Schwierige Zeiten für „Unser Land“ - Solidargemeinschaft aus dem Landkreis Weilheim-Schongau will aufrütteln
„Unser Land“ schlägt Alarm. Der Umsatz der heimischen Produkte sinkt, die Lebensgrundlage einiger Bauern wackelt. Die Solidargemeinschaft aus dem Landkreis will aufrütteln.
Obersöchering – Einkaufen gehen: Eine Aufgabe, die jeden im Alltag beschäftigt. Oft muss es schnell gehen, ist es Mittel zum Zweck – Kühlschrank und Speisekammer sollen ja gefüllt sein. Doch einige Entscheidungen beim Gang durch die Regale betreffen nicht nur die eigene Ernährung, sondern durchaus die heimischen Strukturen. Darauf machte die Solidargemeinschaft „Unser Land“ bei einem Termin auf dem Hof „Zum Marx“ in Obersöchering aufmerksam. Das Netzwerk kämpft mit Umsatzeinbußen. Im Schnitt sei der Verkauf um rund 15 Prozent zurückgegangen – verglichen mit der Zeit vor der Corona-Pandemie. „Es ist eine Durststrecke“, sagt Adriane Schua, Vorsitzende des Dachvereins „Unser Land“.
Für die Solidargemeinschaft, zu der auch „Weilheim-Schongauer Land“ gehört, liefern heimische Landwirte. Jene Höfe, die die Struktur vor Ort prägen, die Felder bewirtschaften, Arbeitsplätze schaffen und oft seit Generationen Milch, Eier oder Fleisch vermarkten. Sie profitieren davon, wenn Käufer zu „Unser Land“-Produkten greifen. „Manche Menschen wissen gar nicht, was sie mit ihrem Kaufverhalten beeinflussen“, vermutet Schua.
Solidargemeinschaft „Unser Land“ hat Verbraucher und Politik im Blick
Der Vorsitzenden ist klar, dass die gestiegenen Preise auch dazu führen, dass Kunden eben nicht zum teureren heimischen Joghurt oder den Eiern aus der Region greifen. Da die Menschen weniger Geld zur Verfügung haben, gebe es einen „Trading-Down-Effekt“. Wer früher im Bio-Laden einkaufte, gehe nun auch zum Supermarkt. Dessen Kunden wechseln bisweilen zum Discounter.
Die Verantwortlichen der Solidargemeinschaft haben deshalb nicht nur den Verbraucher im Blick, sondern auch die Politik. Und so kam es am Esstisch der Landwirt-Familie Westenrieder schnell zu einem regen Austausch mit Ludwig Hartmann (Bündnis 90/Die Grünen), dem Vize-Präsidenten des Bayerischen Landtags. „Wir sind parteiübergreifend“, betonte Brigitte Honold. Vorsitzende der „Weilheimer-Schongauer Land Solidargemeinschaft“. „Wir setzen uns für die gute Sache ein.“ Dafür werde mit Vertretern verschiedener Fraktionen gesprochen.
Austausch mit Ludwig Hartmann (Bündnis 90/Die Grünen)
Mit Hartmann tauschte man sich unter anderem darüber aus, ob es nicht Erleichterungen oder Ausnahmen für jene Produkte geben kann, die in der Region hergestellt und verkauft werden – um einen niedrigeren, konkurrenzfähigen Preis zu erhalten. Er kann sich entsprechende Regelungen vorstellen. „Ziel ist es ja, weniger Transport zu bekommen“, sagte der Grünen-Politiker.
Er regte zudem an, dass „Unser Land“ sich dafür einsetzt, dass beispielsweise in Kantinen oder bei politischen Empfängen ihre Produkte genutzt werden. „Da muss man auch mal penetrant sein“, sagte er. Auch beim Vergaberecht sieht er Chancen, dass heimische Anbieter bevorzugt zum Zug kommen: „Ich bin überzeugt, dass man so ausschreiben kann, dass ein regionaler Aspekt berücksichtigt wird.“
Schua griff das auf: „Genau, solche Themen sind in der Politik angesiedelt.“ Die „Unser Land“-Vorsitzende wünscht sich, dass Abgeordnete mehr auf Initiativen wie die Solidargemeinschaft und auch Betriebe zugehen. „In der Praxis fehlt es an Kommunikation mit jenen, die es betrifft.“ Die Folge seien große Belastungen mit zunehmenden Zertifizierungsauflagen und Verordnungen, selbst für kleine Betriebe. Die Bürokratie koste viel Zeit –und damit eben auch Geld. Es brauche nicht immer neue Ideen. „Es gibt uns schon. Das gilt es zu erhalten und zu unterstützen, wenn es nötig ist“, sagte Schua. Politiker sollten nicht nur sagen: „,Bio ist toll!‘, sondern Entscheidungen treffen“, die nachhaltiges Wirtschaften auch kleinen Höfen ermöglichen.
„Wenn ich sehe, was wir jetzt über ,Unser Land‘ verkaufen, das macht uns keinen Spaß und euch auch nicht“
Ein solcher ist eben die Hofmolkerei „Zum Marx“ in Obersöchering mit 40 Milchkühen. Er existiert seit vier Generationen und wurde zuletzt von Sepp an Andreas Westenrieder übergeben, die beide beim Gespräch dabei waren. Sie vermarkten ihre Produkte wie Joghurt, Milch und Käse zum Teil selbst im Hofladen und über „Unser Land“. Nahm die Solidargemeinschaft in guten Zeiten bis zu 1000 Kilogramm Bio-Heumilch-Joghurt pro Woche ab, ist es mittlerweile noch gut die Hälfte. Andreas Westenrieder bedauert das: Die Solidargemeinschaft „war unser Startkunde. Wenn ich sehe, was wir jetzt über ,Unser Land‘ verkaufen, das macht uns keinen Spaß und euch auch nicht“, sagte er an Honold und Schua gewandt.
Den Grund für den Einbruch können sich alle Beteiligten nur schwer erklären. Denn das Konzept am Hof sei insgesamt aufgegangen. Es gibt Mitarbeiter und sogar eine Inklusions-Arbeitsstelle. Vor dem Haus gebe es Blühflächen für die Bienen. „Wir haben eine soziale Landwirtschaft“, schilderte Westenrieder. Und eine solche muss Zukunft haben – da waren sich die Familie, die Vertreterinnen von „Unser Land“ und Politiker Hartmann einig.