Selenskys Anzug-Verzicht als politisches Symbol
Wie Selenskyjs Kleidung den Kriegszustand der Ukraine unterstreicht und die USA unter Donald Trump ärgert. Und was das mit Winston Churchill zu tun hat.
Der Eklat im Weißen Haus entzündete sich auch an Wolodymyr Selenskyjs Kleidung. Denn der schlichte, uniform-ähnliche Pullover, den der ukrainische Präsident seit dem Überfalls Russlands auf sein Land am 24. Februar 2022 trägt, ist ein Symbol: Solange sich die Ukraine im Verteidigungskrieg befindet, trägt der Präsident aus Solidarität mit seinen Truppen an der Front keine zivile Kleidung mehr.
Laut der US-Nachrichtenseite „Axios“ forderte die US-Regierung von Selenskyj offiziell über die Botschaft, beim Besuch im Weißen Haus erstmals wieder einen Anzug zu tragen, um symbolisch zu zeigen, dass die Zeit des Krieges jetzt vorbei sei und die Phase der Verhandlungen eingeleitet sei. Insofern war es nicht nur eine harmlose Witzelei, als Donald Trump gleich bei der Begrüßung Selenskyj mit den Worten verspottete: „Wow, Sie haben sich aber schick gemacht!“
Vor Eklat mit Trump: Rechtsextremer Fernseh-Reporter geht auf Selenskyj los
Selenskyj hatte sich zum Ärger Trumps dem US-Druck verweigert, schon beim Kleidungsstil die Bereitschaft zu Zugeständnissen zu signalisieren. Die provokante Frage des Journalisten Brian Glenn vom rechtsextremen TV-Sender „Real America’s Voice“ zielte genau darauf – und war nach Meinung von US-Medien mit dem Weißen Haus abgesprochen: „Warum tragen Sie keinen Anzug? Sie sind hochrangig, kommen hier ins Weiße Haus, um die Repräsentanten des Weißes Hauses zu treffen und weigern sich, einen Anzug zu tragen. Haben Sie überhaupt einen Anzug?“

Die Provokation funktionierte, denn Selenskyj wurde sichtlich ärgerlich: „Haben Sie ein Problem?“, fragte er. Glenn antwortete: „Sehr viele Amerikaner haben ein Problem damit, dass Sie die Kleiderordnung nicht respektieren!“ Worauf Selenskyj erwiderte: „Ich werde wieder Anzug tragen, wenn der Krieg vorbei ist. Vielleicht so einen wie Sie. Vielleicht etwas Besseres, ich weiß es noch nicht. Vielleicht auch etwas Billigeres. Wir werden sehen.“
Bereits Churchill verzichtete in Kriegszeiten auf den Anzug
Selenskyjs Entscheidung, im Krieg keine zivile Kleidung mehr zu tragen, hat sein Vorbild unter anderem bei Winston Churchill, dem britischen Premier während des Zweiten Weltkriegs. 1939 wurde Churchill zum Ehren-Air-Commodore der Royal Air Force (RAF) ernannt, was ihn zum Tragen der Uniform berechtigte.
Churchill trug auch bei den historischen Treffen mit Sowjet-Führer Stalin und US-Präsident Roosevelt in 1943 in Teheran und 1945 in Jalta seine RAF-Uniform – auch um gegenüber Stalin zu unterstreichen, dass es die britische RAF war, die in der Luftschlacht um England die Deutschen besiegte. Der Verzicht auf zivile Kleidung hatte auch damals also eine symbolische Bedeutung, die über die zu Friedenszeiten höfliche Kleiderordnung weit hinausging.