Erste europäische Vogelart ausgestorben – Experte warnt vor „Aussterbewelle, die die Kontinente überspült“
Ein trauriger Meilenstein. Der erste in Europa heimische Landvogel gilt als ausgestorben. Ein Alarmsignal für Naturschutzverbände.
Frankfurt – Die eleganten Zugvögel bevölkerten einst Küsten im Norden von Deutschland und im Süden von Europa. Jetzt gilt der Dünnschnabel-Brachvogel offiziell als ausgestorben.
Das ist das traurige Ergebnis einer Studie der Royal Society für the Protection of Birds (RSPB), der Universität London, BirdLife international, Naturalis Biodiversity Center aus den Niederlanden sowie des Naturhistorischen Museums London. Eine Analyse der vorhandenen Nachweise (bspw. Sichtungen) ergab, dass der Dünnschnabel-Brachvogel mit einer Wahrscheinlichkeit von 96 Prozent nicht mehr existiert. Laut den Leitlinien der Roten Liste sollte die Vogelart deshalb als ausgestorben geführt werden.
Dünnschnabel-Brachvogel: Erste europäische Vogelart auf dem Festland ausgestorben
Seit 1995 wurde kein Exemplar mehr gesichtet und seit 1924 kein Nest dokumentiert. Trotz intensiver Suche konnte Fachleute auch keine Brutplätze mehr entdecken – weltweit. Und das, obwohl der Dünnschnabel-Brachvogel einst weit verbreitetet war. Von Russland über Ost- und Mitteleuropa bis ans Mittelmeer, den Nahen Osten und die nordwestafrikanische Küste.

Damit ist der Dünnschnabel-Brachvogel die erste bekannte Vogelart, die seit der Neuzeit auf dem europäischen Festland ausgestorben ist.
Aussterben von europäischer Vogelart ist Alarmsignal für Fachverbände
Für Fachverbände ein alarmierendes Ereignis. Denn: Der Wandervogel galt als Symbol für die Biodiversität Europas. „Der Verlust des Dünnschnabel-Brachvogels ist nicht nur ein Verlust einer einmaligen Art, sondern auch ein Alarmzeichen für die anhaltende Vernachlässigung von EU-Naturschutzmaßnahmen“, sagt NABU-Vogelschutzexperte Martin Rümmler.
Der NABU sieht die Hauptursachen für das Aussterben der Art in der Zerstörung von Küstenfeuchtgebieten, sowie die Bewirtschaftung von Mooren und Sümpfen in den Brutgebieten.
Fachleute fordern Reaktion auf Aussterben von Dünnschnabel-Brachvogel
Ähnlich äußert sich die Vogelschutzorganisation BirdLife international. „Der verheerende Verlust des Dünnschnabel-Brachvogels ist eine Warnung, dass kein Vogel vor dem Aussterben gefeit ist“, schreibt Alex Berryman in einer Mitteilung. Er ist im Verband verantwortlich für die Rote Liste und Mitautor der Studie.
Seit 1500 seien weltweit mehr als 150 Vogelarten ausgestorben. Und das Aussterben auf dem Festland nimmt zu. Laut Berryman eine Folge der Zerstörung und Verschlechterung von Lebensräumen, Überfischung und anderer Bedrohungen. Der Fachmann warnt: „Um die Vögel zu retten, sind dringende Schutzmaßnahmen erforderlich. Andernfalls müssen wir uns auf eine viel größere Aussterbewelle einstellen, die die Kontinente überspült.“
„Wenn wir nicht handeln, werden weitere Arten aussterben“ – Deutsche Watvogelarten in Gefahr
Auch der NABU warnt: „Wenn wir nicht schneller handeln, werden weitere Arten aussterben.“ Deutsche Watvogelarten wie der Alpenstrandläufer, der Kiebitzregenpfeifer und der Steinwälzer stünden einer immer stärkeren Bedrohung gegenüber. Und das Artensterben betrifft bei weitem nicht nur Vögel. Fachleute warnen, die Welt stehe vor einer „tödlichen Stille.“
Und auch, wenn es Bestrebungen gibt, ausgestorbene Arten durch Klonen wiederzubeleben. Viele Arten verschwinden, noch bevor sie der Mensch überhaupt entdecken könnte. Dann gilt, wie Ökologe Klement Trockner sagt: „Einmal verloren, ist immer verloren.“ (moe)