Harald Schmidt so böse wie immer: Dirty Harry ist zurück

  1. Startseite
  2. Kultur

Kommentare

Selbstloser Stichwortgeber: Volker Heißmann (re.) bereitete Harald Schmidt die Bühne. © Stephan Weiss

Politisch unkorrekte Witze über Frauen und Männer, über Alt und Jung – Harald Schmidt tritt wieder auf und trifft mit seiner unvergleichlichen Eleganz und Lakonie den Nerv seines Publikums. Das zeigte jetzt ein Abend mit dem 67-Jährigen und seinem Spezl Volker Heißmann (56) im ausverkauften Münchner Residenztheater.

Es beginnt mit Miosgas Jeans, Eskens gelbem Hosenanzug und Klöckners Frisur, aber wir sind hier nicht auf dem Boulevard, sondern auf einer überdimensionalen Kabarettbühne, auf der doch tatsächlich ein weißhaariger Typ ungeniert prominente Frauen ablästert. Im Residenztheater ergreift „Dirty Harry“ das Wort – und lässt es sich zwischendurch nur mit größter Mühe wieder nehmen. „Ein Abend mit Harald Schmidt und Volker Heißmann“ ist die Veranstaltung im ausverkauften Haus überschrieben, Heißmann, das „Mariechen“ aus der Frankenfastnacht, darf kurz erläutern, wie die beiden für dieses Projekt zusammengefunden haben, danach beschränkt er sich darauf, ein prominent auf der Bühne platzierter Edelfan zu sein. Und das Thilo Wolf Jazzquartett spielt dazu.

Der Ex-Chefzyniker ist wieder da, und zwischendurch fragt man sich, warum er eigentlich schon vor so langer Zeit mit dem Fernsehen aufgehört hat. Der Mann ist älter geworden, keine Frage, aber nicht milder, er schafft es, seinen bösen Witz in eine Gegenwart zu retten, in der andere ihren Humor überarbeiten, um nur ja nicht in Ungnade zu fallen. Gelacht wird oft und laut im Saal, wer wie Schmidt offensichtlich unbekümmert einen giftigen Gag nach dem anderen raushaut, reißt sein Publikum mit, überwältigt es.

Brillanter Schauspieler und Parodist

Trocken analysiert, würde sicher vieles indiziert, doch der 67-Jährige ist ein begnadeter Beobachter, und, das muss gesagt werden, ein brillanter Schauspieler und Parodist, das macht seine Performance so gut, so unangreifbar. Joschka Fischers Art zu sprechen, Alexander Dobrindts Brille, die Passagiere auf dem „Traumschiff“ – mit wenigen Strichen zeichnet Schmidt seine wunderbaren Karikaturen. „Nürtingen (seine Heimatstadt), ein Ort wie eine Diagnose“ – wer da nicht loswiehert, kann nur von dort kommen.

Harald Schmidt
Chefzyniker: Harald Schmidt in seiner Late Night Show (1995–2014, verschiedene Sender). © Andreas Hoffmann/Sky

Vielleicht ist es die Eleganz, die Lakonie, mit der Harald Schmidt spricht und agiert, die ihn so heraushebt aus der Schar der „alten, weißen Männer“ auf der Comedybühne, deren Humor bisweilen schal und platt wirkt. Und ganz sicher ist es seine Fähigkeit, auch sein eigenes Altern anzusprechen, ganz ohne Larmoyanz. So, dass Jung und Alt sich darüber amüsieren können. Seine wahre Identität bleibt verborgen, viel lieber spinnt Schmidt eine falsche Familiengeschichte mit Tochter Waltraud aus der Liaison mit einer Nigerianerin, die Sterbende begleitet – „und zwar solche, die davon gar nichts wissen“.

Und Heißmann? Verhält sich selbstlos als sympathischer Stichwortgeber, der ab und zu selbst ein paar schöne Nummern spielt (und singt). Und so ist sein größtes Verdienst, Harald Schmidt überlebensgroß erscheinen zu lassen.

Rassau Heißmann
Paraderolle: Volker Heißmann (re.) als „Mariechen“ neben Martin Rassau alias „Waltraud“. © Karl-Josef Hildenbrand

Nürtingen – ein Ort wie eine Diagnose

Auch interessant

Kommentare