommen.