Traditionell, Waldorf, Montessori - Lehrerin sagt, wie Sie die beste Schule für Ihr Kind finden
Eine Einladung nach der anderen zum Tag der offenen Tür flattert Eltern dieser Tage ins Haus. Welche Art von Schule ist die beste für mein Kind? Das ist die drängende Frage, die sich viele Eltern stellen. Aber haben Sie wirklich in jedem Fall die Wahl? Bildungsexpertin Claudia Rehder gibt Antworten.
Wenn sich die Kindergarten - oder die Grundschulzeit dem Ende entgegen neigt, haben Eltern die Qual der Wahl. Waren es früher die Grundschule bzw. die weiterführende Schule vor Ort, auf die ein Kind geschickt wurde, so machen sich viele Eltern heute auch Gedanken um Alternativen.
Vor dem Hintergrund eines traditionellen Schulsystems, das immer mehr in Frage gestellt wird und dringend neu gedacht und modernisiert werden müsste, gewinnen Schulen, die Lern- und Unterrichtsangebote anders gestalten, an Bedeutung. Während Waldorf- und Montessori Schulen mittlerweile aus der Schullandschaft nicht mehr wegzudenken sind, bereichern heutzutage immer mehr freie Schulen und auch Online Schulen das Angebot.
Claudia Rehder ist Gymnasiallehrerin, Online Coach und Expertin für bewusst andere Sichtweisen auf Schule und Bildung. Nach 22 Jahren im deutschen Schulsystem unterrichtet sie heute an einer innovativen, internationalen Pionierschule. Als Coach unterstützt sie Lehrkräfte, ihre Haltung zu reflektieren, um bewusst ihren Schulalltag zu entspannen. Ein wertschätzender Umgang mit Kindern, die Bedeutung von Mindset, Energie, Standing und Persönlichkeitsentwicklung sind die Kernthemen ihrer Arbeit.
Was bieten traditionelle Schulen?
An traditionellen Schulen lernen die Kinder für gewöhnlich in festen Klassenverbänden mit bis zu 30 Gleichaltrigen. Ein geregelter Tagesablauf, Stundenpläne, Hausaufgaben und feste Routinen geben dieser Schulform ihren strukturellen Rahmen.
Regelschulen bieten einen breiten akademischen Fächerkanon und folgen einem festgelegten Lehrplan, der auf Bildungsstandards und Lernzielen aufbaut. Dies sorgt für eine einheitliche Bildung und stellt sicher, dass Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, ein breites Spektrum an Wissen und Fähigkeiten zu erwerben.
Die regelmäßige Bewertung der mündlichen und schriftlichen Leistungen gibt den Kindern und Jugendlichen klare Rückmeldungen über ihren Fortschritt.
Die Schülerinnen und Schüler schließen ihre Schulzeit in aller Regel mit dem Haupt- bzw. Realabschluss oder dem Abitur ab. Da diese Schulen staatlich bzw. staatlich anerkannt sind, können die entsprechenden Prüfungen an der Schule selbst abgelegt werden.
Was bieten alternative Schulen?
Alternative Schulen gestalten Lernumgebungen und Unterricht bewusst anders als im traditionellen System. Hier lernen die Kinder oftmals in weniger großen, altersgemischten Gruppen und werden ermutigt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für ihren Lernprozess zu übernehmen. Dabei ist die Lernumgebung teilweise so gestaltet, dass die Kinder und Jugendlichen selbstständig wählen können, an welchen Themen und Projekten sie arbeiten möchten. Sie lernen in ihrem eigenen Rhythmus, ohne strikte Vorgaben und, wie im Fall von Montessori Schulen, sogar mit Hilfe speziell entwickelter Materialien, die konkrete, praktische Erfahrungen ermöglichen. Alternative Schulen legen häufig einen besonderen Fokus darauf, nicht nur die intellektuelle, sondern auch die emotionale, soziale und kreative Entwicklung der Kinder zu fördern.
Auf Noten und Prüfungen wird in der Regel ganz oder zumindest bis in die Mittelstufe hinein verzichtet. Stattdessen erhalten die Kinder Rückmeldungen zu ihrem individuellen Fortschritt. Am Ende ihrer Schulzeit können sie entweder an der Schule selbst oder mittels einer externen zentralen Prüfung ihren Haupt- oder Realschulabschluss oder auch das Abitur machen.
Was bieten Online Schulen?
An Online Schulen können Schülerinnen und Schüler in virtuellen Klassenzimmern und mit Hilfe von interaktiven und digitalen Lernmaterialien von überall lernen. Sie bieten eine geschützte Umgebung, in der viele Ablenkungen und soziale Konflikte, die an lokalen Schulen vorkommen können, wegfallen.
Die Größe der Lerngruppen variiert stark von Schule zu Schule, ist aber deutlich kleiner als an Präsenzschulen. Es finden sich sowohl altersgemischte als auch gleichaltrige Gruppen.
Das Spektrum ist vielfältig. Es gibt Schulen, die ausschließlich online arbeiten und an akademischen Fächern und deren Lehrplänen ausgerichtet sind. Andere Schulen personalisieren selbst die fachliche Wissensvermittlung, legen Wert auf eine ganzheitliche, persönliche Entwicklung der Kinder und geben ihnen die Möglichkeit, ihre Themen nach eigenen Interessen auszuwählen und eigenständig und im eigenen Tempo zu bearbeiten. Einige wenige bieten sogar Offline-Wochen an, in denen sich Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte persönlich treffen.
In Bezug auf Leistungsmessung und Noten bewegen sich manche Online Schulen im Fahrwasser traditioneller Settings, während man an anderen in einem bewertungsfreien Rahmen lernen und trotzdem am Ende seinen Schulabschluss machen kann.
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Da die Kinder von zu Hause lernen, erfüllen Online Schulen die im Schulrecht festgeschriebene Präsenzpflicht nicht. Genehmigungen werden nur in Ausnahmefällen erteilt, wenn es um das Wohl des Kindes geht oder die berufliche Situation der Eltern keine andere Möglichkeit zulässt. Dennoch stellen diese Schulen für manche Familien eine lohnenswerte Alternative dar. Denn auch sie bereiten die Kinder auf anerkannte nationale oder internationale Abschlüsse vor, die dann meist in Präsenz an einer zentralen Prüfungsstelle oder Kooperationsschule abgelegt werden. In einigen Fällen ist dies auch online möglich.
Unterschiedliche Bedürfnisse erfordern unterschiedliche Schulen
Heutzutage wissen wir, dass die Strukturen und Arbeitsweisen des traditionellen Systems veraltet sind und es hier eines Umdenkens und einschneidender Veränderungen bedarf- Daher möchte ich abschließend - im Sinne der Kinder - für eine größere Offenheit gegenüber alternativen Schulkonzepten plädieren. Denn diese leben bereits heute mutig die Veränderungen, die wir in den Schulen so gerne sehen wollen.
Was viele Eltern unterschätzen, ist, dass Kinder unterschiedliche Voraussetzungen und Bedürfnisse mitbringen.
Die Schule vor Ort mag sich zwar auf den ersten Blick oftmals als die pragmatischste Lösung anpreisen. Aber wir dürfen uns bewusst machen, dass dieser Eindruck auch dadurch entsteht, dass wir alle diese Art von Schule kennen und sie selbst erlebt haben. Sie ist uns vertraut und wir wissen, worauf wir uns einlassen.
Alternative Schulen hingegen, die völlig andere, vielleicht ungewöhnliche Konzepte verfolgen, fordern uns heraus. Wir fragen uns, wie das gehen kann und zweifeln sehr schnell daran, aus Angst, unsere Kinder könnten etwas verpassen.
Letztendlich aber geht es bei einer Entscheidung für eine Schule immer um das einzelne Kind und seine individuellen, persönlichen sowie pädagogischen Bedürfnisse. Während manche Kinder sich ganz wunderbar in traditionellen Schulen zurechtfinden, leiden andere darunter. Daher tun wir gut daran, zum Wohle unserer Kinder genau hinzuschauen und eine bewusste Entscheidung zu treffen.
Genau dies wird aber erst dann möglich, wenn Eltern tatsächlich die freie Wahl haben. Erst, wenn die - typisch deutsche - Präsenzpflicht abgeschafft wird, für alternative Schulen kein Schulgeld mehr aus privater Tasche bezahlt werden muss und diese damit wirklich jedem offenstehen, herrscht wahre Bildungs- und Chancengleichheit. Erst dann können Eltern für ihre Tochter, die eine Leistungsrückmeldung durch Noten braucht, und für ihren Sohn, der am Bewertungsdruck zerbricht, die Schule wählen, die das jeweilige Kind am besten unterstützt. Eltern, die beruflich viel auf Reisen sind, könnten ihre Kinder samt Schule einfach mitnehmen. Ein Kind, das hochsensibel ist, könnte von kleinen Lerngruppen profitieren, ein anderes, das mehr Bewegung braucht, von einem offenen Raumkonzept.
Unsere Schullandschaft ist bereits heute so reich an unterschiedlichen Angeboten, die unterschiedlichen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen gerecht werden. Diese grundsätzlich allen zugänglich zu machen, ganz unabhängig von ihrem sozialen oder auch finanziellen Hintergrund, wäre in meinen Augen ein Aufbruch in die richtige Richtung. Denn genau das wäre wirklich zum Wohle unserer Kinder und gleichzeitig ein Schritt hin zu wahrer Inklusion.
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