Kurzzeitig wertvollster Konzern der Welt - „Keine vernünftige Investition, eher eine Wette“ - was Profis zu Nvidia sagen

Solche Werte – die vom gesamten deutschen Bruttoinlandsprodukt gar nicht so weit entfernt sind – wäre zu Nvidias Gründung vor etwas mehr als 30 Jahren unvorstellbar gewesen. Doch nun, nach einer 591.000-Prozent-Rally seit dem Börsengang, thront Nvidia an der Spitze. Nur: Was heißt das für Anleger?

Allein in diesem Jahr hat die Aktie 154 Prozent Plus gemacht. Wie lange kann dieses Momentum anhalten? Und sollten Anleger nicht auch Gewinne mitnehmen, wenn es sich anbietet?

„Anleger sollten überlegen, zumindest ihren ursprünglichen ‚Einsatz‘ zu realisieren“

„Nach einem alten Bonmot hat der Markt immer Recht. Tatsächlich sind derzeit die Wachstumsraten bei Umsatz und Gewinn äußerst beeindruckend und würden eine hohe Bewertung bei Fortschreibung des bisher gezeigten Wachstums rechtfertigen können“, erklärt hierzu Börsenprofi David Bienbeck gegenüber FOCUS online.

Der Vorstand der Albrech & Cie. Vermögensverwaltung AG sagt aber ebenso, dass Gewinnmitnahmen nun keineswegs verkehrt seien: „Die Abwägung zwischen Chancen und Risiken, die historischen Vergleiche sowie die bloßen Bewertungsrelationen sprechen aus unserer konservativen Sicht für teilweise Gewinnmitnahmen“, so Bienbeck.

Mirko Hajek, CFA und Geschäftsführer der Rheinischen Portfolio Management GmbH, ergänzt dazu: „Der bekannte Investor Stanley Druckenmiller hat bereits im April seine komplette Position veräußert. Anleger, die schon länger investiert sind, sollten darüber nachdenken, zumindest ihren ursprünglichen ‚Einsatz‘ zu realisieren und nur die Gewinne ‚laufen‘ zu lassen.“

Hajek verweist darauf, dass Nvidias Börsenwert in nur einem Monat (!) von zwei auf über drei Billionen Dollar gestiegen sei. Warren Buffets Berkshire Hathaway brauchte für einen vergleichbaren Anstieg ganze 60 Jahre – von 22 Millionen Dollar beim Einstieg Buffetts auf derzeit 880 Milliarden Dollar.

„Hypes können weiter gehen, als man denkt“

Auch Marc Ospald von der Vermögensverwaltung Habbel, Pohlig & Partner, stimmt mit ein: „Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 80 ist selbst für schnell wachsende Technologieunternehmen schwindelerregend. Für ein so hohes KGV müsste Nvidia lange in hohem Tempo bei gleichen Margen weiterwachsen, um eine gesunde Bewertung zu erlangen.“

Bei Hypes, sagt Ospald, koppeln sich Kurse immer von den Bewertungen ab. Nach einer „heißen“ Phase folge die Übertreibung, die letztlich in einer Phase mündet, in der sich die Werte auf einem gesunden Niveau einpendeln. Im Falle Nvidias werde „diese Korrektur mit der am aktuellem Rand entstehende Übertreibung nach oben – der Kurs steigt in zu kurzer Zeit zu stark an – immer wahrscheinlicher.“

Allerdings sieht der Börsenprofi ein „Eincashen“ durch Anleger skeptischer als Bienbeck und Hajek. „Hypes können weiter gehen, als man denkt“, sagt Hajek. Anleger sollten stattdessen den Kurs kritisch beobachten: „Sollten am aktuellen Rand die täglichen Schwankungen stark (auch nach unten) zunehmen und Trends brechen, sollte man sich nicht von der KI-Phantasie blenden lassen, sondern Gewinne mitnehmen“, rät Ospald.

Hajek empfiehlt indes eine weitere Alternative: „Alternativ kann man auch mit rollierenden Stop-Loss-Limits arbeiten – dann verkauft man automatisch, wenn die Welle bricht und partizipiert aber in der Zwischenzeit noch am Kursantieg.“

Keine Investition mehr, sondern eine Wette

Was den Neueinstieg angeht, sind sich die Profis einig. „Fundamental lässt sich ein Einstieg zu diesem Zeitpunkt allerdings aktuell nicht mehr rechtfertigen“, sagt Hajek. Laut Bienbeck würden sich konservative Anleger mit Nvidia ein „Korrektur-Risiko“ ins Depot legen, während es bei Momentum-Anleger durchaus üblich ist, auch zum Allzeithoch kaufen. Dann müsse man aber auch schnell bereit sein, sich von der Aktie bei einer Trendumkehr zu trennen.

Ospald wiederum sagt klar: „Ein Einstieg erscheint auf diesem Niveau keine vernünftige Investition, sondern eher eine Wette.“ Wer aber unbedingt den Nervenkitzel vorziehe, der finde laut Ospald mit Nvidia, Krypto-Währungen und auch Aktien wie Gamestop derzeit Möglichkeiten, „mit denen man schnell reich werden kann, die jedoch auch enormes Rückschlagspotential beinhalten“.