Vor über 120 Jahren - Erstmals zugänglich: Historische Fotos der ersten deutschen Antarktis-Reise

Anfang des 20. Jahrhunderts war die Antarktis noch weitgehend unerforscht, das dichte Packeis und die harten Bedingungen erschwerten den Zugang zum Kontinent. Aber im Jahr 1901, dem sogenannten "Antarktischen Jahr", starteten gleich drei Expeditionen in Richtung Südpol: eine britische unter Robert Falcon Scott, eine schwedische unter Otto Nordenskjöld und die deutsche unter der Leitung des Geografen und Geophysikers Erich von Drygalski.

Deutscher Aufbruch in die Eiseskälte der Antarktis

Ein speziell konstruiertes Forschungsschiff, der Großsegler "Gauß", brachte die 32 Teilnehmer der deutschen Südpolarexpedition in die Antarktis. Das Schiff, nach dem Vorbild der norwegischen "Fram" von Fridtjof Nansen gebaut, war so gestaltet, dass es im Eis einfrieren konnte, ohne zerquetscht zu werden. 

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Die Besatzung der "Gauß" Leibniz-Institut für Länderkunde

Zu Beginn des Jahres 1902 erreichte die Expeditionsmannschaft den subantarktischen Kerguelen-Archipel. An dieser Stelle blieben einige Wissenschaftler, um geomagnetische und meteorologische Messungen durchzuführen.

Forschungsschiff "Gauß" friert 1902 im Packeis ein

Nach einem Halt auf der Insel Heard und ersten wissenschaftlichen Arbeiten erreichten Drygalski und sein Team Ende Februar 1902 die Packeisgrenze. Kurz darauf fror die "Gauß" im Eis ein und war für ein Jahr lang gefangen. 

Während dieser Zeit führten die Forscher zahlreiche Exkursionen bis zur etwa 50 Kilometer entfernten antarktischen Küste durch und entdeckten dabei einen aus dem Eis ragenden erloschenen Vulkan, den sie "Gaußberg" nannten. Dieser Berg dient auch heute noch als wichtige Landmarke dieses Teils der ostantarktischen Küste.

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Das im Eis eingefrorene Forschungsschiff "Gauß" Leibniz-Institut für Länderkunde

1400 einzigartige Bilder von Polarexpedition online

Das Leibniz-Institut für Länderkunde stellt nun erstmals die von Drygalski und seinem Team aufgenommenen Fotos digital zur Verfügung. Die etwa 1400 Glasnegative, die bei der Expedition entstanden, zählen zu den ersten Fotos aus dem damals noch weitgehend unbekannten Südpolargebiet. Die Bilder dokumentieren eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten, Gesteinen sowie Eis- und Landschaftsformationen der Antarktis und der subantarktischen Inseln.

Während ihres Aufenthalts im Eis führten die Wissenschaftler umfangreiche Forschungen durch und dokumentierten diese schriftlich wie auch fotografisch. Mit Hundeschlitten und einem wasserstoffgefüllten Fesselballon kartierten sie die Umgebung, analysierten Wasserproben und beschrieben zahlreiche Tierarten, Algen und Bakterien. Allein die zoologischen Aufzeichnungen füllten nach ihrer Rückkehr elf Bände. Auch in den Bereichen Meteorologie und Vermessung des Magnetfeldes lieferte die Expedition wertvolle Daten.

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Die eingefrorene "Gauß" aus dem Fesselballon fotografiert Leibniz-Institut für Länderkunde

Alltag auf See und in der Antarktis

Die Forscher hielten auch den Bau ihres Schiffes, die Reise in den Süden, den Alltag an Bord und die Arbeit in der Antarktis fotografisch fest. Die mit dem Fesselballon aufgenommenen Bilder zählen zudem zu den ältesten erhaltenen Luftbildern der Antarktis. Erste Bilder sind bereits digitalisiert und online verfügbar, und in den kommenden Wochen sollen alle Bilddokumente zugänglich gemacht werden.

„Die Bilder besitzen neben ihrer historischen Bedeutung auch eine hohe Relevanz für die heutige Klima- und Umweltforschung“, betont Archivleiter Bruno Schelhaas vom Leibniz-Institut für Länderkunde. „Mit den historischen Forschungsdaten können aufschlussreiche Vergleiche durchgeführt werden, die für die Geowissenschaften sehr wertvoll sind.“

Weitere Entwicklungen

Wissenschaftlich war die deutsche Südpolarexpedition ein großer Erfolg, jedoch war man in Deutschland in geopolitischer Hinsicht enttäuscht: Entgegen den Erwartungen der Öffentlichkeit und des damaligen Kaisers gelang es Drygalski und seinem Team nicht, weiter ins Innere der Antarktis vorzudringen. Die britische Expedition unter Robert Scott schaffte es 1903 hingegen deutlich über den 80. südlichen Breitengrad hinaus. Den Südpol erreichte jedoch erst ein Team um Roald Amundsen im Jahr 1911, knapp vor Scott.

Die Aufzeichnungen und Bilder seiner Expedition übergab Drygalski noch zu Lebzeiten dem Leipziger Museum für Länderkunde, dem Vorgänger des heutigen IfL. Neben den Fotos der ersten deutschen Südpolarexpedition umfasst das Archiv auch Bilder von Drygalskis Grönlandexpeditionen in den Jahren 1891 bis 1893. Auch diese sollen bald als freie Online-Ressource verfügbar gemacht werden.

Das Original zu diesem Beitrag "Historische Fotos zeigen erste deutsche Antarktis-Expedition" stammt von scinexx.

Von Nadja Podbregar