Mit Nikotinpflaster und Antidepressiva - Kölner Arzt heilt sich selbst von Long-Covid

Aus dem Leben gerissen: Kai Störring ist Hals-Nasen-Ohrenarzt in Köln und Familienvater. Nach seiner Corona-Erkrankung 2023 jedoch ist alles anders. Er leidet an Post-Covid. Seine Frau und seine drei Kinder „mussten ein Jahr lang viel auf mich verzichten“, erzählt Störring dem „Kölner Stadtanzeiger“. Jetzt allerdings sei er bei „80 bis 100 Prozent“ Genesung.

Wie der Arzt sich selbst von Post-Covid heilte

Einfach nur spazieren gehen und die Sonne genießen oder klassische Musik hören – all das war für Störring wochenlang unmöglich. Da ihm niemand zu Linderung seiner Symptome verhelfen konnte, machte sich der Mediziner selbst auf die Suche. Und fand für sich eine Lösung. Sein persönlicher Medikamentenmix: Nikotinpflaster und Antidepressiva. Über diesen besonderen Fall berichtet auch der TV-Sender „RTL“.

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„Dieses Nikotin hat mich zwar nicht gesund gemacht, aber auf ein höheres energetisches Level gehoben“, erzählt Störring dort. Wenige Stunden später habe er wieder ins Licht schauen können, komplexere klassische Musik hören, kurze Texte lesen und auch wieder mal in der Sonne sitzen, was bis dato nicht mehr möglich gewesen sei.

Mediziner unterscheiden zwischen „Long-Covid“ und „Post-Covid“.

  • Als „Long-Covid“ definieren die deutschen Patientenleitlinien Beschwerden, die länger als vier Wochen nach einer Infektion bestehen.
  • Von „Post-Covid“ ist die Rede, wenn die Beschwerden länger als zwölf Wochen nach der Infektion den Alltag einschränken.

Viel Pausen sind für Post-Covid-Patienten wichtig

Nach einem halben Jahr Krankheit fing der HNO-Arzt wieder zu arbeiten an. Doch Störring achtet noch immer darauf, genügend Pausen einzulegen. Das rät der Mitte 40-Jährige anderen Long-Covid-Patienten ebenso. Denn seine spezielle Therapie nutzte er nicht nur für sich, sondern er gibt sie in seinen speziellen Sprechstunden weiter. 

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Die Grundschullehrerin Jule Zech erzählt, wie sehr ihr die an sie angepasste Therapie geholfen hat. „Ich kann wieder arbeiten, was für mich eine unglaubliche Bereicherung ist“, sagt die Post-Covid-Patientin. „Es ist aber weiterhin ein Kampf und es ist weiterhin ein tagtägliches darauf Achten, wie man mit den eigenen Energieressourcen zurechtkommt.“

Die Nikotin-Theorie und was dahintersteckt

Warum eigentlich könnte Nikotin gegen Long- oder Post-Covid-Beschwerden helfen? Die sogenannte Nikotin-Theorie kam bereits zu Beginn der Corona-Pandemie auf. Doch sie steht nach wie vor auf wackeligen Füßen.

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Post-Covid-Expertin Carmen Scheibenbogen verwies auf X (ehemals Twitter) auf eine Übersicht zu möglichen positiven Effekten von Nikotin und Therapieversuchen mit Nikotinpflastern.

Gleichzeitig spricht sie sich für klinische Forschung hierzu aus. Unter ihrem Post melden sich Betroffene, denen Nikotinpflaster tatsächlich halfen.

Grundsätzlich ließe sich eine positive Wirkung damit erklären, dass ein Protein von Sars-CoV-2 an die Rezeptoren namens nAChR (nicotinischer Acetylcholinrezeptor) im Körper bindet. Diese Bindung könnte „die Kommunikation zwischen Zellen des Nervensystems (Neuronen), beeinträchtigen“, erklären die Experten des Altea Long Covid Network. Dies wiederum könnte die Long-Covid-Symptome erklären. 

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Und weiter: „nAChRs sind nach ihrer Affinität zu Nikotin benannt.“ Dies hätte Forscher auf die Idee gebracht, die Rezeptoren mit Nikotin aus für Raucher entwickelten Pflastern zu sättigen, um die Bindung von Sars-CoV-2 zu hemmen. 

Sprich, das Nikotin soll praktisch das Coronavirus verdrängen und damit die Signalwege wieder freilegen. Wenn die Kommunikation wieder läuft, könnten die Beschwerden verschwinden.

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Behandlung mit Nikotinpflastern ist experimentell

In den USA wie auch in Deutschland verschreiben manche Ärzte im Rahmen ihrer Behandlungspläne für Long-Covid auch Nikotinpflaster. Susan Levine, eine auf Post-Covid spezialisierte Immunologin, sagte dem Magazin „Verywell“, dass Nikotinpflaster bei mehreren ihrer Patienten „Wunder wirken“, insbesondere bei denen, die unter Gehirnnebel und Müdigkeit leiden.

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„Die Pflaster scheinen eine Linderung der Symptome zu bewirken, aber es ist wichtig zu bedenken, dass dies noch sehr experimentell ist“, gab Levine zu bedenken. Nikotin sei kein Heilmittel und müsse vorsichtig angewendet werden, idealerweise in Kombination mit anderen Behandlungen, die darauf abzielten, zugrunde liegende Entzündungen und Immunschwächen zu bekämpfen.

Antidepressiva gegen Long-Covid

Zu Antidepressiva, die Störring ebenfalls einsetzt, und Long-Covid ist die Lage ebenfalls noch im Umbruch. Wer die Diagnose Depression bekommen hat, kann auch Antidepressiva verschrieben bekommen. Ist das nicht der Fall, kämen die Medikamente außerhalb ihrer Zulassung zum Einsatz. Fachleute sprechen dann vom sogenannten „Off-Label-Use“. 

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Eine Expertengruppe des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) prüft gerade, ob und für welche Arzneimittel dieser empfohlen wird, um Long-Covid zu behandeln. Denn so schreibt das BMG in der dazugehörigen Übersicht: „Long-Covid ist ein vielschichtiges Krankheitsbild mit individuell unterschiedlichen Verläufen. Bisher gibt es keine Arzneimittel, die gezielt für die Therapie von Long-Covid zugelassen sind.“ Ob Antidepressiva für den Off-Label-Use empfohlen werden, prüfen die Experten gerade noch. Denn es gibt Hinweise darauf, dass Antidepressiva manchen Patienten gegen Hirnnebel und andere Beschwerden halfen. In manchen Fällen kann sich aber beispielsweise das Symptom der Fatigue, der Erschöpfung, noch verstärken.

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„Man muss kritisch und vorsichtig sein“

Die Geschichten von Kai Störring und seinen Patienten klingen vielversprechend. Dennoch: Es sind Einzelfälle und es fehlen kontrollierte, klinische Studien zu seinem Medikamentenmix. Medikamente wie Antidepressiva können starke Folgen haben. 

Neurologe Christoph Kleinschnitz warnt daher im Gespräch mit RTL: „Man muss kritisch und vorsichtig sein. Denn man wird diese Einzelfälle nicht auf alle Betroffenen mit Post-Covid übertragen können. Die Wahrheit ist, es fehlen kontrollierte, klinische Studien zu diesen Substanzen. Und die Nebenwirkungen sind nicht unerheblich.“

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