Gastbeitrag von Gabor Steingart - Trump-Zölle, China-KI, Staatsschulden: Es ist nicht so schlimm, wie Sie denken

Die allgemeine Verunsicherung führt dazu, dass Politiker und Medien, viele im Zustand innerer Erregung, erneut mit ihren Dystopien hausieren gehen.

Little Shop of Horrors: Viele können sich die Welt nur noch als Geisterbahn vorstellen, wo hinter jeder Biegung ein Börsencrash, die nächste Pandemie, Chinas Griff nach der Weltherrschaft oder ein leicht entflammbarer Donald Trump lauern. Dicht an dicht sitzen linke Schwarzseher und rechte Grummelbürger in den Waggons der Geisterbahn beieinander: im Grauen vereint.

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Doch auch diese Fahrt wird nicht im Vorhof der Hölle, sondern mutmaßlich im Freien enden. Zumindest gibt es fünf handfeste Gründe zur Zuversicht:

1. China ist stark, aber nicht dominant

Die chinesische KI-Offensive hat die Welt beeindruckt, aber nicht verändert. Das 2023 gegründete Start-up DeepSeek, dass seine künstliche Intelligenz für 5,6 Millionen US-Dollar trainiert statt für über 80 Millionen US-Dollar wie für ChatGPT 4, hatte an der US-Börse zu einem spektakulären Rückgang der Kurse geführt, bevor sich die US-Rallye der KI-Werte (Nvidia, Alphabet, Microsoft, Meta) fortsetzte.

Die Mücke hatte als Elefant ihren Auftritt: DeepSeek beschäftigt 160 Mitarbeiter und veröffentlicht keinerlei Finanzdaten. Allein Nvidia beschäftigt etwa 30.000 Mitarbeiter und erlöste bei einem Umsatz von 61 Milliarden US-Dollar einen Profit von 30 Milliarden Dollar allein in 2024. Solche Profit-Raten werden sonst nur im Drogenhandel erzielt.              

2. Europa ist schwach, aber nicht verloren

Europa ist politisch ein Zwerg, aber alle 27 Staaten der EU bilden in Summe die ökonomisch drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Deutschland stagniert seit drei Jahren, aber in Italien, Frankreich, Spanien und Portugal wurde im selben Zeitraum kräftig gewachsen.

Selbst die oft schon totgesagte deutsche Autoindustrie ist kein hoffnungsloser Fall. Nach einem Schreckmoment der verpassten Innovation übernahmen die Traditionsanbieter im Segment der Elektrofahrzeuge 2024 europaweit die Führung. In Deutschland lag Tesla im Gesamtjahr 2024 – so die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes – hinter VW, BMW und Mercedes auf Platz vier der E-Auto-Neuzulassungen.

3. Trump ist anders, aber nicht verrückt

Die Wortmeldungen des neuen US-Präsidenten zu Grönland und dem Panamakanal sowie seine Zoll-Drohungen gegenüber jedermann wirken erratisch. Aber der ehemalige Finanzminister Christian Lindner rät uns genauer hinzuschauen:

„Man sollte Trump ernst, aber nicht wörtlich nehmen.“

So wurden am Montag die angedrohten Zölle gegenüber Mexiko und Kanada auf Halten gestellt. Gegenüber Deutschland ist bislang nichts annonciert worden und hinter den Kulissen gibt es direkte Kontakte zu Trump, um das Schlimmste zu verhindern. Ohnehin dient die gesamte Zollpolitik weniger als Einnahmequelle denn als Anreiz, die Direktinvestitionen in den USA zu erhöhen.

4. Die Wall Street ist heiß, aber nicht überhitzt

Die Kurse an der Wall Street sind hoch, aber sie dürften weiter steigen. Auch einzelne Events wie die Zinspause der Fed oder der PR-Aufschlag von DeepSeek führten nur zu einem kurzfristigen Kursrückgang an der Nasdaq. Bloomberg resümiert:

„Wenn es da eine Blase gibt, dann ist sie wieder nicht geplatzt.“

Amerika zieht das Kapital der ganzen Welt an und schwimmt in Liquidität. Selbst an Tagen mit Kursrückgängen an der Nasdaq verlässt dieses Geld nicht den Markt, sondern wechselt nur das Segment. Es kommt zur sogenannten Branchenrotation – die Investoren satteln um von Hightech auf Lebensmittel, Tourismus und Versicherungen. Als kürzlich die Nasdaq-100 wegen DeepSeek um drei Prozent nachgab, legte der Dow Jones, der Markt für die amerikanischen Standardwerte, um knapp einen Prozent zu.                

5. Staatsschulden befinden sich auf dem Allzeithoch, aber nicht am Kipppunkt

Die Staatsschulden weltweit sind hoch, weshalb der Weltwährungsfonds regelmäßig warnt. Insbesondere die USA mit einer massiven Verschuldung seit der Pandemie und dem prognostizierten Schuldenaufbau von circa acht Billionen Dollar in der Ära Trump 2.0 befinden sich im Visier der Marktteilnehmer. Bis zum Ende des Jahres wird für die USA eine Staatsverschuldung in Relation zum BIP von rund 124 Prozent erwartet.                

Die Experten sind besorgt, aber nicht panisch. Dr. Jens Ehrhardt, Deutschlands zweitgrößter privater Vermögensverwalter und Mitglied im Aufsichtsrat der Media Pioneer Publishing AG, rät dazu, den Schuldenstand der USA ganzheitlich zu betrachten. Sowohl die Privathaushalte als auch die großen Unternehmungen des S&P 500 hätten seit 2007 ihre Schulden signifikant reduziert, sodass der Bond Markt durchaus nicht überreizt sei.

    

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Fazit: Die Welt des Jahres 2025 ist verwirrend, aber nicht aus den Fugen. Es gibt keinen Grund, dem Unvorhergesehenen mit verschränkten Armen entgegenzugehen. Oder um es mit unserem Alt-Bundespräsidenten Theodor Heuss zu sagen:

„Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist.“