Der Kanzler spricht sich für ein allgemeines Pflichtjahr für alle aus. Im TV zweifelt Merz am freiwilligen Modell – und widerspricht seinem Verteidigungsminister.
Berlin – Kanzler Friedrich Merz hat sich in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ zum Thema Wehrpflicht zu Wort gemeldet. Der CDU-Chef spricht sich für ein Pflichtjahr für alle aus und zeigt sich verärgert über Boris Pistorius.
Meine Meinung ist schon, dass wir den Wehrdienst wieder brauchen.
„Ich bin dafür, dass wir das machen, was wir im Koalitionsvertrag verabredet haben, nämlich vorläufig freiwillig. Aber ich vermute, es wird bei Freiwilligkeit allein nicht bleiben“, so Merz in der ARD. Er zweifle daran, dass das Freiwilligenmodell der Bundeswehr genügend neues Personal bringe. „Meine Meinung ist schon, dass wir den Wehrdienst wieder brauchen“, so der Kanzler.
Merz-Ansage zu Bundeswehr: Zweifel an SPD-Plan – Kanzler für Pflichtjahr für alle
Der Kanzler sagte aber im Grundsatz seine Unterstützung für das Modell von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zu. „Wir wollen das jetzt mit der SPD zunächst freiwillig versuchen hinzubekommen“, sagte Merz – und fügte hinzu: „Ich bin skeptisch. Wenn es uns gelingt – umso besser.“
Merz erklärte, dass es derzeit etwa 350.000 junge Männer pro Jahrgang gebe. Allerdings werde man nicht alle von ihnen mustern und einziehen. Ebenso viele junge Frauen gibt es pro Jahrgang, doch aufgrund des Grundgesetzes dürfen sie nicht gemustert und eingezogen werden. Merz betonte: „Ich bin dafür, dass wir ein allgemeines gesellschaftliches Pflichtjahr in Deutschland etablieren, aber auch dazu braucht es eine Grundgesetzänderung“.
Pistorius‘ Plan für den freiwilligen Wehrdienst:
Die Pläne von Pistorius sollen pro Jahr Zehntausende neue Rekruten zur Bundeswehr bringen, bis auf Weiteres allerdings auf freiwilliger Basis. Ein verpflichtender Wehrdienst ist zwar vorgesehen für den Fall, dass Rekrutierungsziele nicht erreicht werden oder die Sicherheitslage höhere Zahlen nötig macht. Es gibt aber keinen Automatismus, keine festgelegte Zahl und keinen festgelegten Zeitpunkt für eine Aktivierung der Wehrpflicht. CDU und CSU fordern aber konkrete Vorgaben zur Wiedereinsetzung der Wehrpflicht, wenn die Ziele nicht erreicht werden.
Verärgert zeigte sich Merz über die Kritik von Minister Pistorius an der Unionsfraktion. Die Verschiebung der Bundestagsdebatte über Pistorius‘ Gesetzentwurf zum neuen Wehrdienst sei „schon vor einigen Tagen“ gemeinsam von den Fraktionen von Union und SPD vereinbart worden – dafür sei nicht, wie von Pistorius behauptet, allein die CDU/CSU verantwortlich. „Das war anders“, so Merz. Mit Blick auf Pistorius sagte der Kanzler: „Es kann sein, dass er die internen Vorgänge im Parlament nicht so mitbekommen hat.“ Damit glättete der Kanzler direkt wieder die Wogen. Einen offenen Streit mit dem SPD-Minister will er wohl verhindern.
Merz verärgert über Pistorius – „interne Vorgänge nicht mitbekommen“
Die Fraktionen von Union und SPD wollten weiter über den Entwurf aus dem Ministerium von Pistorius beraten, um vor der Bundestagsdebatte eine „gemeinsamen Zielsetzung“ zu erreichen in der Frage, wie zu verfahren sei, wenn der auf Freiwilligkeit beruhende Wehrdienst nicht genügend Personal für die Bundeswehr anwirbt, sagte Merz.
Bundeswehr braucht dringend Personal:
Die Bundeswehr steht vor der Herausforderung, rund 80.000 zusätzliche Soldaten zu rekrutieren. Die Nato sieht eine Truppenstärke von 260.000 als notwendig an, um einem möglichen Angriff, beispielsweise aus Russland, standzuhalten. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) setzt in seinem Gesetzentwurf auf Freiwilligkeit, um mehr junge Menschen für den Dienst bei der Bundeswehr zu gewinnen, und plant, diesen auch finanziell attraktiver zu gestalten.
Pistorius hatte der Unionsfraktion am Samstag in scharfen Worten eine Blockade seines Wehrdienstgesetzes vorgeworfen. „Das Verhalten der Unionsfraktion ist fahrlässig, weil es möglicherweise die Einführung des Neuen Wehrdienstes und damit auch die Wiedereinführung der Wehrerfassung verzögert“, sagte der SPD-Politiker dem „Handelsblatt“. Im parlamentarischen Verfahren gebe es verschiedene Möglichkeiten, vom Gesetzentwurf abweichende Haltungen einzubringen – etwa durch Änderungsanträge. (Verwendete Quellen: dpa, afp, ARD) (rjs, dpa, afp)