70-Meter-Sprint ins Mai-Glück: Wenn die Madln ihren Herzburschn jagen
Wenn sich auf der Wiese vor dem Gasthof Petermichl hunderte Menschen tummeln, lässt das für Eingeweihte nur einen Schluss zu: Es ist wieder Zeit für den traditionellen Mailauf in Antdorf.
Antdorf - Zahllose Trachtler auf den Straßen, Absperrungen und patrouillierende Feuerwehrfahrzeuge: In Antdorf herrscht am Sonntag der Ausnahmezustand. Auf der abgesperrten Wiese gegenüber des Gasthof Petermichl drängen sich die Menschen – die vorderen Ränge sind heiß begehrt. Hunderte Menschen starren gebannt auf das frisch gemähte Feld. „Wann ist es denn endlich soweit?“, hört man die Besucher fragen. Denn bislang ist die Wiese noch leer. Geknipst wird trotzdem schon fleißig – als könnte man den entscheidenden Moment verpassen. Doch es dauert noch einige Minuten. „Jetzt hör ich was“, meint ein aufmerksamer Zaungast. Seine Ohren täuschten ihn nicht – die Burschen kommen.
Von Klatschen und Jubelschreien begleitet, schälen sich knapp 30 junge Männer aus der Menschenmenge am Straßenrand. Fein herausgeputzt, nehmen sie zielstrebig Kurs auf eine ungewöhnlich lange Bank am nördlichen Ende des Feldes, grüßen mit ihren grünen Hüten und jagen zahllose Jauchzer über die Wiese. Unter die Besucher haben sich auch einige Urlauber gemischt und klatschen ein bisschen ungläubig im Takt. Wer Lust auf Brauchtum in Reinform hat, der ist heute richtig in Antdorf. Doch das traditionelle „Mailaufen“ lockt für gewöhnlich nicht nur Scharen von Auswärtigen in das 1100-Einwohner-Dorf, sondern vereint auch beinahe alle Einheimischen auf der Wiese.
Vier Burschen gehen ohne Begleitung zum abendlichen Ball
Das Prinzip der wohl einzigartigen Veranstaltung ist einfach – und auch ein wenig grausam. Knapp 30 Burschen sitzen aufgereiht und mit dem Rücken zur Wiese auf der meterlangen Bank, während die Madln auf der anderen Seite der Wiese lediglich die Rückseiten der Burschen zu sehen bekommen. Anschließend sprinten sie los, um sich wenig später auf ihre Auserwählten zu stürzen. Eines stand schon im Vorfeld fest: Vier Burschen werden übrig bleiben und keine Partnerin für den abendlichen Ball ergattern.
„A bissl an Wunsch hat ma scho“, sagt der 18-jährige Moritz bei seiner Mailauf-Prämiere und nippt leicht nervös an seinem Bier. „Aber eigentlich ist ois gut, was koa Besen is“, scherzt er.
Ein Besen für die Übriggebliebenen
Den bekommen nämlich diejenigen überreicht, die am Ende ohne Partnerin dastehen. Der 33-jährige Felix ist schon zum sechsten Mal dabei, sein Freund Stefan zum fünften Mal. Die beiden sind heuer die Ältesten. „Es ist einfach eine Gaudi und sauguad für die Dorfgemeinschaft“, sind sie sich einig. „Wahrscheinlich bin ich auch beim nächsten Mal wieder dabei“, mutmaßt Stefan. Der 24-jährige Toni sitzt zum dritten Mal auf der Bank. „Meine Eltern haben sich beim Mailauf kennengelernt“, erzählt er. Sogar das Fernsehen habe darüber berichtet. „Du bist einfach ein Kind der Liebe“, sticheln seine Kameraden und stoßen mit ihrem Weißbier an.
Von Musik und Goaßlschnalzern begleitet, treffen gegen 15 Uhr schließlich die Damen ein. Dann geht alles ganz schnell. „Auf die Plätze, fertig, los!“, hallt es zu den Burschen herüber. Im gleichen Moment setzt sich das bunte Dirndl-Meer in Bewegung und stürmt lautstark über das rund 70 Meter lange Feld. Abgebremst wird erst unmittelbar vor den Burschen – entsprechend unsanft ist das erste Zusammentreffen der künftigen Tanzpaare. Sobald sie sich wieder aufgerappelt haben, ist zumindest bei den meisten die Freude groß. „Hat getaugt“, resümiert der 18-jährige Moritz. Seine erste Teilnahme war ein voller Erfolg. „Ich hab‘ a sauberes Madl dawischt“, schmunzelt er. Seine Kathi ist noch ein wenig außer Atem, schlüpft zurück in ihre Schuhe und strahlt. Auch die beiden Ältesten haben dieses eine Tanzpartnerin ergattert und sind bereits auf dem Weg zum ersten Tanz vor dem Wirtshaus. Vielleicht war es ja heute doch ihre letzte Mailauf-Teilnahme.