„Befinden uns nicht mehr im Frieden“: Generalleutnant erklärt in brisantem Vortrag Operationsplan Deutschland

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Freising
  4. Freising

Kommentare

Bedrückende Botschaften adressierte Generalleutnant André Bodemann (M.) an die Anwesenden im vollen Lindenkeller. An seiner Seite die Organisatoren des Freisinger Wintervortrags (v. l.) Kai-Uwe Mayer und Erwin Hantke vom Bezirksverband der Bundeswehr-Reservisten, OB Tobias Eschenbacher und Otto Radlmeier, Vorsitzender des Kreiskriegerverbands. © Lehmann

Was, wenn Russland die Nato angreift? Für diesen Fall, aber vor allem zur Abschreckung, gibt es seit Kurzem den Operationsplan Deutschland. In Freising wurde nun das Konzept erklärt.

Freising - „Wir sind nicht im Krieg, aber wir befinden uns schon lange nicht mehr im Frieden.“ Mit diesem Zitat, das im Lindenkeller auf eine Leinwand geworfen wurde, will Generalleutnant André Bodemann Zivilgesellschaft und Politik aufrütteln. Der stellvertretende Befehlshaber des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr und Kommandeur Territoriale Aufgaben war der ranghöchste Redner, der je bei einem der traditionellen Freisinger Wintervorträge gesprochen hat.

„Das Lagebild ist düster, aber real“

Im Beisein des Freisinger Oberbürgermeisters Tobias Eschenbacher und etlicher Vertreter der Truppe erklärte der Generalleutnant im voll besetzten Lindenkeller, warum sich Deutschland zwar formaljurisitisch noch im Frieden befindet, aber die Realität aus seiner Sicht ein anderes Bild zeichnet. „Aktuell sehen wir vier Bedrohungen, mit denen wir jeden Tag konfrontiert sind“, sagte Bodemann. Desinformation und Fake News, vor allem über die sozialen Netzwerke gestreut; Cyber-Angriffe auf politische Institutionen und Unternehmen; Ausspähung vor allem mittels Drohnen und die Vorbereitung und Duchführung von Sabotageakten auf kritische Infrastruktur, etwa in der Ostsee – „das alles dient dazu, die Zivilgesellschaft zu verängstigen und zu zermürben“. Bodemanns Botschaft: „Das Labgebild ist düster, aber real. Deutschland muss verteidigungsbereit werden.“

Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der damit verbundenen Eskalation hat sich die Bundeswehr wieder auf die Landes- und Bündnisverteidigung rückbesonnen. Unter Federführung von Bodemann ist unter Mitwirkung von Politik, Blaulichtorganisationen, Katastrophenschutz und Polizei der sogenannte Operationsplan Deutschland entstanden. Das 1300-seitige Konvolut ist Grundlage für das weitere Handeln der Bundeswehr im Fall der Fälle. Und mit dem rechnet Bodemann über kurz oder lang, weil Russland deutlich mehr Panzer produzieren würde, als in der Ukraine zum Einsatz kämen: „In einigen Jahren möchte Putin imstande sein, einen großmaßstäblichen Krieg zu führen.“

„Geht nicht darum, Angst zu schüren“

Zwei Dinge sind Bodemann wichtig: Der seit Anfang des Jahres wirksame Operationsplan diene nicht der Kriegstreiberei, sondern einer möglichst großen Abschreckung, sollte Putin seine Truppen künftig etwa an der Grenze zu Litauen aufmarschieren lassen. „Wenn es etwa zu einer Drohgebärde an der Nato-Ostflanke seitens Russlands kommt, wollen wir in einer solchen Phase die Nato so aufmarschieren lassen, dass es eben nicht zu dem nächsten Schritt, nämlich zu einem Krieg kommt.“ Und: „Es geht nicht darum, Angst zu schüren, sondern die Bevölkerung für Bedrohungsszenarien zu sensibilisieren.“

Der Generalleutnant sagte auch, dass es künftig wieder mehr Manöver geben werde, um den Schutz kritischer Infrastruktur, Brücken und Leitungen zu trainieren: „Nur was man übt, ist wirkungsvoll. Und nur dann ist man glaubhaft.“ Ankommen wird es laut Bodemann dabei auch auf die Zivilgesellschaft. „Wir müssen möglichst schnell möglichst viele Menschen ins System holen.“ Dabei gehe es nicht nur um junge Menschen, die sich für den Wehrdienst zur Verfügung stellen, sondern auch um ehrenamtliche Kräfte, die bereit wären, sich für den Heimatschutz einzusetzen. Denn wenn die Nato ihre Truppen an der Ostfront konzentrieren müsse, dann würden zum einen etliche Truppen aus Westeuropa durch Deutschland nach Osten vorrücken, zugleich gäbe es in Deutschland selbst kaum mehr Soldaten.

Ex-Kreisbrandrat fordert Rückkehr zur Wehrpflicht

Auf den Vortrag folgte eine intensive Debatte. Der ehemalige Kreisbrandrat Heinz Fischer etwa ließ kein gutes Haar am Zustand der Bundeswehr, die von der Politik in den vergangenen Jahrzehnten systematisch heruntergewirtschaftet worden sei. Die Generäle hätten sich dagegen zu wenig gewehrt. Fischer: „Ich fordere eine sofortige Rückkehr zur Wehrpflicht.“ Bodemann pflichtete ihm bei. Man sei dabei, die Politik in Richtung Wehrpflicht nun „hart zu beraten“.

Auch interessant

Kommentare