Ausland - Belarus erwartet Lukaschenkos Wiederwahl zum Präsidenten

Nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus, die am 26. Januar stattfinden, wird die Wahlkommission wohl bekannt geben, dass der 70-jährige Alexander Lukaschenko für eine siebte Amtszeit als Präsident gewählt wurde. Der Langzeit-Diktator, der nach den gefälschten Wahlen 2020 seine Legitimität verloren hat, seitdem international isoliert und von Russland völlig abhängig ist, strebt nach Anerkennung und Rekorden. Zumindest einen hat er schon aufgestellt. Im Wahlkampf sollen laut Wahlkommission 2,5 Millionen Wähler, also mehr als 35 Prozent, mit ihrer Unterschrift Lukaschenko unterstützt haben.

Der Wahlkampf 2025 ist aber kein Wettkampf unter Kandidaten - die Belarussen sollen nur noch ihre Loyalität gegenüber dem Regime bekunden. Früher gab es vor Wahlen meist eine Phase der Liberalisierung: Die Opposition bekam Zugang zu Medien und Wählern, und Beamte konnten Kontakte zum Westen knüpfen. Das ist vorbei.

Lew Gudkow vom russischen Lewada-Zentrum sagt im DW-Gespräch, dass bei den Wahlen im Jahr 2020 Umfragen zufolge Swetlana Tichanowskaja 53 Prozent der Stimmen erhalten habe, während Alexander Lukaschenko auf 28 Prozent kam. Laut den Wahlbehörden erreichte Lukaschenko dagegen 80,1 Prozent der Stimmen und Tichanowskaja nur 10,1 Prozent. Das Lewada-Zentrum, von den russischen Behörden als "ausländischer Agent" gebrandmarkt, gilt als letztes weitgehend unabhängiges Meinungsforschungsinstitut in Russland.

Um die Wahlfälschung zu vertuschen, wurde damals in Belarus für drei Tage das Internet abgeschaltet. Tausende Menschen wurden festgenommen, viele von ihnen von der Polizei gefoltert und geschlagen. Die Gewalt löste tagelange Massenproteste aus.

Diesmal, fast fünf Jahre später, will das Regime seine "Fehler" nicht wiederholen. Alle unabhängigen Medien wurden längst als extremistisch eingestuft und sind aus dem Land vertrieben worden. Die Mitglieder der Wahlkommissionen sind nun geheim und nur Vertreter regierungstreuer Parteien und Organisationen dürfen die Stimmabgabe verfolgen. Die Behörden haben Beobachtern der OSZE erst in letzter Minute eine formelle Einladung geschickt und so eine Beobachtung unterlaufen. Dafür sollen in den Wahllokalen Polizisten über die Stimmabgabe wachen, bei der es diesmal offene Wahlkabinen gibt. Ferner ist das Fotografieren von Stimmzetteln verboten, Verstöße sollen mit Bußgeldern geahndet werden.

Zudem wird es diesmal keine Wahllokale im Ausland geben. Die Behörden haben die dort lebenden Belarussen aufgefordert, nach Belarus zu kommen. Für Regimegegner und politisch Verfolgte, die in EU-Ländern Schutz bekommen haben und seit Jahren in ihre Heimat nicht zurück können, ist das keine Option. Hinzu kommt, dass es niemanden gibt, dem sie ihre Stimme geben könnten, da Lukaschenko keine echten Herausforderer hat. Daher hat die Opposition im Ausland dazu aufgerufen, die "Wahlen ohne Wahl" zu boykottieren.

Lukaschenkos wahre Konkurrenten heißen Viktor Babariko, Swetlana Tichanowskaja, Sergej Tichanowski, Maria Kolesnikowa und Pawel Latuschko. Sie alle wurden 2020 inhaftiert und verurteilt oder zur Ausreise gezwungen.

Formal treten gegen Lukaschenko drei Vertreter regierungstreuer Parteien an - Sergej Syrankow, Alexander Chischnjak und Oleg Gajdukewitsch sowie die Pseudo-Oppositionelle Anna Kanopazkaja. Die hatte auch 2020 an den Wahlen teilgenommen und rund 1,5 Prozent der Stimmen bekommen.

Kanopazkaja ist eine der wenigen, die es nach der Teilnahme an den Wahlen geschafft hat, auf freiem Fuß und in Belarus zu bleiben, obwohl sie sich als Teil der Opposition positionierte. Kanopazkajas Teilnahme an den Wahlen 2025 sei ein Versuch, den Anschein von Konkurrenz zu erwecken, sagten belarussische Experten der DW.

Die männlichen Kandidaten machen nicht einmal einen Hehl daraus, dass sie Alexander Lukaschenko unterstützen. Kanopazkaja wirbt immerhin für einen "unblutigen, zivilisierten und demokratischen Machtübergang im Land", erwähnt jedoch weder Wahlbetrug noch Repressionen.

Während der Proteste im Jahr 2020 versicherte Lukaschenko, seine sechste Amtszeit werde seine letzte. Doch das Versprechen hat er nicht gehalten; stattdessen führt er nun einen aktiven Wahlkampf. "Seine Hauptbotschaft lautet: 'Ohne mich wird es schlimmer, Belarus könnte in einen Krieg hineingezogen werden'", sagt der belarussische Politikwissenschaftler Walerij Karbalewitsch.

Aber je öfter Lukaschenko auftritt, desto mehr fällt seine schlechte körperliche Verfassung auf. Er keucht, will sich irgendwo anlehnen, wenn er stehen muss, wiederholt sich oft und bringt banale Sprüche. "Er hat rapide abgebaut, wenn man ihn mit Videos vor zwei Jahren vergleicht, geschweige aus dem Jahr 2020", sagt der belarussische Wirtschaftsexperte und Blogger Sergej Tschaly, der in Polen lebt.

Lukaschenko ist sich möglicherweise selbst bewusst, welches Bild er heute abgibt. Ihm zufolge würden "einige Geflüchtete", wie er diejenigen nennt, die Belarus verlassen mussten, sowie "andere" nur noch "auf den Tod des Präsidenten warten". Das würden sie jedoch vergeblich tun, betonte er jüngst bei einer Sitzung.

Auch wenn Lukaschenko in den vergangenen Monaten 250 politische Gefangene freigelassen hat, gehen die Repressionen weiter. Dem Menschenrechtszentrum Wjasna zufolge waren allein im Jahr 2024 mindestens 8895 Menschen politisch motivierten Festnahmen, Verhören und Durchsuchungen ausgesetzt. 3697 Menschen haben Menschenrechtler seit Sommer 2020 als politische Gefangene anerkannt, von denen 1254 weiter in Haft sind, einige davon völlig isoliert. Sie dürfen weder Angehörige noch Anwälte treffen und keine Briefe erhalten.

Zu ihnen zählt die Oppositionelle Maria Kolesnikowa, die ihren Vater im November 2024 erstmals nach zwei Jahren wieder sehen durfte. Mehr als 600 Tage gab es keinen Kontakt zum Bankier Viktor Babariko, der an den Wahlen 2020 teilnehmen wollte und zu 14 Jahren Haft verurteilt wurde. Sergej Tichanowski, Blogger und Ehemann von Swetlana Tichanowskaja, befindet sich seit fast 700 Tagen in Isolationshaft. Er wurde zu knapp 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Immer noch werden Menschen wegen Kommentaren und Likes im Internet aus dem Jahr 2020 und der Teilnahme an jenen Protesten verfolgt. Vor den Repressionen sind Hunderttausende ins Ausland geflohen. Dort sind sie seit 2023 jeglichen Kontakts mit dem Staat, dessen Bürger sie sind, beraubt, weil die belarussischen Botschaften keine Pässe, Urkunden oder Dokumente mehr ausstellen.

Laut einer von Dezember 2024 bis Januar 2025 durchgeführten Studie von Chatham House halten die Belarussen die Wahlen 2025 für ein wichtiges Ereignis, wollen aber nicht an die Wahlurnen gehen. Während im Jahr 2020 noch 75 Prozent "auf jeden Fall" wählen wollten, sind es heute nur noch 36 Prozent.

Mit einem Wandel rechnen die Belarussen nicht, sondern hoffen eher auf "eine Verschnaufpause und ein Tauwetter", was der Studie zufolge eine Mehrheit unterstützen würde. Doch ein "Tauwetter" wird es unter Lukaschenko nicht mehr geben, meint der Politologe Karbalewitsch. "Belarus tritt in eine neue Phase ein, das Regime entwickelt sich vom autoritären zum totalitären."

Laut der Studie finden 55 Prozent der Befragten, Belarus sollte sich stärker um eine Verbesserung der Beziehungen zu den EU-Staaten bemühen, und knapp mehr als die Hälfte wünscht sich, dass die Belarussen aus dem Ausland wieder zurückkehren können.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

Von Emma Levashkevich