Russland im Wirtschaftsdilemma: Putins riskanter Tanz zwischen Sanktionen und Krieg
Russlands Wirtschaft soll trotz Sanktionen boomen – wegen des Ukraine-Kriegs. Doch Putins Strategie könnte dem Land schon bald zum Verhängnis werden.
Moskau – Immer wieder neue EU-Sanktionen und hohe Verluste im Ukraine-Krieg: Knapp zwei Jahre nach Ausbruch der Kämpfe im Nachbarland steht Russlands Wirtschaft vor stetig wachsenden Herausforderungen. Zwar versichert Präsident Wladimir Putin regelmäßig, dass die Ökonomie seines Landes stärker als zu Beginn des Kriegs ist, doch abseits der kremlnahen Propaganda mehren sich die Stimmen, die die Wirtschaftsleistung der Russischen Föderation trotz positiver Wachstumsraten auf einer Abwärtsspirale sehen. Putin selbst steckt dabei in einer Zwickmühle und treibt Russland immer weiter ins Dilemma.
Russlands Wirtschaft im Aufschwung: Putin hat Produktion auf Ukraine-Krieg ausgerichtet
Nach eigenen Angaben meldete Russlands Wirtschaft trotz Ukraine-Krieg ein beträchtliches Wachstum von 5,5 Prozent. Während andere Länder also unter den Auswirkungen der Kämpfe zwischen Russland und der Ukraine wirtschaftlich leiden, scheint Putin vermeintlich einen Weg gefunden zu haben, die Kriegskosten und Sanktionen für seinen Vorteil zu nutzen: Die Wirtschaft des Landes ist inzwischen stark auf den Ukraine-Krieg ausgerichtet und schon länger ist bekannt, dass Russland trotz der Exportbeschränkungen und der Deckelung des Ölpreises weiter kräftig am Energiemarkt verdient. Dennoch: Für Putins Ukraine-Krieg musste zuletzt auch in Russland gespart werden.

Auch über die Ostsee laufen die Exporte und die EU hatte zuletzt Dänemark in die Pflicht genommen, den Schiffsverkehr aus Russland genauer zu überprüfen. China, Indien, aber auch noch in einige EU-Länder und die Türkei lassen sich nämlich weiter von der Föderation beliefern. Ob Russlands Wirtschaft tatsächlich trotz der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs so kräftig boomt, wie die Propaganda des Kremls immer wieder verkündet, ist von einer außenstehenden Perspektive kaum zu überprüfen. Bereits seit Wochen gibt es Vermutungen, dass Putins aktueller Weg für Russlands künftige Wirtschaft zum Problem werden könnte.
Für Russlands Wirtschaft investiert Putin in Ukraine-Krieg: Strategie hat gewaltige Folgen
Laut Alexandra Prokopenko, einer ehemaligen Beamtin der russischen Zentralbank, steht Russlands Präsident aber vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Wie der Business Insider schreibt, sei Putin gezwungen, weiter in den Ukraine-Krieg zu investieren, um das Wachstum Russlands aufrechtzuerhalten. „Im Moment sieht die Wirtschaft widerstandsfähig aus. Aber es scheint, als ob Putin sie so steuert, wie er seine Yacht steuert – als ob sie ein Eisbrecher wäre. Das ist sie aber nicht“, sagte die Expertin zuletzt gegenüber Carnegie Russia Eurasia Center Think Tank.
Die gegenwärtigen Zahlen zu Russlands Wirtschaft seien vor allem auf die gesteigerte Rüstung wegen des Ukraine-Kriegs zurückzuführen. Die langfristigen Folgen: Zwar ist der Krieg in der Ukraine aktuell eine kostenintensive Materialschlacht, doch sobald die Intensität nachlässt oder Russland die Ausgaben für die Rüstung reduziert, leidet die gesamte Wirtschaftsleistung des Landes.
Brain Drain in Russland: Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs verliert Putin Fachkräfte
Dass Putins Ukraine-Krieg laut Experten allerdings nicht nur „positive“ Folgen für die Wirtschaft hat, erklärt die leitende Ökonomin des US-Finanzministeriums, Rachel Lyngaas. Wie die Financial Times in Bezug auf ein Dokument des Ministeriums schreibt, könnte Russlands Bruttoinlandsprodukt ohne Krieg fünf Prozent höher liegen. Laut dem Bericht wird Russland 2023 rund ein Drittel (ca. 100 Milliarden US-Dollar) aller Staatsausgaben nur für militärische Zwecke verwenden. Doch auf der anderen Seite fehlen Arbeitskräfte, da Russland seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs unter einem wachsenden Fachkräftemangel leidet.
Neben dem sogenannten Brain Drain, der seit über 20 Monaten für Probleme sorgt, kämpft Russland inmitten des aktuellen Wachstums der Wirtschaft mit einer steigenden Inflation. Zuletzt erhöhte die Zentralbank massiv die Zinsen, um Preissteigerungen entgegenzuwirken. Inzwischen liegt der Leitzins bei 16 Prozent.
Putin vor Wiederwahl? Sanktionen hätten Russlands Wirtschaft beinahe kollabieren lassen
Wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl in Russland versucht Wladimir Putin, bei öffentlichen Auftritten das Bild einer starken Nation zu repräsentieren. Während etwa Bulgarien sich vom russischen Ölgeschäft entfernt hat, bekräftigte der Kremlchef bei einer Parteiveranstaltung am dritten Adventwochenende, dass Russland entweder als souveräner Staat fortbestehen werde, „oder es wird Russland nicht mehr geben“.
Trotz der Bestrebungen nach Souveränität: Russland ist momentan das am meisten sanktionierte Land der Welt – etwa 14.000 Maßnahmen gegen Personen oder Institutionen sollen es aktuell geben. Für den Westen gelten die Beschränkungen als effektivstes Mittel, um im Ukraine-Krieg Druck auf den Kreml auszuüben. Offenbar auch mit Erfolg. Kremlchefsprecher Dmitri Peskow sagte der russischen Nachrichtenagentur TASS im November, dass Russlands Wirtschaft im vergangenen Jahr nur knapp einem Kollaps entging. Dennoch fand der Kreml im Sommer 2023 einen Weg, unzählige Tonnen von Putins Gold in der Schweiz umschlagen zu lassen.
Zukunft von Russlands Wirtschaft ungewiss: Ukraine-Krieg hält Produktion am Laufen
Wie die Zukunft von Russlands Wirtschaft aussieht, ist aktuell ungewiss. Laut RND vermuten Experten aber, dass Putin nach einer möglichen Wiederwahl im kommenden Jahr die Zeit nutzen könnte, weitreichende politische und wirtschaftliche Maßnahmen zu beschließen. Erwartet wird zudem, dass er den Ukraine-Krieg weiter am Laufen halten wird – und möglicherweise auch auf eine neue Mobilisierungswelle setzen könnte. Für Putin scheint es essenziell, den Krisenmodus in Russland möglichst lange aufrechtzuerhalten.
Bereits seit 2004 sorgte der Kreml für ähnliche Fälle vor und richtete einen sogenannten Stabilitätsfonds ein, mit dessen Hilfe Geld in wichtige Industrien fließen. Doch sollte Russland in den kommenden Jahren von Kriegsmodus auf zivile Wirtschaft wechseln, könnte dem Land der große Schock drohen. (fbu)