Mehr als 429.000 Kita-Plätze fehlen – „Situation untragbar“

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Eine Bertelsmann-Studie zeigt, dass sich Deutschland inmitten einer Kita-Krise befindet. Bundesweit fehlen hunderttausende Plätze – besonders im Westen.

Frankfurt – Eltern haben in Deutschland eigentlich das Recht, ihr Kind ab einem Alter von einem Jahr in eine Kita zu bringen. Doch die Realität sieht aktuell anders aus. In vielen Bundesländern herrscht ein gewaltiger Mangel an Kita-Plätzen, wie die Bertelsmann Stiftung durch eine neue Studie herausfand. Die am Dienstag vorgestellten Zahlen aus dem jährlichen „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ zeigen, dass bundesweit mehr als 429.000 Kita-Plätze fehlen, um den Bedarf an Kinderbetreuung im Land zu decken. Die Experten sprechen von einer Krise. Es müssten dringend Maßnahmen ergriffen werden.

Für die Studie untersuchte Altersgruppen von Kindern bis zum Eintritt in die Schule. Dabei stellte sich ein großer Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland heraus. Im Westen äußerten 47 Prozent der Eltern einen Betreuungswunsch für unter dreijährige Kinder, nur 32 Prozent erhielten einen Platz. Im Osten sieht die Lage deutlich entspannter aus. Hier bekamen bereits 53 Prozent der Kinder einen Kita-Platz, 61 Prozent der Eltern äußerten den Wunsch. In anderen Worten: Im Westen fehlen rund 385.900 Kita-Plätze, im Osten hingegen 44.700 Plätze.

Bundesweit fehlen mehr als 429.000 Kita-Plätze – große Unterschiede zwischen West und Ost

Die Zahlen müssen in einem Kontext betrachtet werden. Da in Westdeutschland insgesamt mehr Menschen leben, ist ein Unterschied bei den Zahlen erst einmal normal. Trotzdem ist die Differenz auch im Verhältnis betrachtet sehr markant. „Die Versorgungslücke ist [...] deutlich geringer als in Westdeutschland“, heißt es in dem am Dienstag (28. November) veröffentlichten Bericht. Zu den am stärksten vom Kita-Mangel betroffenen Bundesländern im Westen zählen Nordrhein-Westfalen, Bremen, Saarland und Rheinland-Pfalz.

Kinderrucksäcke hängen im Eingangsbereich eines Kindergartens.
file7p4mmhimhm13q3gb629.jpeg © Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

Nicht nur zwischen Westen und Osten, sondern auch in den verschiedenen Altersgruppen variieren die Versorgungslücken stark. So ist die Betreuung von über Dreijährigen viel besser gewährleistet als die von jüngeren Kindern. Weiter heißt es: „Bei Kindern ab drei Jahren nehmen die meisten Kinder an einem Angebot der Kindertagesbetreuung teil, 2022 waren es bundesweit 92 Prozent.“ Zwar bestehe auch hier noch mehr Bedarf als gedeckt werden kann, doch die Versorgungslücke ist insgesamt deutlich kleiner. Im Osten konnte die Betreuung im vergangenen Jahr demnach bei rund 94 Prozent gewährleistet werden, insgesamt wünschten sich 97 Prozent der Eltern einen Platz für ihre Kinder. Im Westen fand die Betreuung bei 92 Prozent der Eltern von insgesamt 97 Prozent statt.

Auch die Personalausstattung in Kitas variiert zwischen West- und Ostdeutschland stark, wobei der Westen im Durchschnitt besser abschneidet. Dort betreut eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft rechnerisch 3,4 unter Dreijährige und 7,7 ältere Kinder. Im Osten kommen auf eine Fachkraft hingegen 5,4 Kinder unter drei Jahren, bei älteren sind es im Schnitt 10,5. Dabei sei nach wissenschaftlichen Empfehlungen ein Personalschlüssel von 1 bis zu 3 Kinder pro Erzieher bei unter Dreijährigen und bis zu 7,7 Kinder über drei Jahren ideal, hieß es in Gütersloh. Der Fachkräftemangel erschwere es zunehmend, den Bildungsauftrag der Kitas umzusetzen. „Die Situation ist für Kinder und Eltern wie auch für das vorhandene Personal untragbar geworden“, betonte Bildungsexpertin Anette Stein.

Kita-Situation in Deutschland laut Bildungsexpertin „untragbar“ – Bund muss bis 2030 handeln

Dabei machen die Studien-Autoren deutlich, dass es durchaus Chancen auf Verbesserungen bis 2030 gibt. Dafür müsse aber umgehend gehandelt werden. In Ostdeutschland sinken demnach die Zahlen von Kindern aktuell, weshalb eine Verbesserung des Personalschlüssels möglich sei – zumindest so, dass es sich auf dem gleichen Niveau wie der Westen befindet. Zudem sei eine Deckung des Platzbedarfs von Kindern in Aussicht. Unter der Voraussetzung: „Für alle Ost-Bundesländer gilt, dass das aktuell beschäftigte Kita-Personal nicht entlassen werden darf und sogar zusätzlich neue Fachkräfte gewonnen werden müssen.“

Schlechter sieht die Prognose hingegen für den Westen aus. Hier könnte es angesichts der teils großen Versorgungslücken in vielen Bundesländern schwierig werden, allen Kindern nach Bedarf einen Kita-Platz zu ermöglichen sowie den Personalschlüssel zu senken. Zumindest nicht bis 2030. Die Studienautoren sind der Meinung, dass es mehr Tempo beim Platz-Ausbau brauche. Dafür müssten auch die Arbeitsbedingungen für Erzieher attraktiver gestaltet werden.

Der Deutschen Städtetag verwies zwar auf enorme Steigerungsraten beim Kita-Platz-Ausbau, doch die Zahlen reichen nicht. „Das Bildungswesen droht an dem akuten Personalmangel zu zerbrechen. Die Beschäftigten gehen auf dem Zahnfleisch“, warnte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im stark betroffenen Nordrhein-Westfalen. (nz mit dpa-Material)

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