- Im Video oben: Ein Wert zeigt Ihr wahres Alter – und lässt sich beeinflussen
Deutschland ist alt und wird noch älter. Jede zweite Person hierzulande ist heute älter als 45, jede fünfte Person sogar älter als 66 Jahre. Das geht mit Herausforderungen für die Wirtschaft, die Sozialsysteme und vor allem dem Gesundheitssystem einher. Altersbedingten Krankheiten vorzubeugen, könnte ein Teil der Lösung für dieses Problem sein. Die hoffnungstragenden Schlagworte sind hier "Epigenetik" und "Künstliche Intelligenz" (KI) – zumindest wenn man Dina Zielinski und Andrey Bachvarov fragt.
Anlässlich der TEDAI-Konferenz in Wien Ende September haben die US-amerikanische Forscherin und der bulgarische Investor einen gemeinsam Vortrag dazu gehalten. "Wie können wir Künstliche Intelligenz nutzen, um Gesundheit und Langlebigkeit neu zu programmieren?", war ihre Kernfrage. Die Antwort liegt irgendwo zwischen unserem Lebensstil und unseren genetischen Veranlagungen, wie sie in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", kurz "F.A.Z." berichten.
Epigenetik: Krankheiten ein- und ausschalten
Bei der Epigenetik dreht sich alles darum, wie äußere Faktoren die Aktivität unserer Gene beeinflussen – etwa
- Ernährung,
- Stress
- oder der eigene Lebensstil.
Dabei geht es nicht um eine Veränderung des Erbguts, sondern lediglich darum, ob und wie einzelne Abschnitte der DNA abgelesen und in das entsprechende Protein übersetzt werden. Das funktioniert über bestimmte Strukturen, die entweder die DNA selbst oder benachbarte Proteine biochemisch verändern, sogenannte Marker. Zielinski beschreibt sie als "Software, die auf der DNA-Hardware steht".
Laut Bachvarov könne man sich das wie einen Schalter vorstellen: "Damit eine bestimmte Krankheit, die in unserem Genom lebt, an die Oberfläche kommt oder sich ausdrücken kann, muss sie ein- oder ausgeschaltet werden. Und diese Schalter finden wir im Epigenom“, sagte er der "F.A.Z.". Diese Schalter zu kennen und zuordnen zu können, könnte ein entscheidender Vorteil in der Prävention von genetisch bedingten Erkrankungen darstellen.
"Altern kann rückgängig gemacht werden"
Auch "Altern ist eine Krankheit", sagt Bachvarov. Forscher hätten bereits zwei wichtige Momente im Alter von 44 und von 60 Jahren identifiziert. Zu diesen Zeitpunkten würden Menschen plötzlich dramatisch altern. In dieses "Programm" möchte er eingreifen. "Denn das Altern kann nicht nur verlangsamt, sondern auch rückgängig gemacht werden."
Wie das gehen soll, verrät er nicht. Allerdings wolle man sich darauf konzentrieren "die Anzahl der Jahre, die man in guter Verfassung verbringt" zu erweitern.
Tests sollen persönliche Empfehlungen ermöglichen
"Sie können ein Risiko für Alzheimer haben oder für Brustkrebs. Die Epigenetik kann uns Hinweise darauf geben, was genau wir tun können", sagte Zielinski der "F.A.Z.". Sie selbst arbeitet in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen, das so die Arzneimittelentwicklung beschleunigen möchte. So könne man messen und sehen, ob Änderungen des Lebensstils "tatsächlich einen Unterschied" machen.
Erfolgreich sei das bereits in Island gewesen: Dort gebe es laut Zielinski eine beachtliche Gendatenbank der Bevölkerung "Sie waren in der Lage, auf der Grundlage der isländischen Daten Medikamente zu entwickeln", sagte sie der Zeitung. In Westeuropa gebe es laut Bachvarov zwar ebenfalls viele digitale Daten, die man nutzen könnte, allerdings seien die Anforderungen an Forschungsethik und Regulierung in der EU sehr hoch.
Dennoch wettet auch Bachvarov auf wertvolle Einblicke aus der Epigenetik. Den Versuch, die Gesundheit zu verbessern, ohne dabei das Epigenom hinzuzuziehen, vergleicht er damit ohne eine Waage abnehmen zu wollen. Chronische Krankheiten würden zunehmen und die Nachfrage nach personalisierter Medizin steigen. Daher würde die ökonomische Bedeutung der Marker gerade schnell ansteigen.
Der promovierte Informatiker investiert selbst in Firmen, die in diesem Bereich arbeiten. Eine, die mittels Epigenetik "personalisierte Gesundheitsscores" errechnen will, hat er sogar mitbegründet. "Übernehmen Sie die Kontrolle über die Umweltseite der Gleichung und erhöhen Sie Ihre Gesundheitsspanne", wirbt die Firma auf ihrer Webseite. Damit ist die Zeit gemeint, in der eine Person innerhalb der Lebensdauer gesund ist.
Informationen sollen "fahrlässiges Verhalten" verhindern
Laut Bachvarov wären solche Tests für weite Teile der Bevölkerung hilfreich und "würde den Zugang zu wichtigen Gesundheitsinformationen demokratisieren." Sowohl Bachvarov als auch Zielinski unterscheiden aber im Gespräch mit der "F.A.Z." noch einmal deutlich zwischen genetischen und epigenetischen Tests.
"Wir sollten nicht diskriminieren oder verurteilen, womit wir geboren wurden. Aber wir sollten dafür verantwortlich gemacht werden, wie wir damit umgehen." Es ginge darum, fahrlässiges Verhalten zu vermeiden – abseits von Faktoren, die man nur bedingt kontrollieren könne, zum Beispiel Umweltverschmutzung oder Pestizide.