Hanna-Mordprozess im Ticker - Mörder von Hanna muss neun Jahre ins Gefängnis - schwere Vorwürfe gegen Verteidigung

  • FOCUS online-Reporter Stefan Huber berichtet für Sie live aus dem Gericht

Das Urteil ist da! Angeklagter im Hanna-Mordprozess muss ins Gefängnis

12.29 Uhr: Auch Verhaltensauffälligkeiten in der Arbeit und der übermäßige Genuss von Alkohol ("der Angeklagte hat sich zugeschüttet"), sprächen für eine versuchte Verdrängung, die aber nicht gelang. Aussagen des Angeklagten beim Tischtennisspiel in Übersee, seien zudem verwunderlich. Eine Zeugin, eine Freundin des Angeklagten, habe sich gewundert. Auch deren Schwester und ihre Mutter hätten eigentlich versucht, den Angeklagten „da rauszuholen“. Da ebenfalls kein Druck durch die Polizei stattfand, seien die Aussagen der Zeuginnen und auch des Angeklagten glaubwürdig - auch wenn sie ihn verrieten.

12.25 Uhr: “Er nennt in seinen Schilderungen einen Stein als Tatwerkzeug - ein Gegenstand, der exakt dafür geeignet war, die Verletzungen zuzufügen", sagt die Richterin. Bei der Vielfalt an Möglichkeiten, die die Formulierung in der Presse, Hanna sei durch „rohe Gewalteinwirkung“ zu Tode gekommen, sei das auffällig. Auch, dass Hanna nicht durch den Schlag zu Tode gekommen sein könne, mutmaßte der Angeklagte. Zudem habe der Angeklagte gegenüber drei Freunden ein Geständnis abgelegt. Auch wenn die Verteidigung deren Glaubwürdigkeit bestreitet, gebe es zudem noch die Aussage des Mithäftlings - ihm gegenüber habe er das bestätigt, sagte dieser aus.

12.21 Uhr: Hinweise auf ein Gewaltverbrechen an Hanna habe es am 3. Oktober erst gegen 18 Uhr gegeben, ihre Identifizierung sei erst gegen 22 Uhr über ihren Schmuck erfolgt. „Alle diese Informationen waren polizeiintern“, stellt die Richterin fest. Es habe keinen Verdacht gegen den Angeklagten gegeben, der zunächst nur als Zeuge vernommen wurde - auch nach mehreren Vernehmungen sei er nicht verdächtig gewesen. Wann er von dem Tötungsdelikt erfahren habe? Am Montag, habe er gesagt - das war der Tattag. Erst einen Tag später sei erstmals in der Presse berichtet worden. „Es ist ausgeschlossen, dass der Angeklagte am Feiertag davon wusste.“ Auch, dass der Angeklagte statt Unwissen einen möglichen Tathergang schilderte, habe die Verdachtsmomente erhärtet - auch, weil in der Presse noch keine solchen Informationen publiziert worden waren.

12.17 Uhr: Nächste Attacke gegen die Verteidigung! Ein Abstand, den Verteidigerin Rick mit 35 Zentimeter angab, maß ein Gutachter kurz darauf als 60 Zentimeter. „Wenn man annimmt, dass die Verteidigerin messen kann, hat sie gelogen“, sagt Aßbichler. „Wer noch an einen Unfall glaubt, dem kann man alles erzählen.“

12.14 Uhr: Nun geht es um die Brüche der Schulterdächer von Hanna. Auch diese hätten nicht im Wasser entstehen können, weder in der Mitte, wo man nicht am Boden schleife, noch am Rand, wo zu geringe Kräfte wirkten, referiert die Richterin aus einem Gutachten. 

12.11 Uhr: Plötzlich holt die Richterin einen Meterstab hervor. Die weiteste Strecke zum Ufer seien 1,15 Meter gewesen. Auch sei Hanna bei einer Tiefe von 1,40 Meter 1,86 Meter groß gewesen. Warum sei es notwendig gewesen sich zu entkleiden, sich die Hose über die Turnschuhe auszuziehen, fragt die Richterin. „Auch diese Umstände wurden von dem Gutachter der Verteidigung einfach ignoriert“, sagt Aßbichler.

12.08 Uhr: “Diese Annahme ist absurd", sagt die Richterin über die Annahme, dass Hanna bewusstlos noch Schwimmbewegungen absolviert habe. Dabei müssten bewusst Ergebnisse aus der Verhandlung ignoriert worden sein, mutmaßt die Richterin. Auch, dass Hanna im Wasser ihre Hose abgestreift habe, ihr Spitzenoberteil, das leichter auszuziehen gewesen wäre, aber anbehielt, sei nicht anzunehmen. „Hanna war in einem reißenden Bach, nicht in einem See. Auch hätte sie sich nur auf der ersten Strecke ausziehen können. Es ist lebensfremd, anzunehmen, dass sich jemand auszieht, statt sich im 2,30 Meter breiten Bärbach am Ufer festzuhalten.“

12.05 Uhr: Alle drei Sachverständigen kämen zu dem Ergebnis, dass die Verletzungen von Hanna nicht im Wasser entstanden sein können. „Das Ergebnis des Sachverständigen der Wahlverteidigung gibt zu denken“, sagt Aßbichler. Er sei zu einem anderen Ergebnis gekommen und habe einen Unfall als Ursache für möglich erachtet. Dabei müsse er Ergebnisse ignoriert haben, sagt die Richterin. „Anders kann dieses Ergebnis nicht erklärt werden.“ 

12.03 Uhr: Dann lobt die Richterin die Arbeit der Polizei, der Sachverständigen. „Sie haben Großartiges geleistet.“ Dann zieht sie klare Schlüsse. „Es war kein Unfall, Hanna hat nicht im Wasser den Notruf gewählt, die Kleidung ausgezogen oder sich Verletzungen dort zugezogen.“

12.00 Uhr: “Es wurde versucht, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, die Richter zu beeinflussen. Ich erinnere an das Posing der Verteidigerin mit Herrn Genditzki. Es wurde diffamiert, beeinflusst und versucht, die Medien zu nutzen, zu manipulieren", sagt Aßbichler. Schwere Vorwürfe gegen die Verteidigung. Sie sei aber nicht darauf eingegangen, um das Spiel nicht mitzuspielen, sagt die Richterin.

11.58 Uhr: Der Angeklagte ist schuldig und muss neun Jahre ins Gefängnis! Das verkündet Richterin Jacqueline Aßbichler.

11.55 Uhr: Der Saal ist bis über den letzten geplanten Platz hinaus gefüllt.

11.50 Uhr: Der Angeklagte ist da und mit ihm seine Anwälte. Regina Rick hat sich sogar Verstärkung mitgebracht: Der bekannte Münchner Anwalt Alexander Stevens, der Gil Ofarim, den Neuschwanstein-Killer und die Angeklagte im Doppelgänger-Mord verteidigte, ist mit im Saal.

11.40 Uhr: Viele Polizeiwägen stehen vor dem Gericht, viele Menschen warten im Gericht vor dem Saal. So viele, dass Platzkarten verteilt und einige bereits wieder nach Hause geschickt wurden. Auch der Journalistenandrang ist enorm. Sogar zusätzliche Stühle werden hereingetragen.

Großer Andrang vor Urteil im Prozess um Tod von Hanna

11.06 Uhr: Schon Stunden vor der geplanten Urteilsverkündung standen am Dienstagmorgen Dutzende Zuhörer vor dem Gerichtssaal im Landgericht Traunstein und warteten auf Einlass. 

Nach einem halben Jahr Verhandlungsdauer will das Gericht um 12 Uhr das Urteil in dem Fall sprechen. Die Staatsanwaltschaft fordert für den 22 Jahre alten Angeklagten neuneinhalb Jahre Jugendstrafe wegen Mordes, die Verteidigung sieht auch nach mehr als 30 Verhandlungstagen keine Beweise für die Schuld ihres Mandanten und fordert einen Freispruch.

Das Wichtigste im Überblick:

Im Prozess um den Tod der Studentin Hanna will das Landgericht Traunstein am Dienstag nach einem halben Jahr Verhandlungsdauer das Urteil sprechen. Die Staatsanwaltschaft hat für den 22 Jahre alten Angeklagten neuneinhalb Jahre Jugendstrafe wegen Mordes verlangt, die Verteidigung sieht auch nach mehr als 30 Verhandlungstagen keine Beweise für die Schuld ihres Mandanten und fordert einen Freispruch.

Die junge Frau aus dem oberbayerischen Aschau im Chiemgau hatte in der Nacht zum 3. Oktober 2022 in dem Club „Eiskeller“ gefeiert und war am nächsten Tag tot in einem Fluss gefunden worden. Der Fall sorgte über die Region hinaus für Entsetzen, eine Sonderkommission ermittelte unter Hochdruck, Hunderte Zeugen wurden befragt. Schließlich wurde unter Mordverdacht ein junger Deutscher verhaftet, der in der Nacht in der Nähe des Clubs gejoggt war. 

Die Anklage geht davon aus, dass der damals 20 Jahre alte Mann die 23-jährige Medizinstudentin auf ihrem Heimweg von dem Club aus sexuellen Motiven angegriffen, schwer verletzt und dann in den Bärbach geworfen hat. Dort ertrank sie. Die Verteidigung sah stets die Möglichkeit, dass die junge Frau, die bei ihrem Tod etwa zwei Promille Alkohol im Blut hatte, ohne fremdes Zutun in den Bach stürzte.

Doch der im Oktober 2023 gestartete Indizienprozess gestaltete sich schwierig. Nicht zuletzt wegen vieler Beweisanträge zog sich das Verfahren hin. Der Angeklagte schwieg in dem Verfahren, er verzichtete auch auf sein letztes Wort. 

Die Anklage ist von seiner Schuld überzeugt. Der Prozess habe vollumfänglich bestätigt, dass dieser „ohne jeden Zweifel Täter dieses Tötungsdelikts ist“, sagte Staatsanwalt Wolfgang Fiedler in seinem Plädoyer. Ein Unfall sei ausgeschlossen. Der junge Mann habe in der Zeit vor der Tat zahlreiche Pornos angesehen, in denen es auch um Gewalt ging. Sein Potenzial aus Frust und Aggression habe sich gesteigert und in der Tat entladen.

Es gebe keine Indizien oder Beweise, die den Angeklagten entlasteten, sagt der Staatsanwalt. „Sie haben nichts, was gegen diesen Jungen spricht“, sagt Verteidigerin Regina Rick. Diametral auseinander lagen bis zum Schluss die Sicht auf Beweismittel, Aussagen von Zeugen, das Verhalten des jungen Mannes.

Die Pflichtverteidiger Harald Baumgärtl und Markus Frank hatten Aussagen wichtiger Zeuginnen und Zeugen unter die Lupe genommen und widersprüchliche Aussagen aufgedröselt. Eklatante Punkte passten nicht zusammen, sagte Frank mit Blick auf eine Zeugin. Sein Kollege Baumgärtl sagte über eine andere: „Die Zeugin hat falsche Angaben gemacht, wenn auch durchaus die Möglichkeit besteht, dass sie sich schlichtweg nur geirrt hat.“

Immer wieder ruckelte es in dem im Oktober 2023 gestarteten Prozess. Es gab einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht, eine Strafanzeige wegen des Verdachts einer Weitergabe interner Informationen, Drohungen gegen Verteidiger - und am Tag der Plädoyers verkündete die Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler dem Publikum im voll besetzten Gerichtssaal, es habe Hinweise auf einen möglichen Amoklauf gegeben. 

Hannas Eltern nahmen als Nebenkläger an dem Verfahren teil. Immer wieder kämpfte bei den Plädoyers die Mutter mit den Tränen. Für die Eltern stelle sich „tausendfach die Frage: warum?“, sagte deren Anwalt Walter Holderle in seinem Plädoyer. Diese Frage sei in dem Prozess „bedauerlicherweise unbeantwortet“ geblieben. Die Frage, wer ihre Tochter umbrachte, sei hingegen ganz klar beantwortet worden. Er schloss sich somit dem Antrag der Staatsanwaltschaft zu einer Verurteilung des Angeklagten zu neuneinhalb Jahren Haft an.