Regisseur Leo Hiemer zeigt im ganzen Allgäu seine „3 Filme gegen Rechts“

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Der bekannte Regisseur Leo Hiemer bei der Präsentation seiner Filme im Colosseum-Center Kempten. © Fischer

Leo Hiemer beleuchtet in seinem neuen Filmprojekt die Schreckens­herrschaft der Nazis aus unterschiedlichen Perspektiven. Ein Film wurde bisher noch nie gezeigt.

Kempten – „Die Nazis waren nicht nur in Auschwitz“, sagt Hiemer. In seinen Filmen, Büchern, Theaterstücken und Ausstellungen zeigt er auf Grundlage akribischer Recherchearbeit auf, wie das NS-Regime in Dörfern und Städten im Allgäu mentalen Rückhalt und tatkräftige Unterstützung erhielt. Im Mittelpunkt seiner Werke stehen jedoch die Menschen, die ausgegrenzt, gebrandmarkt, ausgeliefert, unauffällig weggebracht und ermordet wurden.

Der ungesehene Film

Sein neuestes Werk hat Hiemer im Auftrag des Landsberger Stadtmuseums erstellt, als Teil der neuen Dauerausstellung, die 2025 eröffnet wird. Der im Kemptener „Theater oben“ gedrehte Kurzspielfilm „Hitler in Landsberg“ basiert auf den Aufzeichungen von Franz Hemmrich. Der Gefängniswärter erinnert sich an Hitler, der in der Festung eher wie ein Hotelgast als ein Häftling behandelt worden sei. Er habe seine private Kleidung behalten können und nicht arbeiten müssen. Seine Wünsche seien vom Direktor immer genehmigt worden. Er habe lesen, schreiben, Vorträge halten und mit seinen Kameraden feiern können.

Im zweiten Teil des Films beschreibt der von Ernst Konarek dargestellte Aufsichtsbeamte, wie die Hitler-Zelle später zu einer Art Wallfahrtsort wurde. Man habe dabei so getan, als ob die dortige Zeit für den „Führer“ ganz schlimm gewesen wäre. Auch in diesem Hiemer-Film darf die Opfer-Perspektive nicht fehlen: Der Wärter beschreibt die viel schlimmeren Haftbedingungen vom Jesuitenpater Rupert Mayer (1876–1945), der 1938 für seine Widerstandstätigkeit ebenfalls im Landsberger Gefängnis landete.

„Hitler in Landsberg“ hat Hiemer unter dem Titel „3 Filme gegen Rechts“ mit zwei seiner früheren Werke kombiniert. Im 2019 für die Wanderausstellung „Geliebte Gabi“ gedrehten Zeitzeugen-Interview erzählt die damals 85-jährige Wally Koch, wie ihre Mutter kurz vor Weihnachten 1944 verhaftet wurde und ein paar Monate später infolge einer Gewalttat im Kaufbeurer Gefängnis ums Leben kam. Veronika Zettler (1896–1945), die mit ihrem Mann die Gastwirtschaft zum Adler in Unter­thingau führte, habe ein Nachbar angezeigt, weil in ihrer Gaststube das Hitler-Bild an der Wand umgedreht worden sei, wahrscheinlich von jungen Arbeitsdienstlern.

Leo Hiemer zitiert einen Polizeibericht aus Memmingen aus dem Jahre 1935. Ein unbekannter Täter hat auf dem Schild am Ortseinfahrt die Buchstaben „un“ überpinselt.
Leo Hiemer zitiert einen Polizeibericht aus Memmingen aus dem Jahre 1935. Ein unbekannter Täter hat auf dem Schild am Ortseinfahrt die Buchstaben „un“ überpinselt. © Leo Hiemer

Der Dokumentarfilm „Kann Spuren von Nazis enthalten“ entstand 2021 als Teil der Ausstellung „Vervolkt“ im Memminger Stadtmuseum. Er schildert die Zerstörung der Synagoge während der Reichspogromnacht. Die menschlichen Schicksale hinter einigen in der Stadt verlegten Stolpersteinen werden aufgezeigt. Doch der Film beschränkt sich nicht auf die Geschichte Memmingens: Neben dem Kriegsgefangenenlager dort wird auch das KZ-Außenlager in Kempten vorgestellt. Der Hinweis auf das in Hiemers Film „Leni … muss fort“ (1993) und seinem Buch „Gabi (1937–1943). Geboren im Allgäu. Ermordet in Auschwitz“ (2019) aufgearbeitetes Schicksal der Gabriele Schwarz ist etwa mit Markt­oberdorf und Stiefenhofen verbunden. Der Euthanasie-Mord an Franziska Endres wird mit Kaufbeuren und Irsee in Verbindung gebracht.

Die Demokratie stärken

Der direkte oder indirekte Gegenwartsbezug gehört zu den größten Stärken von Hiemers Arbeiten. Wally Koch spricht in ihrem Interview die Parallelität zu heutigen Entwicklungen genauso an, wie der frühere Memminger Oberbürgermeister Manfred Schilder, der davor warnt, diese als „Randerscheinungen“ abzutun.

Auch in seinen Filmen könne man sehen, was Einparteiendiktatur und Rassenhass angerichtet haben, sagt Hiemer. Dieser Erfahrungsschatz zeige: „Wir sollten es so nicht noch einmal probieren.“ Die Zeit mit „Wehret den Anfängen“ sei vorbei. „Wir sind mittendrin.“

Um die „Fankurve der Demokratie“ zu vergrößern, solle man die direkte Demokratie und die Partizipationsmöglichkeiten stärken, rät Hiemer. Es sei wichtig, Foren zu schaffen, wo Menschen miteinander diskutieren können. Der Geschichte müsse man sich stellen, man dürfe sie nicht relativieren. „Die Scheußlichkeiten, die hier auf dem Land passiert sind, sind einmalig. Und es sollte auch so bleiben.“ Um dazu einen Beitrag zu leisten, bietet er Schulen und anderen Bildungseinrichtungen an, seine Filme zu zeigen und darüber mit ihm und Zeitzeugen zu diskutieren.

Die „3 Filme gegen Rechts“ werden unter anderem am 28. März in Marktoberdorf, am 4. April in Bad Wörishofen, am 5. April in Lindenberg, am 7. April in Kempten, am 20. April in Isny und am 2. Mai in Memmingen gezeigt. Genaue Details unter www.leohiemer.de.

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