Kognitive Gesundheit: Ehe schützt nicht vor Demenz – im Gegenteil
Eine Langzeitstudie über 18 Jahre zeigt eine klare Tendenz: Unverheiratete Senioren erkranken seltener an Demenz. Die Gründe dafür sind komplex.
Tallahassee – Forscher der Florida State University untersuchten in einer Studie, wie der Familienstand die kognitive Gesundheit beeinflusst. Dabei kamen die Wissenschaftler zu überraschenden Ergebnissen: Verwitwete, geschiedene und ledige Personen haben demnach ein um in etwa 50 Prozent niedrigeres Demenzrisiko hatten als verheiratete Altersgenossen. Diese Erkenntnisse könnten die „Annahme infrage stellen, dass die Ehe vor Demenz schützt“, so die Studienautoren.
Partnerschaft mit Nebenwirkungen? Warum Verheiratete häufiger Demenz entwickeln
In der Studie beobachteten die Wissenschaftler über 24.000 Teilnehmende aus verschiedenen Alzheimer-Forschungszentren in den USA über einen Zeitraum von bis zu 18 Jahren. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 71,8 Jahre und zu Beginn der Untersuchung war niemand an Demenz erkrankt. Während des Untersuchungszeitraums entwickelten 21,9 Prozent der verheirateten und verwitweten Personen Demenz, im Gegensatz zu nur 12,8 Prozent der Geschiedenen und 12,4 Prozent der Unverheirateten. Dieser Trend zeigte sich sowohl bei Alzheimer als auch bei der Lewy-Body-Demenz, bei anderen Demenzformen war der Einfluss schwächer oder nicht vorhanden.
Die Forschenden bieten dafür verschiedene Erklärungen an: Einerseits fällt bei verheirateten Personen Demenz oft früher auf, da der Partner Symptome bemerkt und einen Arztbesuch anstoßen kann. Bei Unverheirateten erfolgt die Diagnose hingegen oftmals später oder seltener. Andererseits liegt eine mögliche Erklärung auch in den engeren sozialen Netzwerken und dem positivieren Lebensstil unverheirateter Menschen. „Verheiratete Personen neigen zu einer geringeren sozialen Integration und haben im Vergleich zu ihren unverheirateten Altersgenossen weniger häufige und qualitativ schlechtere Interaktionen in ihren Netzwerken“, heißt es dazu von den Studienautoren.
Infos zur Studie
Die Studie „Marital status and risk of dementia over 18 years: Surprising findings from the National Alzheimer‘s Coordinating Center“ der Autoren Selin Karakose, Martina Luchetti, Yannick Stephan, Angelina R. Sutin, Antonio Terracciano der Universität Tallahassee im US-Bundesstaat Florida erschien am 20. Mai 2025 in der Fachzeitschrift Alzheimer‘s Association Journals.
Nur glückliche Paare profitieren: Studie entzaubert Schutzwirkung der Ehe vor Demenz
Gesundheitliche Vorteile gibt es laut den Forschenden nur bei qualitativ hochwertigen Ehen. „Die Qualität der Ehe könnte in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle spielen“, so die Studienautoren. Kurz gesagt: Nur glückliche Ehen schützen vor Demenz. Darauf weist auch eine weitere Studie der Stony Brook University in New York hin: Demnach sind Scheidung mit einem langsameren kognitiven Abbau verbunden. „Es gibt Hinweise darauf, dass sich einige Bereiche des Wohlbefindens nach einer Scheidung verbessern, beispielsweise Glück und Lebenszufriedenheit“, so die Studienautoren aus Florida.
Die Forschenden untersuchten auch, ob Bildung, Depressionen oder genetische Veranlagung den Zusammenhang zwischen Familienstand und Demenzrisiko beeinflussen. Das Ergebnis: Diese Faktoren hatten keinen Einfluss. Interessant: Der Zusammenhang zwischen Demenzrisiko und Familienstand blieb auch dann bestehen, wenn gesundheitliche Probleme wie Fettleibigkeit oder Diabetes sowie das Rauchverhalten berücksichtigt wurden. Ein leichter Einfluss zeigte sich bei Alter, Geschlecht oder dem Grund für den Besuch in der Alzheimer-Klinik. Diese Unterschiede waren laut den Wissenschaftlern jedoch nicht signifikant.
Fernsehen oder Kreuzworträtsel reichen nicht: „Wer rastet, der rostet“
Grundsätzlich gehen Alzheimer-Forschende davon aus, dass sozialer Austausch geistig fit hält. „Wer rastet, der rostet – das gilt auch fürs Gehirn“, betont etwa die Initiative Alzheimer Forschung. Um das Risiko für Alzheimer-Demenz zu senken, sollte das Gehirn bis ins hohe Alter gefordert werden, so die Experten. Kreuzworträtsel oder Fernsehen reichen dafür allerdings nicht aus.
Stattdessen empfehlen Demenz-Experten Aktivitäten wie Musik hören oder machen, Lesen, Gesellschaftsspiele oder Neues zu lernen, etwa eine neue Sportart oder ein neues Hobby. „Dabei gilt: je komplexer die Tätigkeit, desto anregender fürs Gehirn.“ Und: „Es ist nie zu spät, anzufangen.“ Denn eine Studie der Universität von South Florida zeigte, dass selbst Senioren, die erst mit hohem Alter ein Instrument erlernten, ihre kognitiven Fähigkeiten verbessern konnten.