Waldverjüngung: Gutachten über Verbiss startet - So sollen Daten beim Zukunftswald helfen
Den Forstrevieren steht ein riesiger Aufwand bevor: Mit Meterstab und Tablet dokumentieren sie heuer Verbiss im Wald – flächendeckend und nach exakten Kriterien.
Fischbachau – Es ist eine Arbeit für Geduldige, die einem streng statistischen Verfahren folgt: Bücken, messen und das Ergebnis ins Tablet eintragen. Hunderte Male in Folge, an Hunderten Stellen im Landkreis. Gerhard Waas hat keine Eile dabei, der Revierleiter nimmt sich Zeit für unzählige Pflanzen. Ist die Verjüngung verbissen? Auf welcher Höhe liegen die Schäden? Und welche Triebe sind betroffen? „Man kann damit auch in die Vergangenheit schauen“, erklärt Waas. Das ist wichtig, weil das Aufnahmeverfahren in dieser aufwendigen Form nur alle drei Jahre durchgeführt wird. In diesem Turnus erstellen die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) bayernweit „Forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung“ auf Basis der Daten. Heuer ist es wieder soweit, das 14. Gutachten seit dem Start 1986 steht an. Waas zeigt zum Auftakt gemeinsam mit Stefan Kramer, Leiter der Abteilung Forsten am AELF Holzkirchen, den Ablauf des Verfahrens.
Eingeladen hatte Kramer in das Waldstück oberhalb von Faistenau nahe Fischbachau wie üblich Grundbesitzer sowie Vertreter von Wald und Jagd. Das Verfahren soll transparent für alle Beteiligten ablaufen – schließlich bildet das Gutachten später die wichtigste Grundlage für die Abschussplanung 2025. Ein statistisches Verfahren sei wichtig, um nicht den Eindruck zu erwecken, man suche einfach nach Verbiss, erklärt Kramer. „Das machen wir natürlich nicht.“
Vier Hegegemeinschaften im Landkreis
Vielmehr sind die Messpunkte nach einem Raster in bestimmten Abständen festgelegt. Bayernweit gliedern sich die Wälder in 750 Hegegemeinschaften, vier davon liegen im Landkreis: drei Niederwild- und eine Hochwildhegegemeinschaft. Letzterer, zu der auch der Wald bei Faistenau gehört, gehören 80 Messpunkte an, die mindestens fünf Meter tief im Wald liegen. Von jeder dieser Stellen erfassen die Revierleiter – unterstützt von externen Kräften – eine gerade Strecke bis zu 100 Metern, die durch die nächstgelegene Verjüngung führt. So sollen binnen sechs Wochen Verbisse durch Wild an den jungen Bäumen statistisch an einem Punkt je 150 Hektar erfasst werden, ohne gezielt danach zu suchen. Grundbesitzer und Jäger sollten die Gelegenheit nutzen und mitgehen, appelliert Hegegemeinschaftsleiter Bernhard Greinsberger.

Die Daten, ergänzt Kramer, werden von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Freising gesammelt und später zurück nach Holzkirchen geschickt, von wo das AELF Vergleiche ziehen und Trends ableiten kann. Schon jetzt verrät Kramer: „Der Verbiss in der Hochwildhegegemeinschaft macht uns Sorgen.“
Ziel: 40 Prozent Tannen
Das bestätigt auch Waas, Leiter des Forstreviers Oberes Schlierach- und Leitzachtal. „Noch sind die Fichten kleiner als die Tannen“, sagt er. Doch wenn die jungen Bäume verbissen und dadurch zurückgehalten werden, drehe sich das um. „Das ist fatal, weil die Fichte nicht klimastabil ist“, betont der Revierleiter. Ziel sei ein Anteil von jeweils 40 Prozent Tannen und Laubholz und zehn Prozent Fichte – doch davon ist der Wald noch weit entfernt. An größeren Tannen erkennt Waas aber, dass der Verbissdruck hier früher offenbar geringer war.
Gerade diese langfristigen Beobachtungen zeigt das Forstliche Gutachten auf. Und das, betont Kramer, „ist so aktuell wie nie zuvor“. Der Februar sei der wärmste Monat seit Aufzeichnungsbeginn gewesen, der Start der Datensammlung sei so früh wie nie. Kramer warnt: „Es reicht ein trockener Sommer, dann läuft auch bei uns der Borkenkäfer.“ Die Wälder müssten umgebaut werden – und das Gutachten werde dafür immer wichtiger. nap
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